
Dass Ellen und Alice Kessler nach ihrem Freitod dem Sterbehilfeverein erlaubt haben, über die Umstände zu sprechen, ist eine klare posthume Botschaft: Die international bekannten und in Deutschland sehr geschätzten Show-Größen wollten das Thema wieder in die öffentliche Diskussion bringen.
Ein Kommentar von PZ-Redakteurin Petra Joos
Wieder ist ein gutes Stichwort, denn seit Jahren ist die Sterbehilfe eine Angelegenheit, die Politik und Gesellschaft gleichermaßen polarisiert. Auch deshalb ist die rechtliche Lage komplex: Während passive und indirekte Sterbehilfe erlaubt sind, ist die aktive Variante – die Tötung auf Verlangen – eine Straftat. Vor fünf Jahren erlaubte das Bundesverfassungsgericht dann zusätzlich die Beihilfe zur Selbsttötung, den assistierten Suizid. Es ist nicht nur verwirrend, sondern juristisch mitunter auch schwer zu klären, was noch Beihilfe und was schon aktiv ist. Zahlreiche Klagen zeugen davon.
Deutschland tut sich durch seine christliche Prägung schwer mit diesem Thema. Die beiden Kirchen, vor allem die katholische, ohnehin. Diese Zerrissenheit spiegelt sich auch in mehreren überparteilichen politischen Initiativen wider, die allesamt vom Bundestag abgelehnt wurden. Doch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts weist den Weg: Die Richterinnen und Richter haben mit ihrer Entscheidung das Recht auf Selbstbestimmung gestärkt.
Dieses Recht, das nun die Kessler-Zwillinge – wie so viele andere vor ihnen – für sich in Anspruch genommen haben, können aber nicht alle wahrnehmen. Es bleibt eine Lücke. Es gibt Menschen, die weder die finanziellen Mittel, noch die Kontakte geschweige denn den Gesundheitszustand haben, sich selbst das Leben zu nehmen. Sie sind auf aktive Sterbehilfe angewiesen, um ihr Recht auf Selbstbestimmung ausüben zu können. Eine Liberalisierung, wie sie in vielen Ländern längst vollzogen wurde, müsste deshalb ernsthaft in Erwägung gezogen werden. Für all jene, die unheilbar krank sind, leiden und in Würde sterben wollen – aber nicht dürfen.
