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Enzkreis/Pforzheim. Nachdem beim Start des gemeinsamen Mentoring-Programms "Politik braucht Frauen", das gemeinsam von der Stadt Pforzheim und dem Enzkreis getragen wird, am vergangenen Samstag seitens Moderatorin Dagmar Wirtz der Satz gefallen ist, Menschen würden eher dazu neigen, "das Arschloch zu wählen, das sie kennen, als eine unbekannte Person", fordern die Vorsitzenden der CDU- und FDP-Kreistagsfraktionen im Enzkreis, Günter Bächle und Erik Schweickert, eine offizielle Entschuldigung und Distanzierung von diesen Aussagen seitens Landrat Bastian Rosenau. Das schreiben beide in einer gemeinsamen Pressemitteilung.
Man habe zunächst kaum glauben können, dass eine solche Aussage gefallen sei. Allerdings sei dies zwischenzeitlich aus Kreisen der Teilnehmerinnen bestätigt worden.
"Gewählte Kreis- und Gemeinderäte indirekt als 'Arschloch' zu bezeichnen, ist eine Entgleisung sondergleichen, die im Landratsamt allerdings auch Tage später niemanden zu stören scheint",
so Bächle und Schweickert:
"Wir allerdings fordern eine klare Distanzierung und Entschuldigung der Hausspitze in Person des Landrats von derartigen Aussagen. Andernfalls werden wir uns darüber Gedanken machen müssen, inwieweit die vom Kreistag bereitgestellten Mittel für solche Veranstaltungen richtig aufgehoben sind."
Die Empörung nicht nur unter den Kreisräten, sondern auch innerhalb ihrer jeweiligen Gemeinderatsfraktionen in Mühlacker und Niefern-Öschelbronn sei groß, berichten der Christdemokrat und der Liberale weiter. "Wir sind uns alle einig, dass der Frauenanteil in der Politik gesteigert werden muss. Das erreiche ich allerdings nicht, indem ich aktuelle Ratsmitglieder beleidige", so Bächle.
Bächle fordert: Zusammenarbeit mit Moderatorin beenden
Kommunalwahlen fänden nach klaren demokratischen Spielregeln statt und er könne jede Frau nur dazu ermutigen, bei der nächsten Kommunalwahl anzutreten. Dass es dann letztlich auch auf Bekanntheit ankomme, sei kein Geheimnis. Solche Aussagen träfen deshalb nicht nur männliche Vertreter, sondern auch die bereits erfolgreichen Kreis- und Gemeinderätinnen und hätten nichts mit dem eigentlichen Ziel zu tun.
"Wir fordern deshalb auch eine Beendigung der Zusammenarbeit mit Frau Wirtz",
erklärt Bächle weiter.
Zustimmung erhält er dabei von Schweickert, der allerdings auch die ausbleibende Reaktion des Landratsamts für ein Armutszeugnis hält, wie es in der Pressemitteilung heißt. "Weder im Rahmen der Veranstaltung noch nach mehreren Tagen äußert sich ein Vertreter des Landratsamts zu diesen Aussagen und dem Pressebericht. Dabei sollte klar sein, dass hier Grenzen überschritten wurden und ausgerechnet diejenigen angegangen wurden, die das Mentoring-Programm überhaupt ermöglicht haben", so Schweickert. Der Landrat solle deshalb seinen "in der jüngeren Vergangenheit enorm gewachsenen Kommunikationsstab" anweisen, derartigen Aussagen auf allen Kanälen zu widersprechen, statt stillschweigend zuzusehen. "Aus meiner Sicht ist das nur ein weiteres Beispiel dafür, dass es im Landratsamt an klarer Führung mangelt und falsche Prioritäten gesetzt werden", äußert der Liberale Kritik.

Offenbar hat es einen persönlichen Kontakt zum Landrat gegeben. Öffentlich beziehen andere Stellung. Der Enzkreis reagiert am Mittwochnachmittag ebenfalls mit einer Pressemitteilung auf den Vorfall.
"Die zitierte Wortwahl geht so natürlich nicht",
sagt Kinga Golomb, die Gleichstellungsbeauftragte des Enzkreises, und ergänzt:
"Wird auch nicht wieder vorkommen."
Golomb selbst habe das inkriminierte Wort gar nicht gehört – "sonst hätte ich direkt Einspruch eingelegt!" Die Moderatorin habe niemanden beleidigen, sondern die Teilnehmerinnen aufrütteln wollen, sagt die Gleichstellungsbeauftragte: "Sie wollte darauf hinweisen, dass Bekanntheit das wichtigste Argument für die Wählerinnen und Wähler ist, ihre Stimme abzugeben."


Mentoring-Programm soll mehr Frauen für Kommunalwahl 2024 begeistern
Birgit Förster, Bürgermeisterin in Niefern-Öschelbronn und bereits zum zweiten Mal Mentorin in diesem Programm, betont in der Mitteilung, dass die Wortwahl im Kontext "Bekanntheit" sicher nicht optimal gewesen sei und in der anschließenden Berichterstattung definitiv einen falschen Fokus auf Mandatsträgerinnen und Mandatsträger werfe. Die Tatsache, wie wichtig der Bekanntheitsgrad bei der Wahl in ein Amt ist, sei jedoch wissenschaftlich belegbar und die Moderatorin habe dies bei ihren Ausführungen sicher nur entsprechend hervorheben wollen, um den Mentees diesen Aspekt ihres Wirkens entsprechend deutlich zu machen.
Programm soll Frauen zur Kandidatur ermutigen
Das Programm "Politik braucht Frauen" der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Pforzheim und des Enzkreises richtet sich an Frauen, die erwägen, nächstes Jahr für den Kreistag, den Gemeinderat in Pforzheim oder den Gemeinderat in einer der Enzkreis-Kommunen zu kandidieren. "Wir wollen diese Frauen ermutigen und ihnen etwas Rüstzeug an die Hand geben", sagt Golomb, "aber wir wollen niemanden schlecht machen."