Landtagswahl Sachsen
Die Kreuzchen sind gemacht, die Stimmen ausgezählt - jetzt sind die Parteien am Zug.
Robert Michael/dpa
Politik
Nach den Ost-Wahlen: Abgeordnete aus Pforzheim und der Region zum AfD-Erfolg

Die Ampelparteien haben am vergangenen Sonntag bei den Wahlen in Sachsen und Thüringen eine Schlappe kassiert. Nun stehen komplizierte Regierungsbildungen bevor – und am Tag danach wird über Konsequenzen diskutiert. PZ-news hat die hiesigen Bundes- und Landtagsabgeordneten nach ihrer Meinung zum Wahlausgang in den beiden Ost-Bundesländern befragt. Die ersten Antworten liegen bereits vor.

Krichbaum: Bedenklich viele Stimmen für AfD

„In Sachsen wie in Thüringen hat sich der Zorn der Menschen auf die Ampelpolitik massiv entladen. Selten zuvor hat die Bundespolitik so sehr den Ausgang von Landtagswahlen bestimmt wie aktuell. Die Botschaft ist klar: Die Regierung von Olaf Scholz ist am Ende und Neuwahlen im Bund sind jetzt die einzige richtige Antwort“, sagt etwa Gunther Krichbaum, Bundestagsabgeordneter der CDU für Pforzheim und den Enzkreis. Und weiter: „Mein Glückwunsch gilt besonders Michael Kretschmer, der aller Voraussicht nach Ministerpräsident von Sachsen bleiben wird. Mario Vogt hat einen tollen und engagierten Wahlkampf bestritten, steht aber vor einer schwierigen Regierungsbildung.“

Bedenklich sei aus Krichbaums Sicht, dass in beiden Ländern die AfD etwa 30 Prozent der Stimmen eingefahren hat. „Den Wählern ist bekannt, dass diese Partei durch den Verfassungsschutz beobachtet wird und als gesichert rechtsextremistisch eingestuft ist. Wer das Kreuz bei der AfD macht, muss deshalb wissen, dass dieses Kreuz einen Haken hat.“

Gögel: Neuwahlen auf Bundesebene dringend erforderlich

Bernd Gögel, AfD-Landtagsabgeordneter für den Enzkreis, hält Neuwahlen im Bund für „dringend erforderlich“. Die Wähler hätten die Bundesregierung abgestraft – „die Ampel muss aufhören“.

In Thüringen gelang Gögels Partei der Wahlsieg, realistische Machtoptionen hat sie allerdings nicht. Alle anderen Parteien hatten ein Bündnis mit der AfD schon vor der Wahl ausgeschlossen. „Es ist der Wille der Wähler, Veränderung herbeizuführen“, meint Gögel. Die Wähler wollten, dass die AfD mitgestalte, das müsse man respektieren. Mit dem BSW etwa sieht Gögel in einigen Bereichen inhaltliche Schnittmengen, etwa bei der Migration. Von Brandmauern hält er indes nichts – „das ist in der Demokratie völlig falsch“.

Mögliche Koalitionen sollten auch nicht an Personen scheitern, sagt er, angesprochen auf den Thüringer AfD-Chef und Rechtsaußen Björn Höcke. „Ich glaube eher, dass die AfD trotz Höcke gewählt wurde, nicht wegen Höcke“, sagt Gögel. Gut möglich, meint er, dass Höcke zurückstecken würde, wenn eine Koalitionsoption an ihm als Person hinge.

Mit Blick auf die Landtagswahl in Baden-Württemberg im Frühjahr 2026 sagt Gögel klar, dass die AfD im Westen nicht auf Ergebnisse wie im Osten hoffen könne. „Aber auch hier wird der Wähler zeigen, dass er eine andere Politik will, wenn sich bis dahin nichts grundlegend ändert.“ Bei der Arbeit im Land sei man auf dem richtigen Weg. Bestimmte Positionen müsse man aber noch abräumen. Zum Beispiel: „Mit dem Begriff Remigration kann ich nichts anfangen“, sagt Gögel. Vielmehr müssten illegale Einreisen verhindert und das Asylgesetz konsequent angewandt werden.

