
- Julian Zachmann
Remchingen. Schönwettergemälde sucht man vergebens in der Misereor-Karikaturenausstellung „Glänzende Aussichten – Klima, Konsum und andere Katastrophen“, die zurzeit im Remchinger Rathaus gezeigt wird und den Betrachter beim Überdenken seines eigenen Lebensstils ganz schön aufrüttelt. Doch was sind solche Sticheleien gegen Berichte von Menschen, die hautnah mit erschreckenden Herausforderungen, unbequemen Wahrheiten und Missständen unserer Zeit zu tun haben?
Bürgermeister Luca Wilhelm Prayon hatte Montagabend Architekt Olaf Oehmichen zu Gast im Remchinger Ratssaal. „Das wird kein Wohlfühlabend, sondern ein sehr schwieriges Thema“, kündigte Prayon den Mittfünfziger aus Asperg an, der den Rathausneubau geleitet hatte: Oehmichen ist engagiert als ehrenamtlicher Seenotretter auf dem zentralen Mittelmeer und hat nach eigenen Angaben auf umgebauten DDR-Kuttern der Hilfsorganisationen „Sea Eye“ und „Mission Lifeline“ auf der tödlichen Fluchtroute von der lybischen Küste nach Italien bereits 1430 Menschen gerettet.
Fahrt in den Tod
Dramatische Szenen ereignen sich kaum eine Stunde entfernt von beliebten Badeorten auf Videos und Fotos, die der langjährige Segler bei einem seiner Einsätze aufgenommen hat: Gut 750 Menschen, eng an eng und übereinander auf einem maroden Holzboot – ausgehungert und verletzt durch Folter und eine tausende Kilometer lange Flucht durch die Wüste, Seekrank, unterkühlt und inmitten ihrer eigenen Exkremente. „Solche Holzboote haben gerade noch eine Chance, nach der Fahrt ins Ungewisse Italien zu erreichen“, erklärt Oehmichen. „Die Schlauchboote, die die Flüchtlinge teuer angeboten bekommen, sind aber nicht dafür gemacht, jemals anzukommen – ebenso wenig wie Schwimmwesten, die sich mit Wasser füllen und untergehen.“

Ein sinkendes Schlauchboot gehe nie ohne Tote ab, denn obwohl die Retter immer wieder rufen „One by one!“ (Einer nach dem Anderen), springen Geflüchtete aus Panik, es nicht rechtzeitig zu schaffen, im heillosen Chaos ins offene Meer. In Sekundenschnelle müsse er entscheiden, wer zuerst gerettet wird – und für wen es mitunter nicht mehr reicht. In Tunesien hätten Fischer aufgegeben, weil sie den Beifang nicht mehr ertragen konnten: Leichen und zerstückelte Körperteile.
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