Das Bündnis aus Volkshochschulen, Kirchen, Landratsamt, der jüdischen Gemeinde und des Vereins Zedakah will zusammengegen Hass und Vorurteile vorgehen. Foto: Biermayer
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Bündnis im Kreis Calw kämpft vereint gegen Antisemitismus
  • Felix Biermayer

Bad Liebenzell-Maisenbach. Verschiedene Partner wollen sich im Kreis Calw gegen Antisemitismus engagieren. Bei einem Treffen am Dienstagabend in den Räumen des Vereins Zedakah in Maisenbach kamen Vertreter des Landratsamtes, der jüdischen Gemeinde, der Kirchen und der Volkshochschulen zusammen um erste Ideen für gemeinsame Projekte zu sammeln. Der Verein Zedakah setzt sich für die Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen ein.

Man habe 2019 nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle gemerkt, dass man dem Antisemitismus entschiedener entgegentreten müsse, erklärte der Erste Landesbeamte des Kreis Calw Frank Wiehe. Wenn man alle antisemitischen Übergriffe die bei Wikipedia gelistet sind, ausdrucke, habe man 24 DinA4-Seiten, veranschaulichte er die Größe des Problems. Auch hätten verschiedene Umfragen ergeben, dass es weit verbreitete antisemitische Vorurteile in der deutschen Gesellschaft gebe. Deshalb solle von der Veranstaltung ein Impuls dafür ausgehen, wie man es besser machen könne.

Dr. Fredy Kahn, Arzt und Mensch wie er sich selbst beschreibt, und zudem Jude aus Nagold brachte die Betroffenenperspektive ein. Seine Vorfahren lebten seit dem 17. Jahrhundert im Nordschwarzwald. Seine Eltern hätten den Nazi-Terror überlebt, erzählte er. Trotzdem habe er sich immer heimisch und zugehörig gefühlt. In den letzten Jahren habe sich das aber gewandelt. Es gebe vermehrt antisemitische Anfeindungen.

Viele Juden zögen sich deshalb aus der Öffentlichkeit zurück, so Kahn. Zum Selbstschutz wollten sie lieber nicht weiter auffallen. So hätten sich auch seine Eltern verhalten und das habe ihn geprägt. In den 80er-Jahren seien aber in seiner Heimat Rechtsextreme aktiv geworden. Deshalb habe er die Notwendigkeit gespürt, offen als Jude aufzutreten. Er trifft sich seither mit Schulklassen oder hält Vorträge, um über die Gefahr aufzuklären.

Auch Rami Suliman, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Pforzheim und Baden, erzählte von Anfeindungen. Für jugendliche Juden seien Angriffe schwierig. Ältere Juden hätten sich oft schon an den Antisemitismus gewöhnt. Wenn er Judensterne bei Querdenkern sehe, rege er sich nicht mal mehr auf. Und das, obwohl das klar antisemitisch sei.

Der Beauftragte des Landes gegen Antisemitismus Michael Blume informierte anschließend über die Entwicklung des Judenhasses. Im Unterschied zu Rassismus oder Sexismus würden beim Antisemitismus Juden nicht vorrangig abgewertet, sondern als Gefahr herausgestellt. Und sobald eine andere Gefahr wie Krieg oder eine Pandemie auftrete, würde diese mit Juden in Verbindung gebracht. So entstünden antisemitsche Verschwörungstheorien. Das funktioniere sogar, wenn eine Person selbst gar keine Juden kenne.

Und immer wenn neue Medien auftreten, wie der Buchdruck, das Fernsehen oder das Internet, gebe es einen Schub. Das liege daran, dass solche Entwicklung bestehende Verhältnisse aufbrächen und für Unsicherheit und empfunden Gefahren sorgten. Der Hass bleibe aber derselbe.

Antisemitismus gebe es von links, von rechts oder religiös motiviert – und durch alle Schichten. Aber eigentlich sei es immer der selbe Hass, vor allem auch Hass auf Bildung. Hauptsächlich autoritäre Persönlichkeiten fühlten sich davon angezogen, so Blume. Deshalb sei es wichtig Kinder mit Liebe zu erziehen.

Und hier könne man ansetzen. Vor allem Jugendliche könne man vor solchen Einstellungen noch bewahren, meinte der Landesbeauftragte. Dafür bedürfe es aber Aufklärungsarbeit. Deshalb waren sich die Teilnehmer einig, dass man hier ansetzen und mit Schulen zusammen arbeiten wolle. „Es geht hier nicht darum, Kindern ein schlechtes Gewissen zu machen“, stellte Blume klar. Es gehe darum, Vertrauen in Vielfalt zu vermitteln und damit letztendlich ein demokratisches Zusammenleben zu gewährleisten. Der Kampf gegen Antisemitismus helfe also allen.