Ob die SPD zu viel Macht hat? Zwei PZ-Redakteure sind unterschiedlicher Meinung.
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Politik
Haben die SPD-Mitglieder zu viel Macht? Zwei Redakteure, zwei Meinungen

Pforzheim. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD ist ausgehandelt. Alle drei Parteien müssen ihm nun noch zustimmen. Die CSU hat das schon erledigt, das Votum von CDU und SPD steht noch aus. Die Sozialdemokraten sind die einzigen, die das über einen Mitgliederentscheid machen. Bekommen die Genossinnen und Genossen landauf landab damit zu viel Macht in die Hand? Zwei PZ-Redakteure haben dazu konträre Meinungen. 

PRO: PZ-Redakteur Andreas Wagner

„72.000 Stimmen reichen aus, um zu entscheiden, ob’s eine Regierung gibt.“

Der Koalitionsvertrag ist längst aufgesetzt – aber es vergehen noch einige Tage, bis auch klar ist, ob er in Kraft treten kann und der Weg zu einer neuen Regierung frei ist. Die SPD hat das Papier ihren Mitgliedern zur Lektüre weitergeleitet. Knapp 360.000 Sozialdemokraten sind zur Stimmabgabe aufgerufen und befinden darüber, was aus dem Vertrag wird.

Umfrage der Woche: Haben die SPD-Mitglieder zu viel Macht?
Ja
44%
Nein
56%
Teilnehmer: 4888

Dabei reicht es, wenn sich 20 Prozent der Mitglieder beteiligen, dann ist das Ergebnis bindend für die Parteispitze. 72.000 Stimmen reichen somit aus, um zu entscheiden, ob das Land mit knapp 84 Millionen Einwohnern bald wieder eine Regierung hat. Oder ob von einem Moment auf den anderen alles wieder infrage steht. Die Ratlosigkeit wäre groß, die Autorität der Parteispitze geschwächt. Die SPD hatte das Instrument nach der Bundestagswahl 2013 eingeführt – sinnvoll war das nicht. Warum können nicht die Gremien-Mitglieder und die gewählten Abgeordneten der Bundestagsfraktion darüber entscheiden? Schließlich wurden sie auch dafür von der Basis gewählt.

KONTRA: Petra Joos, PZ-Redakteurin

„Die Partei als Ganzes abstimmen zu lassen, ist gelebte Demokratie.“

Wenn ein Vertrag geschlossen wird, müssen ihn alle Partner unterschreiben. Das ist in der Wirtschaft so, warum soll es in der Politik anders sein? CDU und CSU segnen den Koalitionsvertrag in Gremien ab, also in ausgewählten Kreisen der Partei mit führenden Köpfen: bei den Christdemokraten der Bundesausschuss, bei den Christsozialen lediglich der Vorstand. Im Verhältnis zu den jeweiligen Parteigrößen ist das eine Handvoll Parteimitglieder, die ihr – qua Stellung – vorhersehbares Votum abgeben. Die SPD hingegen lässt alle ihre 358.322 Mitglieder abstimmen, die gesamte Partei. Im Online-Zeitalter kein Problem mehr.

Das ist gelebte Demokratie, denn die Basis der Partei ist im übertragenen Sinne ihr Volk. Jeden Einzelnen von ihnen in die Pflicht zu nehmen und sich damit die Legitimation für einen exklusiv verhandelten Vertrag dieses Ranges einzuholen, zeugt von Verantwortung – dabei auch die kritischen Stimmen zu zählen, von Transparenz.

Nicht die SPD-Mitglieder haben zu viel Macht, sondern die Führungszirkel der Union.

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