
- Corina Wiessler
Pforzheim. Was hatten Städte wie Düsseldorf, Dresden und Frankfurt am Samstag gemeinsam mit Pforzheim? Quasi über Nacht tauchten dort für kurze Zeit Radfahrstreifen auf, wo sonst nur Autofahrer unterwegs sind. Im Zuge des bundesweiten Aktionstags für sogenannte „Pop-up Bike Lanes“ konnten Pforzheimer zwischen 11 bis 12 Uhr rund um das Hilda-Gymnasium radeln – unbehelligt von Autos, Bussen oder Mopeds. Große und kleine Radfahrer ließen sich vom Regen nicht abhalten. Sie nutzten die Gelegenheit, ein- oder mehrmals um den Block zu kurven und sich dabei ein Bild davon zu machen, wie angenehm es auf dem Rad ist, wenn die Stadt den Platz dafür einräumt.
Dazu trennten der Verkehrsclub Deutschland (VCD) Kreisverband Pforzheim/Enzkreis und der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) Pforzheim-Enzkreis mit rotweißen Barken auf der Luisenstraße in Fahrtrichtung Hauptbahnhof zwischen Museumsstraße und Poststraße einen Fahrstreifen für den Radverkehr ab. „Ganz unkompliziert lässt sich eine solche Spur umsetzen, nicht nur für kurze Zeit, sondern dauerhaft“, so Christine Fischer. „Etwas Farbe, Schilder oder Markierungen – mehr braucht es nicht.“ Die Lehrerin, Mitglied bei der Initiative „Critical Mass“, wurde deutlich: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Radweg.“ Matthias Lieb, Landesvorsitzender des VCD, erklärte: „In Zeiten der Corona-Pandemie hat sich das Bild vieler Städte verändert. Deutlich weniger Autos sind unterwegs, Fußgänger genießen das Rauskommen, und Radfahrer haben mehr Platz als sonst.“ Derzeit seien mehr Menschen mit dem Rad unterwegs, um dem Infektionsrisiko in öffentlichen Verkehrsmitteln aus dem Weg zu gehen. „In dieser Situation haben einige Städte wie Berlin oder Wien vorgegriffen und schon früher sogenannte Pop-up Bike Lanes errichtet. Temporäre Radwege, die dem geänderten Mobilitätsverhalten zugutekommen sollen“, so Lieb.
Doch während etwa in Berlin die provisorischen Strecken nach und nach in sichere Radwege umgebaut werden sollen, bleibe es in Pforzheim erstmal beim Experiment. Ein diesbezüglicher Antrag der hiesigen „Critical Mass“-Aktivisten sei von der Stadtverwaltung abgelehnt worden. Lieb bedauert das: „Eine solche Aktion weist auf Verbesserungsbedarf im Pforzheimer Radwegenetz hin.“ Seiner Meinung nach habe sich in den vergangenen Wochen gezeigt, dass viele Pforzheimer aufs Fahrrad umgestiegen sind, weil weniger Autos unterwegs sind. Lieb ist sich sicher: „Wenn eine gute Radinfrastruktur zur Verfügung gestellt wird, nutzen viele Menschen das Fahrrad auch als Fortbewegungsmittel. Generell steigt so die Lebensqualität in der Stadt.“
„Wir haben jetzt eine einmalige Chance, mit der Unterstützung der Stadt eine Veränderung herbeizuführen“, ergänzte Uwe Scheuhing. Der Verkehrsplaner, ebenfalls VCD-Mitglied, mahnte: „Was gibt das für ein Bild ab, wenn in 50 Jahren unsere Nachfahren auf dieses Zeitfenster zurückblicken und feststellen müssen, dass sich die Einstellung in Bezug aufs Radfahren nicht gewandelt hat?“
