Pforzheim. Man hätte meinen können, ein Comedy-Star von Weltrang kündige seinen Auftritt an. Wenn auch mit einer gehörigen Portion Humor ausgestattet, so war es doch vielmehr ein Mann, der den Reden nach zu urteilen Einmaliges im Sinne der Sozialarbeit für die Stadt geleistet hat. Ein Abschied der Superlative: Dem zum Jahreswechsel in den Ruhestand scheidenen Caritas-Direktor Frank Johannes Lemke will die ganze Stadt am Freitag im Großen Saal des Kulturhauses Osterfeld, so scheint es, „Auf Wiedersehen“ sagen. Ausverkauftes Haus.
Lemke, der laut dem stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden Georg Steinmann nach rund 30 Jahren den Dienst in der Caritas Pforzheim – zuletzt als Vorstandsvorsitzender und Caritas-Direktor – quittiert, zeigt sich angesichts dieser fulminanten Abschiedsrede gerührt und „ganz überwältigt“. Nach Reden, die alle eher überschwänglichen Laudationen gleichkommen, nach mitreißenden musikalischen Darbietungen von Kindern aus dem Hort der Schanzschule, angesichts vieler Mitarbeitenden, Wegbegleiter, seiner Vorgänger Manfred Krauß und Ingeborg Christ, seiner moderierenden Nachfolger Gabriele Weber und Jürgen Halbleib, Vertretern von Kirchen und religiösen Institutionen sowie angesichts von Politprominenz beginnt Lemke seine Abschiedsrede: „Vor Ihnen steht ein guter Mensch. Zumindest nach dem, was ich gehört habe.“ Der Schalk blitzt aus den Augen, der Saal kommentiert dies mit lautem Lachen.
Aber Lemke legt auch dezent seinen Finger in Wunden. Nicht alles sei reibungslos verlaufen. Häufig habe man gestritten. Aber das gehöre dazu. „Wir sind nun mal kein Gesangverein mit Namen Eintracht.“ Wieder Gelächter. Es sei nun mal so, dass soziale Themen „immer negativ als Kostentreiber“ gesehen werden. Dabei können sie viel bewirken, wie man laut Lemke am Beispiel Pforzheims sehe.
„Wir haben keine brennenden Autos, keine eingeschlagenen Scheiben oder größere Scherereien.“ Dies sei der guten Arbeit vieler Einrichtungen zu verdanken, wobei er beispielhaft die SJR-Streetworker und die Familienzentren nennt. „Was würde das kosten, wenn das nicht wäre?“, fragt er. Sein Dank gilt nicht nur den Menschen im eigenen Haus, sondern explizit auch dem PZ-Medienhaus, genauer: dessen Hilfsorganisation „Menschen in Not“. Sein Wunsch: dass man sich weiterhin für eine „gute Sozialpolitik“ einsetzen möge, gerade für die Menschen, die am Rande stehen würden. Und gerade auch dann, wenn man riskiere, nicht immer „aller Liebling“ sein zu können.
Eine gewisse Streitbarkeit, aber auch Respekt vor dessen geradlinigem Einsatz schimmert aus allen Reden hervor. Es bleibt natürlich auch nicht aus, dass ein kurzes Schlaglicht auf eine vielfältige, breit gefächerte berufliche Laufbahn Lemkes geworfen wird. Das übernimmt als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender Georg Steinmann. So viel bleibt hängen nach einer langen Aufzählung von Stationen: Lemke hat sowohl Abschlüsse in Sozialpädagogik als auch Heilpädagogik, war Dozent an Hochschulen, bildete sich fort bezüglich Management für soziale Institutionen, in Psychomotorik und heilpädagogischer Diagnostik, kam 2005 wieder zur Caritas Pforzheim und war dort ab 2007 in genannter verantwortlicher Position und damit auch in der Geschäftsführung der Tochtergesellschaften Sankt Josef und des Integrationsunternehmens Caribe. Von 580 auf 920 Mitarbeitende, von einem Umsatz von 24 auf 57 Millionen Euro, von 18 auf 37 Einrichtungen – die Zahlen in der Zeit Lemkes bei der Caritas Pforzheim sprechen für sich.
Für den Caritasverband für die Erzdiözese Freiburg spricht dessenen Vorstandsvorsitzende Birgit Schaer, die unter anderem für Lemkes Aktivität im Lenkungsausschuss sowie dessen „besonderes Engagement im Kirchenentwicklungsprozess 2030“ dankt. „Sie sind immer tief verankert in unserem christlichen Glaubensgerüst und dem sozial-caritativen Handeln verschrieben gewesen“, so Schaer.
Von Herzlichkeit geprägt ist auch die Rede des Sozialbürgermeisters Frank Fillbrunn. Lemke sei nie nur wichtig gewesen, dass Menschen mit Behinderungen versorgt seien, sondern vielmehr, dass sie „wahrgenommen“ werden. Drei Bezeichnungen fallen ihm zu Lemke ein: streitbar; einer, der unkonventionelle Wege geht und mit Herz und im Sinne der Nächstenliebe agiere. Der Mann, der „nie ein Blatt vor den Mund genommen“ habe, hinterlasse ein „ordentlich bestelltes Haus“.
Die Wertschätzung für den scheidenden Caritas-Direktor gipfelt darin, dass Schaer ihm die silberne Ehrennadel der Caritas überreicht. Der rote Regenschirm und ein Münsterstein des Münsters Freiburg sind Zugaben.



