Thomas Satinsky, Geschäftsführender Verleger
Politik
Kommentar: Harte Zeiten und so mancher Streit – die CDU muss sich erneuern

Sie war so siegessicher, die Delegation aus Baden-Württemberg, die am 7. Dezember nach Hamburg gereist war, um beim CDU-Parteitag Friedrich Merz als neuen Vorsitzenden zu feiern. Am Ende verlor Merz hauchdünn gegen Annegret Kramp-Karrenbauer – und seither herrscht in der Hälfte der Partei Frust. Ein Kommentar von Thomas Satinsky, Geschäftsführender PZ-Verleger. 

Allen Wirrungen und Irrungen, allen Wahlschlappen zum Trotz: Die CDU ist immer noch ein Erfolgsmodell in der Parteienlandschaft. Im Vergleich mit der SPD musste sie in puncto Stimmenverluste in den vergangenen Jahren weit weniger Federn lassen und kann sich mit Fug und Recht immer noch als Volkspartei bezeichnen.

Und dennoch: Die Merkel-Ära hat die Partei träge gemacht. Es fehlt an Innovationsdrang. Wie Mehltau hat sich die Reformunfähigkeit über die CDU gelegt. Kurz vor der Abwahl von Helmut Kohl war das auch so. Angela Merkel gelang es damals mit unbekümmerter Brutalität, die Partei zu erneuern und wieder regierungsfähig zu machen.

Gelingt mit Annegret Kramp-Karrenbauer eine Erneuerung der CDU?
Ja
9%
Nein
87%
Weiß nicht
4%
Teilnehmer: 845

Wie heute war der Loslösungsprozess der CDU von Helmut Kohl mitunter schmerzhaft für alle Beteiligten. Im Falle Kohls war es Merkel, die ihn 1999 mit einem Artikel in der Frankfurter Allgemeine Zeitung aus dem Amt schrieb. Die CDU-Chefin hat daraus gelernt, ihr Amt gerade noch rechtzeitig zur Verfügung gestellt. Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) setzte sich gegen Friedrich Merz durch und soll die CDU vorwärts bringen.

Tatsächlich sah es kurz so aus, als ob die Christdemokraten geschlossen am Neuanfang arbeiten und sich hinter AKK stellen würden. Dass die Partei eben nicht unkoordiniert wie die SPD agiert und deswegen alle paar Monate eine/einen neue(n) Vorsitzende(n) suchen muss. Doch dann kamen die enttäuschten CDU-Männer auf den Plan. Zuletzt war es Günther Oettinger, der Friedrich Merz als Kanzlerkandidaten vorschlug, andere sehen ihn als Spitzenmann für Baden-Württemberg. Was dazu wohl Thomas Strobl – er ist Wolfgang Schäubles Schwiegersohn und Innenminister im Südwesten – gesagt hat?

In jedem Fall wurde deutlich, dass nun das Hauen und Stechen in der CDU erst richtig losgeht. Es wird kein leichter Weg werden für AKK. Sie muss ihrer Partei die Möglichkeit zur Diskussion und zum Streit geben, ja, sie dazu anfeuern. Nur so kann sie den Merz-Flügel integrieren. Zur Erinnerung: Annegret Kramp-Karrenbauer wurde mit höchst knappem Vorsprung zur Vorsitzenden gewählt. Die Partei schwenkt deshalb aber nicht von jetzt auf nachher um auf AKK-Kurs. Ein großer Teil der CDU hätte sich mehr Konservatismus gewünscht – mit klarer Ausrichtung auf den Wirtschaftsmotor Mittelstand. Dafür stand und steht Friedrich Merz. AKK wird nicht umhin kommen, den Widersacher oder dessen Vertraute und Anhänger ins Boot zu holen.

Alles andere würde die CDU in ihren Grundfesten erschüttern und womöglich spalten. Und am Ende des Tages wird die neue CDU-Vorsitzende auch in den Clinch gehen müssen mit der Kanzlerin. Denn eine erneuerte CDU passt nicht mehr zu einer alten Koalitionsregierung.