Es gleicht einer Vermisstenanzeige: Axel Deutsch würde sich nur zu gern bei derPerson bedanken, die ihm diese Botschaft übermittelt hat. Roth
Susanne Roth
So hat der Physiotherapeut Deutsch seinen Geldbeutel samt Botschaft vor derWohnungstür vorgefunden.
Susanne Roth
Pforzheim
Stück Pappe als Glücksbringer

Pforzheim.Es gibt Geschichten, da drängen sich sogenannte Lebensweisheiten nahezu auf. Die von Axel Deutsch ist so eine. „Jeder bekommt das, was er verdient“, so könnte die Überschrift über das, was der 64-Jährige unlängst erlebt hat, lauten. Denn als Gesprächspartner erlebt man einen Mann, der offen, freundlich und offensichtlich lebensbejahend eingestellt ist. Der Mann, der seit vier Jahrzehnten in Pforzheim als Physiotherapeut arbeitet, hat etwas erlebt, das ihn auch einige Tage danach immer noch sehr bewegt. Um nicht zu sagen, fassungslos macht. Im positiven Sinn.

Deutsch hat Glück im Unglück gehabt, und dies einer Person zu verdanken, die er nicht kennt, aber gern kennenlernen würde,

Schock bei der Ankunft

Aber der Reihe nach: Im August macht er mit seiner Freundin Urlaub. „In Nordengland, da war ich noch nie.“ Knapp zwei Wochen lang genießen sie das unbekannte Terrain, bevor sie über Manchester wieder nach Frankfurt fliegen und von dort weiter mit dem Zug in ihre Heimat Pforzheim reisen.

Wie das immer so ist auf Reisen, muss das Paar mit Verspätungen klarkommen. Jedenfalls wird es 1.30 Uhr, bis die Reisenden am Hauptbahnhof in der Goldstadt landen. Er habe dann, erzählt Deutsch der PZ, beschlossen, die Freundin noch zu sich nach Hause in der Nordstadt zu begleiten, um dann weiter zu seiner Wohnung im entgegengesetzten Stadtteil Rodgebiet zu gelangen. Vor der Haustür der Freundin angelangt, greift er nach hinten und merkt: „Mein Geldbeutel ist weg.“ Dass er diesen in der Gesäßtasche seiner Hose verstaut hatte, bezeichnet Deutsch als Ausnahme. „Das habe ich nur gemacht, weil man ja auf Reisen ständig den Ausweis oder das Ticket braucht. Sonst verstaue ich ihn immer im Rucksack.“

Der Schock war groß. „Da war ja alles drin, ein neuer Reisepass, Ausweis, EC-Karte, alles. Und noch 200 Euro.“ Er ist fassungslos. „Ich habe mich so über mich geärgert.“ Ist der Geldbeutel geklaut worden? Verloren? Das Nachdenken darüber macht keinen Sinn, beschließt er. Stattdessen greift er zum Handy, um erst einmal zu googeln, wo er sich nun wegen der verlorenen Inhalte melden muss. Karten sperren lassen, lautet das oberste Gebot. Dann spurtet er mitten in der Nacht los, zum Hauptbahnhof zurück. In der Hoffnung, dass der Geldbeutel auf dem Bahnsteig liegt oder sogar der Zug, „der dort endete“, noch auf dem Gleis steht und er im Abteil nachschauen kann. Zug weg. Bahnsteig menschen- und geldbeutelleer.

Das war´s dann mit der Nachtruhe. Bereits um 8 Uhr am nächsten Morgen klingelt sein Wecker, er bricht abermals Richtung Hauptbahnhof Pforzheim auf, wo er die Angelegenheit am Info-Punkt meldet. Dort trifft er zwar auf nette Menschen, aber viel tun können sie auch nicht für ihn. Seine Mutter tröstet ihn telefonisch. Mit dem Kopf voller Gedanken, welch riesiger Aufwand nun auf ihn zukommt, trottet Deutsch, so schildert er es, zurück zu seiner Wohnung.

Überraschung an der Tür

Dort traut seinen Augen nicht. „Ich wohne in einem alten Stadthaus mit vier Mietparteien. Im ersten Obergeschoss.“ Vor seiner Wohnungstür angekommen, „dachte ich, mich trifft der Schlag“. Am Türpfosten lehnt sein dunkelbrauner Ledergeldbeutel, davor steht eine Botschaft. Auf ein aus einem Pizzakarton abgerissenes Stück Pappe hat jemand geschrieben: „Hallo! Wir haben es gefinden im Zug!!! Mfg!“ Sein Name steht falsch darunter – Axel Deutch – aber die Adresse stimmt. „Nichts hat gefehlt, nicht die kleinste Kleinigkeit“, stellt Deutsch erleichtert und auch ungläubig fest. Nicht einmal das Geld wurde herausgenommen.

„Für mich ist das ein Engel“, das steht für ihn fest. Aufgrund der Schreibfehler und der seiner Einschätzung nach eher weiblichen Schrift schließt er, dass es „eventuell eine junge Ausländerin“ gewesen sein könnte. Aber wer? Das lässt dem Mann nun keine Ruhe. „Das ist der einzige Wermutstropfen an der Geschichte“, sagt er. Denn er würde „den Engel so gern kennenlernen, um mich zu bedanken. Ich möchte mich gern erkenntlich zeigen.“ Und hofft, dass die PZ-Berichterstattung Licht ins Dunkel bringt. „Dass es so was noch gibt in der heutigen Zeit. Jemand, der die gleichen Grundwerte vertritt wie ich. Die Person hätte das Geld vielleicht brauchen können.“ Gerührt ist er außerdem darüber, dass diese Person sich noch die Mühe gemacht hat, die Adresse seines Wohnorts zu suchen. Eines ist jetzt schon mal klar. „Den Pappkarton werfe ich nicht weg. Der steht jetzt auf meinem Klavier.“ Und noch etwas sagt er: „So lange es solche Menschen gibt, ist alles gut!“ Und noch eines ist klar: Der Geldbeutel wird nun übrigens nie mehr in der Gesäßtasche getragen, das ist mal sicher.

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