
Ob die Kirche zu politisch ist? Zwei PZ-Redakteure sind unterschiedlicher Meinung.
sean824-stock.adobe.com (Symbolbild)Die CDU-Politikerin Julia Klöckner wirft der Kirche vor, zu politisch zu sein. Andere aus der CDU widersprechen ihr. Auch in der PZ-Redaktion gibt es dazu unterschiedliche Ansichten.
Pro: PZ-Redakteurin Catherina Arndt
„Politische Positionierung ist das eine, Einmischung das andere.“
Meinungsfreiheit gilt auch für die Kirchen – das ist klar. Und völlig unpolitisch wird Glaube wohl nie sein. Es ist deshalb durchaus lobenswert, wenn sich Glaubensgemeinschaften für Menschenrechte und Toleranz einsetzen. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Konservative Geistliche und Gemeinden tun nämlich immer wieder auch das Gegenteil. Queere Menschen, Frauen und Anders- oder Nichtgläubige werden zur Zielscheibe, ihnen werden Rechte abgesprochen. Wohin das führen kann, zeigt zum Beispiel die katholische Kirche, die 2022 in den USA massiv und erfolgreich die Einschränkung des Abtreibungsrechts vorangetrieben hat – mit verheerenden Folgen. Untersuchungen zeigen, dass seitdem die Kindersterblichkeit sowie die Anzahl der Todesfälle aufgrund angeborener Anomalien gestiegen sind. Frauen sterben häufiger während oder nach der Schwangerschaft. Dass die politische Positionierung von Kirchen in politische Einmischung übergeht, bleibt also gefährlich. Glaube und Gesetz gehören einfach strikt getrennt.
Contra: PZ-Redakteur Andreas Wagner
„Schweigen passt nicht zur Grundhaltung der Kirchen.“
Die evangelischen Christen in Deutschland gedachten kürzlich des vor 80 Jahren ermordeten Theologen Dietrich Bonhoeffer. Er hatte sich in der NS-Zeit eingemischt. Als nach dem Krieg in Polen eine kommunistische Diktatur herrschte, ermutigte die katholische Kirche die Menschen dazu, gegen staatliches Unrecht einzutreten. Solches Engagement wurde in der freien Welt begrüßt. Aber heute, da sollten sich Christen zu politischen und gesellschaftlichen Fragen nicht äußern? Oder nur dann, wenn sie opportun erscheint? Das entspricht weder der Geschichte der christlichen Kirche noch ihren Schriften. Ein evangelischer Bischof wies einmal darauf hin, dass schon im Alten Testament Propheten mahnten, den Gottesdienst nicht getrennt vom Eintreten für Gerechtigkeit und Frieden zu sehen. Das beinhaltet, Missstände anzusprechen, ja sie anzuprangern, Entscheidungsträger zu tadeln, wenn sie Probleme ignorieren. Blickt man in die Welt, sieht man Konflikte, Ungleichheit und Ungerechtigkeit. Zu all dem zu schweigen, passt nicht zur Grundhaltung der Kirchen.