Semet: freiheitliche und demokratische Außenpolitik infrage gestellt

Der FDP-Bundestagsabgeordnete für Pforzheim und den Enzkreis, Rainer Semet, hat sich folgendermaßen geäußert: „Die Wahlen in Sachsen und Thüringen sind für die FDP enttäuschend und niederschmetternd. Erneut zeigt sich, wie unzufrieden Menschen mit der aktuellen Regierungskoalition in Berlin sind. Insbesondere die freiheitliche und demokratische Außenpolitik wurde durch das starke Ergebnis der AfD und des BSW in Thüringen und Sachsen in Frage gestellt. Beide Parteien stehen an der Seite Putins, sind gegen die NATO und befeuern Antisemitismus in Deutschland. Die FDP hat es nicht geschafft, das Mitleids- und Benachteiligungsnarrativ in Ostdeutschland durch eine mutige und zukunftsorientierte Politik aufzubrechen.

Nun gilt es, die richtigen Schlüsse aus den Ereignissen der vergangenen Wochen zu ziehen. Die Unsicherheit in der Bevölkerung, insbesondere durch die Terrorattacken der vergangenen Tage und die ungelöste Migrationskrise sind Aufgaben, die man nicht mit Durchhalteparolen löst. Keine demokratische Partei kann angesichts der Ergebnisse in Ostdeutschland nun zur Tagespolitik zurückkehren. Für die FDP heißt dies, den Druck in der Bundesregierung zu erhöhen, um die Migrationspolitik zu verbessern. Wir brauchen eine Null-Toleranz und Null-Euro-Politik gegenüber abgelehnten Asylbewerbern und kriminellen Schutzsuchenden. Der Pull-Faktor der finanziellen Ausstattung von Flüchtlingen muss durch Bezahlkarten und geringere Sätze ausgehebelt werden. Zudem brauchen wir bis zu einer validen europäischen Einigung effektive Kontrollen an deutschen Landesgrenzen. Wir können, dürfen und müssen in Zukunft entscheiden, wer in dieses Land kommt, und wer eine Zukunftsperspektive hat. Die SPD und die Grünen müssen ihre Blockadehaltung in der Migrationspolitik aufheben. Ansonsten kann ein frühzeitiges Ende der Koalition nicht ausgeschlossen werden.“

Aeffner: Strukturreformen und entsprechende Haushaltsmittel für unsere Sicherheitsorgane

Stephanie Aeffner, Grünen-Bundestagsabgeordnete für Pforzheim und den Enzkreis reagiert mit folgendem Statement: „Die nächste Bundestagswahl findet bereits in einem Jahr statt. Bis dahin haben die Bürgerinnen und Bürger eine Regierung verdient, die ihre Arbeit macht.

Die Wahlergebnisse bestürzen mich als Demokratin. Sie waren aber abzusehen, auch die Verluste der Grünen. Wir sind in Deutschlands Osten keine starke Partei. Wir müssen um jede Stimme kämpfen – und das in einem zunehmend feindseligen Umfeld. So hat nicht zuletzt die Union der Demokratie einen Bärendienst erwiesen, z. B. als Ministerpräsident Kretschmer lauthals verkündete: 'Wir müssen die Grünen loswerden!' Nun muss die CDU fragwürdige Bündnisse eingehen, die sie selbst nicht will. Das ist kein Verhalten einer verantwortungsvollen, konstruktiven Partei.

Die Aufgabe für uns Grüne bleibt, die Menschen davon zu überzeugen, dass es Freiheit, Sicherheit und Wohlstand nur in einer Demokratie geben kann, die die Probleme unserer Zeit ernst nimmt und nachhaltige Lösungen entwickelt. Zum Beispiel muss die Antwort auf den islamistischen Anschlag in Solingen sein, dass die Terrorabwehr und der Kampf gegen den Islamismus gestärkt werden. Dafür braucht es Strukturreformen und entsprechende Haushaltsmittel für unsere Sicherheitsorgane. Was nicht hilft, sind populistische Forderungen und die pauschale Verdächtigung aller Geflüchteten.“

Mack: Regierung muss den Weg für Neuwahlen frei machen

„Das Wahlergebnis in Sachsen und Thüringen ist bitter, aber leider keine Überraschung“, sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete für den Kreis Calw und Freudenstadt, Klaus Mack, auf Nachfrage von PZ-news. Die CDU mache in Sachsen und in Thüringen gute und vernünftige Politik, so Mack weitere. Sie stehe für Stabilität, Zuversicht und Zukunftskompetenz. Deshalb sei es richtig und wichtig, wenn Michael Kretschmer und Mario Voigt Regierungsverantwortung übernehmen.

