Oberlandesgericht
Großes Medieninteresse: «Eines der größten Staatsschutzverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik».
Bernd Weißbrod/dpa
Politik
Prozess gegen mutmaßliche "Reichsbürger": René R. aus Ersingen nicht angeklagt

Der Staat gegen seine Feinde: In Stuttgart beginnt das erste Verfahren gegen die mutmaßlichen Verschwörer rund um Prinz Reuß. Es ist einer der größten Terror-Prozesse in der Geschichte der Republik. Der in Ersingen ursprünglich festgenommene und dann aus der U-Haft entlassene René R. ist nicht unter den Angeklagten.

Es geht um Terrorismus, Hochverrat und um juristisch einzigartige Verfahren: Neun mutmaßliche «Reichsbürger» der Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß müssen sich ab heute vor dem Oberlandesgericht Stuttgart verantworten. Ihnen wird die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen und die sogenannte «Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens».

Einer der Angeklagten steht zudem wegen versuchten Mordes vor Gericht - es handelt sich um den Mann, der im März 2023 bei der Durchsuchung seiner Wohnung in Reutlingen mehrfach mit einem Gewehr auf Polizisten eines Spezialeinsatz­kommandos geschossen und dabei Beamte verletzt haben soll. Es ist der erste von drei Mammutprozessen gegen die Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß, die nach einer großangelegten Anti-Terror-Razzia in mehreren Bundesländern und im Ausland kurz nach dem Nikolaustag 2022 bekannt geworden war.

Verdächtiger aus dem Enzkreis

Dem Tenor René R. wurde neben Marco v. H. aus Pfinztal, dem ehemaligen Soldaten Rüdiger v. P. aus Calw und 22 weiteren Personen am 7. Dezember 2022 im Rahmen der großen Reichsbürger-Razzia verhaftet. Ihnen wird vorgeworfen, eine terroristische Vereinigung gegründet zu haben, die Umsturzpläne in Deutschland verfolgt haben soll. Alle Verdächtigen außer René R. sitzen weiterhin in Untersuchungshaft, so Michael Ramöller, Sprecher der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe im März 2023 auf PZ-Nachfrage. Wie er weiter ausführt, wurde der Haftbefehl gegen René R. Ende März 2023 lediglich außer Vollzug gesetzt und nicht etwa aufgehoben. Denn der dringende Tatverdacht gegen ihn bestehe weiter, betont er damals. 

Gewaltsamer Umsturz der Bundesregierung geplant

Die insgesamt 27 Verdächtigen sollen einen gewaltsamen Umsturz der Bundesregierung geplant haben - dabei nahmen sie der Anklage zufolge bewusst Tote in Kauf. Als Oberhaupt einer neuen Staatsform hätte Reuß fungieren sollen. Die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Berliner Richterin Birgit Malsack-Winkemann hätte für das Ressort Justiz zuständig sein sollen. Auch Ex-Soldaten gehören zu den Beschuldigten.

In Stuttgart soll es um den sogenannten militärischen Arm der Gruppe gehen, der die Machtübernahme mit Waffengewalt hätte durchsetzen sollen. Dazu ist laut Anklage schon mit dem Aufbau eines deutschlandweiten Systems von mehr als 280 militärisch organisierten Heimatschutzkompanien begonnen worden. Die «Heimatschutzkompanie Nr. 221» soll für den Bereich der Gebiete Freudenstadt und Tübingen zuständig gewesen sein.

Die in Stuttgart Angeklagten, alle laut Oberlandesgericht zwischen 42 und 60 Jahre alt, sollen sich zwischen Anfang 2022 und Spätsommer 2022 der Vereinigung angeschlossen und sich in verschiedenen Funktionen für diesen «militärischen Arm» betätigt haben. Sie sitzen derzeit alle in Untersuchungshaft.

Eines der größten Staatsschutzverfahren der Geschichte

Der Präsident des Oberlandesgerichts, Andreas Singer, sprach im Vorfeld von einem der größten Staatsschutzverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik: Fünf Richter, zwei Ergänzungsrichter und 22 Verteidiger würden allein am Stuttgarter Prozess teilnehmen. Die Ermittlungsakten umfassen demnach 700 Leitz-Ordner. Das OLG hat für das Staatsschutzverfahren im streng gesicherten Prozessgebäude in Stammheim Termine bis Januar 2025 angesetzt.

In Frankfurt sind dann ab 21. Mai die mutmaßlichen Rädelsführer angeklagt, in München stehen ab 18. Juni die übrigen mutmaßlichen Mitglieder vor Gericht. Die Aufsplittung des Falls in mehrere Verfahren - schlicht notwendig aufgrund der großen Anzahl an Angeklagten - stellt die Prozessbeteiligten vor große Herausforderungen.

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