
Pforzheim/Berlin. Gerade erst wurde Friedrich Merz bei der Generaldebatte des Bundestags im Rahmen der Haushaltsberatungen von der Oppossition heftig angegriffen. Wortbruch wurde ihm vorgeworfen, Schuldenmacherei. Aber ist der neue Kanzler tatsächlich nach so kurzer Zeit schon drauf und dran, seine Wahlkampfversprechen über Bord zu werfen? Oder macht er doch angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Umstände doch einen ganz soliden Job? Darüber gehen die Meinungen bei den PZ-Redakteueren Lothar Neff und Sven Bernhagen auseinander. Ein Pro & Kontra zum Thema: Hat Merz bislang enttäuscht?
„Die Entscheidung zur Stromsteuer war ein klarer Vertrauensbruch.“
Pro: Merz hat zum Start enttäuscht, sagt PZ-Redakteur Lothar Neff
Der mit vielen Vorschusslorbeeren gestartete neue Bundeskanzler hat schon reichlich Kredit verspielt. Dass ausgerechnet Sparfuchs Friedrich Merz zum Schuldenkanzler mutiert, hatte kaum einer erwartet. Dass gerade die Grünen Merz jetzt im Bundestag an die Schuldenbremse erinnern mussten, macht deutlich, was schon nach den Koalitionsverhandlungen mit der SPD absehbar war: Der schwarze Kanzler präsentiert sich im politischen Alltag ziemlich rot eingefärbt. Vollmundige Wahlversprechen spielen da keine große Rolle mehr – es geht um die Macht. Die Entscheidung zur Stromsteuer. war ein klarer Vertrauensbruch. Statt alle Bürger und Firmen zu entlasten, wurden zusätzliche Ausgaben für die Mütterrente beschlossen, um CSU-Chef Markus Söder bei Laune zu halten. Nach Umfragen bekäme die schwarz-rote Bundesregierung aktuell keine Mehrheit mehr. Aufbruchstimmung sieht anders aus: Nach dem Stolperstart ins Amt bemüht sich Kanzler Merz um staatsmännisches Auftreten und politische Durchsetzungskraft – da gibt es noch reichlich Luft nach oben.
„Merz bietet Abgrenzung nach rechts und die Chance zur Stimmungsaufhellung.“
Kontra: Die breite Mitte kann mit dem bisherigen Kurs des neuen Kanzlers zufrieden sein, sagt PZ-Redakteur Sven Bernhagen
Klar, wer nach Merz‘ Gepoltere im Wahlkampf ein ultrakonservatives Hardliner-Durchgreifen erwartet hatte, wird enttäuscht sein. Für die breite Masse der Mitte – die trotz der aggressiv-lauten Ränder rechts und links noch immer stark ist – ist die Politik des neuen Kanzlers dagegen bisher ganz gut verdaulich.
Dass Merz sich in der Generaldebatte im Bundestag so klar und deutlich von der AfD distanziert und sich gegen die persönlichen Angriffe gewehrt hat, war nach seinem Harakiri-Asyl-Abstimmungsmanöver mit AfD-Duldung in der Ampel-Endphase nicht unbedingt zu erwarten.
Was auch klar ist: Der Schuldenberg, den Schwarz-Rot anhäuft, ist prinzipiell nicht gutzuheißen. Den aber nur Merz anzulasten, wäre vermessen. Und vielleicht braucht es den Investitionsschub gerade einfach, um den Bürgern in Deutschland einen positiven Impuls zu geben und das Land den entscheidenden Schritt voranzubringen. Denn so wie unter der Ampel konnte es nicht weitergehen, zumal mit der Stimmung auch die Demokratie auf gefährlicher Talfahrt war.