„So schmerzlich die Stärke der AfD ist, so besorgniserregend finde ich auch die Schwäche von SPD, Grünen und FDP. Das ist nicht gut für unser Land. Unsere Demokratie braucht den Wettbewerb in der politischen Mitte, gerade im Kampf gegen Extremisten. Doch die Unzufriedenheit mit der Ampelpolitik ist groß. Ein weiteres Jahr Streit und Stillstand wären fatal. Die Regierung muss den Weg für Neuwahlen frei machen.“

Wichtig für alle sei, sich inhaltlich mit den Themen auseinanderzusetzen, die die AfD bespielt. Die Christdemokraten würden weiterhin als bürgerliche Volkspartei für den Zusammenhalt in der Gesellschaft einstehen, so Mack.

Mast: Wahlergebnis ist eine klare Ansage an die Ampelregierung

Katja Mast, Bundestagsabgeordnete der SPD für Pforzheim und den Enzkreis, beurteilt den Ausgang der Wahlen aus Sicht ihrer Partei folgendermaßen: „Auch wenn wir als SPD in Sachsen und Thüringen traditionell keine guten Ergebnisse bekommen, muss uns dieser Wahlabend beschäftigen. Natürlich stellen wir in zwei der fünf östlichen Bundesländer die Ministerpräsidenten. Dennoch ist das Ergebnis eine klare Ansage auch an die Ampel. Die Regierungsbildung wird in beiden Ländern schwer.“

Was das konkret für die SPD heißen würde? „Wir müssen klar machen, wieso und wofür wir Politik machen: für die Menschen, die unser Land am Laufen halten jeden Tag - egal ob Facharbeiter oder Pflegekraft - und dafür sorgen, dass jedes Kind seinen Weg gehen kann, unabhängig von der Herkunft. Und gleichzeitig deutlich machen, dass wir beim Thema irreguläre Migration dafür sorgen, dass nur die Menschen zu uns kommen können und bleiben, die ein Recht auf Asyl haben. Gleichzeitig wollen wir ein weltoffenes Land bleiben, das attraktiv ist für qualifizierte Fachkräfte - auch aus dem Ausland. Eine Politik mit Haltung und ohne Ressentiments. Ein wichtiger Schritt ist zuhören und nicht nur Antworten zu liefern. Das haben mir auch meine Termine in Sachsen und Thüringen gezeigt. Es geht darum, Vertrauen zurückzugewinnen und Haltung zu zeigen. Eins ist auch deutlich: Wer um die Demokratie kämpft, der wird gewählt, auch das hat der Wahlkampf gezeigt. Denn es gab auch Umfragen, die die SPD in keinem der zwei Landtage sah und wir sind in beide gewählt worden.“

Zur Frage, ob es nun Neuwahlen geben müsse, sagt Mast: „Der Deutsche Bundestag ist für vier Jahre gewählt, die Bundesregierung auch. Wir haben bei all den Krisen viel mit der Regierung Olaf Scholz angepackt und auf den Weg gebracht. Wir haben die Öl- und Gaskrise überwunden und einen so starken Ausbau Erneuerbarer Energien wie nie zuvor vorangebracht. Aber auch bei der Fachkräftegewinnung oder der Stärkung von Familien unter anderem durch deutlich mehr Kindergeld hat sich eine Menge getan. Kleine Einkommen haben wir so stark entlastet wie nie zuvor, damit sich Arbeit lohnt. Besonders wichtig ist mir auch die die Förderung des Aufstiegs durch Bildung mit dem Startchancenprogramm, das an über 20 Schulen in der Region ankommt. Wir haben auch noch viel vor. Gerade uns als SPD geht es um die Stärkung der gesetzlichen Rente, bessere Löhne durch ein Tariftreuegesetz, die Umsetzung des Programms zur Stärkung der Wirtschaft und der klaren Steuerung und Lenkung von irregulärer Migration, damit dauerhaft weniger Menschen zu uns kommen. Die Zahl der Asylanträge sinkt und wir wollen, dass nur Menschen nach Deutschland kommen, die ein Recht auf Asyl haben. Dazu finden auch diese Woche Gespräche statt. All das muss noch im Bundestag verabschiedet werden - bevor wir Wahlkampf machen.“

Esken: Verweist auf Aufzeichnung der Pressekonferenz

Saskia Esken, SPD-Bundeschefin und Abgeordnete für den Kreis Calw, lässt die Fragen der PZ im Einzelnen unbeantwortet. Ihr Büro verweist lediglich auf die Aufzeichnung der Pressekonferenz, die die Parteichefin am Montag gegeben hatte, die bei der Videoplattform Youtube abrufbar ist.

Dieser Artikel wird laufend aktualisiert, sobald PZ-news weitere Antworten der lokalen Abgeordneten vorliegen.