
Die Deutsche Bahn hat mit der Abschaffung der Familienreservierung für Fernreisen in ein Wespennest gestochen. Die Empörung ebbt auch nach Tagen nicht ab. Ist das Anheben der Preise unverschämt – oder doch notwendig? Zwei PZ-Redakteure sind unterschiedlicher Meinung.
Pro: PZ-Redakteur Lothar Neff
„Damit wird das Milliarden-Defizit der Bahn nicht reduziert.“
Die aktuelle Preiserhöhung für Reservierungen ist ein weiteres Beispiel für die verfehlte Preispolitik der Deutschen Bahn. Diesmal trifft es Familien. Eltern mit zwei Kindern müssen ab Sonntag für eine Reservierung 22 Euro bezahlen – inklusive Rückfahrt also 44 Euro. Damit wird das Milliarden-Defizit der Bahn nicht reduziert, aber treue Fahrgäste werden vergrault, denn eine längere Familienreise ohne Platzreservierung ist wenig erholsam. Die Maßnahme trifft ausgerechnet diejenigen, die auf bezahlbare Mobilität angewiesen sind.


Bahn: Reservierung für Familien wird deutlich teurer
Die aktuelle Pünktlichkeitsbilanz – wobei der Begriff bei einer Verspätung von bis zu 40 Prozent der Fernzüge ohnehin fehl am Platz ist – lockt niemanden in die Züge. Da steht mancher lieber im Stau. Statt attraktiver Angebote zum Umsteigen auf die Schiene zu schaffen, lassen sich die Experten in der Verwaltung immer wieder etwas einfallen, um potenzielle Reisende abzuschrecken. Wer mehr Kunden für die Bahn begeistern will, muss familienfreundlich sein.
Kontra: PZ-Redakteurin Catherina Arndt
„Die Bahn muss mehr Geld für ihre Sanierung erwirtschaften.“
Natürlich sind die jüngsten Preisanpassungen der Bahn keine gute Nachricht – vor allem nicht für Familien. Und so unverschämt sich diese mit Blick auf den oft mangelhaften Service der Bahn anfühlen mögen – sie sind einfach nötig. Denn die Infrastruktur der Bahn muss komplett saniert werden. Das ist kein Geheimnis. Alleine die Generalsanierung der Riedbahn, einer Strecke von knapp 70 Kilometern, hat etwa 1,5 Milliarden Euro gekostet.


Abschaffung der Familienreservierung: Druck auf Bahn steigt
Wie viel die Überholung der restlichen 30.000 Kilometer kosten würde? Man will gar nicht anfangen zu rechnen. Das nur durch Einnahmen zu finanzieren, schafft der Konzern aktuell nicht. Und auch eine Finanzierung nur durch staatliche Mittel ist für das gesamte Bahnnetz trotz Infrastruktur-Sondervermögen nicht denkbar. Die DB muss also mehr Geld erwirtschaften, mit dem sie die Sanierung des Schienennetzes vorantreiben kann – auch über die Ticketpreise. Ansonsten trifft es zunehmend vor allem auch jene Steuerzahler, die die Bahn gar nicht oder nur sehr selten nutzen. Und das wäre noch viel unverschämter.

