
Erinnern Sie sich noch an den Sommer 2015? Als Tausende Menschen nach Europa und damit auch nach Deutschland kamen? Als Schicksale schnell zur „Flüchtlingskrise“ zusammengefasst wurden? „Wie hast du das damals erlebt?“, fragte mich jüngst eine Geflüchtete.
Ich erinnere mich an ehrenamtliches Engagement auf der einen Seite – und überforderte Kommunen auf der anderen, die kaum hinterherkamen, Sprachkurse zu schaffen oder Unterkünfte einzurichten. Über vieles davon haben wir berichtet. Die Syrerin sagt heute: „Wir waren die Nachrichten.“ Dazwischen der prägende Satz der Ex-Kanzlerin Angela Merkel: „Wir schaffen das“. Aber was eigentlich?
Geschafft haben wir es, jedem ein Dach über dem Kopf zu geben. Und zumindest in beachtlichem Maße die Integration in den Arbeitsmarkt: 64 Prozent der Geflüchteten haben zehn Jahre später einen Job. Für die Gesamtbevölkerung beträgt die Beschäftigungsquote 70 Prozent. Auch wenn die bürokratischen Mühlen nach wie vor zu langsam mahlen, ist das ein Erfolg. Zugleich werden Betroffene zu häufig auf ihre Arbeitskraft reduziert. Dabei dürften viele Alteingesessene kaum wahrnehmen, wie oft sie mit Geflüchteten in Kontakt sind. Ohne großes Aufsehen bedienen sie uns beim Bäcker, operieren uns oder fahren uns nach Hause. Im Fokus hingegen stehen jene, die auffällig sind, die straffällig werden – auch in den Medien.
{element}
Doch seien Sie ehrlich: Hat sich der Zustrom negativ auf Ihr Leben ausgewirkt? Eine Frage, die laut einer Forsa-Umfrage 40 Prozent für ihr privates Umfeld und 54 Prozent für ihre Gemeinde bejahen. Auch wenn gleichzeitig fast die Hälfte der Befragten hinter dem damaligen Entschluss steht.
Da sind wir bei dem, was wir nicht geschafft haben: zu verhindern, dass die Gesellschaft auseinanderdriftet. Die anfängliche Willkommenskultur wurde von Misstrauen abgelöst. Zu groß war die Angst vor einer Asylunterkunft vor der Haustüre oder davor, im Bewerbungsverfahren den Kürzeren zu ziehen. Ängste, die Anschläge noch befeuerten und auf dem ganzen Kontinent rechten Parteien wie der AfD den Aufstieg ermöglichten. Ein weltoffenes Europa gibt es nicht mehr. Auch die CDU hat Merkels Weg verlassen und weist an den Grenzen zurück. „Asylwende“ heißt das dann so blumig.
{element}
Was bleibt? Dass Integration keine Einbahnstraße ist. Merkels Aussage zeugte einst von großer Menschlichkeit. Vielleicht sollten wir uns in einer globalen Welt daran erinnern: Wir sind alle Menschen. Und uns die Frage stellen, was wir in Zukunft schaffen wollen. Die Herausforderungen bleiben mit den Kriegen und Krisen auf der Welt. Und die könnten auch uns treffen. Wir wissen das.