Nachbar Günter Frölich und Freundin Karin Kruppa-Vollmer (von links) diskutieren mit dem Gerichtsvollzieher. Fotos: Moritz
Mila wird ins Auto gebracht.
Moritz
Region
Hündin zwischen den Fronten: Eisingerin muss Haustier Mila nach mehr als zwei Jahren zurückgeben

Eisingen. Donnerstag, früher Nachmittag. Eine ruhige Wohngegend in Eisingen. Über 20 Menschen haben sich vor dem Haus von Elke Nothacker-Kübler versammelt. Einige haben ihre Hunde dabei. Der Gerichtsvollzieher hat sich angekündigt. Er soll Hund Mila der ursprünglichen Besitzerin zurückgeben. Das hat das Amtsgericht Pforzheim entschieden.

„Wir wollen zeigen, dass wir das Urteil nicht gutheißen“, betont Karin Kruppa-Vollmer. Ihre Freundin Elke sehe sich nicht in der Lage, bei der Wegnahme des Hundes dabeizusein. Die Besitzerin selbst sagt auf der Straße nichts. Ihre Anwältin Natascha Roeder vom Pforzheimer Büro Ladenburger sagt tags darauf, dass die Geschichte zwei Seiten habe, bekräftigt aber, dass man sich zu der Angelegenheit nicht äußere.

Familie nimmt Mila am 1. November 2017 bei sich auf

Was war passiert? Die PZ hat vor dem Termin mit Elke Nothacker-Kübler gesprochen. Sie schildert mehr als zwei Jahre gemeinsame Zeit mit der Hündin, die ihr eng ans Herz gewachsen sei. Dabei wollte sie sie anfangs eigentlich gar nicht haben, erinnert sie sich. Die Geschichte nimmt ihren Anfang im September 2017. Nothacker-Kübler trifft auf eine ältere Dame aus ihrer Straße. Sie habe ihr erzählt, ihre Tochter habe ihren sechs Monate alten Hund an sie abgegeben. Mila ist ein Vizslador, ein Mix aus Vizsla und Labrador – ein lauffreudiger Hund. Um die Seniorin zu unterstützen, nimmt Nothacker-Kübler Mila mit auf die Gassi-Runden mit ihrem eigenen Hund. „Sie hat mich öfter bedrängt, ich soll den Hund doch nehmen“, erzählt die Eisingerin. Eigentlich sei ihr das zu viel gewesen, sie habe abgelehnt. Erst als die Seniorin angekündigt hatte, ihn ansonsten ins Tierheim zu bringen, habe der Familienrat getagt und beschlossen: Sie nehmen Mila am 1. November 2017 bei sich auf – samt Impfpass und einem Dankesschreiben der Nachbarin.

„Zwei Monate später stand eine wildfremde Frau vor der Tür und sagte, es sei ihr Hund“, erinnert sich Nothacker-Kübler. „Ich sagte: meiner Auffassung nach gehört er jetzt mir.“ Später habe sich herausgestellt: Die Frau auf der Schwelle sei die Tochter der älteren Frau aus der Nachbarschaft gewesen. Nothacker-Kübler spricht von einer schriftlichen Geldforderung für das Tier. Im Oktober 2018 sei schließlich ein anwaltliches Schreiben bei der Familie eingegangen. Man fordere den Hund zurück – Streitwert: 2000 Euro.

Im August 2019 kommt es zur Güteverhandlung

Auf Aufforderung habe die Frau einen Kaufvertrag vorgelegt.Darin sei ein Kaufpreis von 400 Euro festgehalten. Diesen Preis zu bezahlen, erklärt sich die Familie bereit. Mila ist ihnen ans Herz gewachsen und braucht Unterstützung. Denn die Hündin sei schwer hüftkrank, brauche medizinische Betreuung sowie Physio- und Bewegungstherapie. Nothacker-Kübler hat bereits viel Geld investiert. Im August 2019 kommt es schließlich zu einer Güteverhandlung.

Es habe keine Einigung gegeben – und so habe der Richter entschieden: Nothacker-Kübler muss Mila zurückgeben. Für sie bricht eine Welt zusammen. Sich gegen das Urteil wehren, könne sie nicht, da es sich um einen Wert unter 600 Euro handle, sagt sie. Schriftlich habe sie über ihren Anwalt danach 1000 Euro für die Hündin geboten – ohne Erfolg. Nothacker-Kübler macht sich Sorgen um das Wohl von Mila, um ihre Unterbringung und ihre aufwändige Versorgung.

Sie habe alle Hebel in Bewegung gesetzt, beispielsweise das Veterinäramt eingeschaltet, berichtet Nothacker-Kübler unter Tränen. „Ich finde keinen logischen Grund, wieso man mit aller Gewalt nach über zwei Jahren einen Hund zurückhaben will“, sagt sie verzweifelt. Oliver Jäger vom Veterinäramt des Enzkreises bestätigt, dass eine Meldung seitens Nothacker-Kübler eingegangen sei. Man habe probiert, die Tierhaltung der Gegenseite zu überprüfen, es sei noch nicht gelungen. Man bleibe dran, versichert Jäger. Aus der Vergangenheit seien dort aber keine Probleme bekannt.

Unter Buhrufen der Versammelten fährt das Auto mit Mila davon

In der Eisinger Wohnstraße fährt schließlich vor den Augen der Anwohner ein Auto vor. Drei Frauen steigen aus. Auch der Gerichtsvollzieher ist da. Karin Kruppa-Vollmer versucht, die älteste Frau davon zu überzeugen, Mila dazulassen. Diese begrüßt die Hündin mit einem Kosenamen.

Mila wird ins Auto gebracht.
Moritz

„Heuchelei“, schallt es ihr von den Nachbarn entgegen. Sie lässt sich nicht auf ein Gespräch ein. Die PZ fragt nach einer Stellungnahme. Die Frau dreht sich nicht um, strebt zum Auto zurück. 2500 Euro in bar bietet Karin Kruppa-Vollmer der Besitzerin des Hundes an, um den Vierbeiner doch noch behalten zu dürfen. Keine Antwort. Sie fühle sich bedroht, lässt die Frau wissen. Die Türen des Autos schließen sich, hupend und unter den Buhrufen der Versammelten fährt es los – und Mila ist weg.