Firmenzentrale der Großschlachterei an der Birkenfelder Industriestraße: Dort darf mehr Lärm erzeugt werden als in einem Wohngebiet. Archivfoto: Moritz
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Betriebsleiter meldet sich zu Wort: Über 90 Mitarbeiter von Müller-Fleisch mit Corona infiziert - alle 800 Beschäftigten werden untersucht

Enzkreis/Pforzheim. Am Donnerstag machte eine Meldung kommunalpolitisch rasant die Runde, dass über 90 Mitarbeiter einer großen lebensmittelverarbeitenden Firma im Enzkreis infiziert seien. Einem Betrieb mit viel Liefertätigkeit – und natürlich der Arbeit an Produkten des täglichen Verzehrs, hieß es in der Meldung. Am Freitagmittag meldete sich schließlich die betroffene Firma gegenüber der "Pforzheimer Zeitung" zu Wort. Es handelt sich um den Frischfleischproduzenten Müller-Fleisch.

Am Abend zuvor informierte Landrat Bastian Rosenau darüber, dass das Gesundheitsamt die gesamte Firma, deren Namen zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt war, unter Quarantäne gestellt habe. Wegen der Bedeutung für die Lebensmittel-Herstellung dürfe der Betrieb unter Auflagen weiterarbeiten. Die betroffenen Mitarbeiter müssen sich für zwei Wochen in häusliche Quarantäne begeben. Zumal laut Rosenau keine Gefahr für den Verbraucher bestehe. Bislang sei kein einziger Fall bekannt, bei dem das Virus über Lebensmittel übertragen wurde. Hinzu kommt, dass die Produkte normalerweise vor dem Verzehr gekocht, gebraten oder gegrillt werden.

800 Beschäftigte werden untersucht

„Wir haben am Donnerstag durch das Landratsamt Kenntnis von den Fällen bekommen“, erklärte Müller-Fleisch-Betriebsleiter Lothar Kusche am Freitagnachmittag gegenüber der PZ. Rund 250 Beschäftigte, die im Enzkreis, in Pforzheim und teils auch im Kreis Calw wohnen, seien durch das Gesundheitsamt des Enzkreises getestet worden, nachdem bei einem Mitarbeiter, der sich krankgemeldet hatte, eine Corona-Infektion nachgewiesen worden war.

Bei mehr als 90 Getesteten sei das Ergebnis dann ebenfalls positiv gewesen, hatte das Landratsamt mitgeteilt. Nun würden alle 800 Beschäftigten auf dem Firmengelände vom Gesundheitsamt untersucht. „Die Tests laufen. Aber bevor wir die Ergebnisse haben, können wir nichts weiteres dazu sagen“, so Kusche zu möglichen Folgen, sollte es noch mehr Corona-Nachweise geben.

Fast keiner zeigt Symptome

Unter den über 90 Coronapositiven zeige fast keiner Symptome, so Dr. Brigitte Joggerst, die Leiterin des Gesundheitsamts. Um Sicherheit zu bekommen, setze das Landratsamt auf eine Reihentestung aller Beschäftigten auf dem Firmengelände. Nach Einschätzung der Kreisverwaltung hat der Betrieb die Situation unter Kontrolle. Landrat Rosenau lobt die Kooperationsbereitschaft der Geschäftsführung mit den Gesundheitsbehörden.

Was aber bedeutet Quarantäne, wenn die Produktion weitergeht? Dr. Joggerst erläutert, Beschäftigte dürften „zur Arbeit kommen, aber ansonsten die eigenen vier Wände nicht verlassen“. So lange, bis klar sei, wer tatsächlich infiziert sei und wer nicht. Vermutlich müsse die Testung in ein bis zwei Wochen wiederholt werden.

Der Kreis geht davon aus, dass das Virus durch private Kontakte eingetragen worden sei. Müller-Fleisch selbst habe bereits vor Wochen präventive Maßnahmen getroffen. So gebe es praktisch keinen persönlichen Kontakt mehr zwischen Mitarbeitern und Kunden, Fahrern oder Anlieferern. Wo nötig, trügen die Mitarbeiter Schutzanzüge. Einen Direktverkauf werde der Betrieb vorsichtshalber vorläufig schließen. „Wir hoffen, dass die Maßnahmen schnell greifen und die Nach-Testungen keine weiteren Überraschungen bringen“, so Landrat Rosenau.