Mühlacker. Kürzlich hat die „Pforzheimer Zeitung“ darüber berichtet, dass das mit der Bauplanung der Mühlacker Herrenwaagbrücke beauftragte Ingenieurbüro Dähn aus Gera Vorwürfe erhoben hat, nach denen beim Neubau gegen Normen gemäß der Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten (ZTV-ING) verstoßen worden sei. Die PZ-Berichterstattung war auch Anlass dafür, dass sich der FDP-Landtagsabgeordnete Erik Schweickert aus Niefern einschaltete und von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) Auskunft über die mutmaßlichen Baumängel verlangt. Das für den Brückenneubau zuständige Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe hat nun in einer Pressemitteilung die Vorwürfe zurückgewiesen.
Die Arbeiten an der Enzbrücke – mit dem RP als Auftraggeber – liefen von März 2021 bis zur Freigabe des Übergangs im Mai 2023. Aber bereits wenige Monate danach – im Oktober 2023 – hatten sich Risse in den Brücken-“Kämpfern“, am Übergang der Stahlträgerbogen in den Beton bei den Widerlagern gebildet, teils 0,3 Millimeter breit. Wobei die zulässige Norm unter 0,2 Millimetern liegt. Ebenso waren Risse im Material der kombinierten Geh- und Radwege („Kappen“-Beton) entstanden. Die Risse in den Brücken-„Kämpfern“ hat das RP bereits mit Injektionsharz verpressen lassen. Weil laut RP die Risse in den „Kappen“ aber als „unbedenklich“ einzustufen seien, weil keine tragenden Bauteile betroffen sind, ist hier bislang nur teilweise nachgearbeitet worden (PZ berichtete).
Zu der vom Ingenieur-Büro Dähn geäußerten Kritik hält das Regierungspräsidium Karlsruhe schriftlich fest, dass das Vorgehen beim Bau der Herrenwaagbrücke gängige Praxis sei und keine negativen Auswirkungen auf die Lebensdauer der Brücke habe. Es sei nicht korrekt, dass durch die Vorgehensweise beim Neubau „Schäden entstanden wären.“ Aufgrund der „extremen geometrischen Gegebenheiten“ sei mit Blick auf die Herrenwaagbrücke eine Entwurfsplanung für eine besondere Bauweise erstellt worden. Die Wahl für eine Quervorspannung der Brücke sei abweichend von den Regelungen der ZTV-ING ganz bewusst gewählt worden, um das Trageverhalten der Brücke zu optimieren. Im Rahmen eines sogenannten „Statikergesprächs“ mit der ausführenden Baufirma aus Gaggenau, dem Ingenieurbüro Dähn als Ausführungsplaner und dem Prüfingenieur des Auftraggebers sei diese spezielle Vorgehensweise kommuniziert worden.
Wie gefährlich sind die Risse im Stahlbeton der Herrenwaagbrücke?
„Die Ausführung mit Verbund war technisch notwendig und wurde mit dem bestehenden Normenwerk rechnerisch hinsichtlich der Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit nachgewiesen“, heißt es wörtlich in der Stellungnahme von RP-Pressesprecherin Irene Feilhauer. Im Übrigen sei die Planung so auch vom Verkehrsministerium Baden-Württemberg genehmigt worden. Die Bauweise der Brücke stehe nicht im Zusammenhang mit den Rissen in den „Kämpfern“ und „Kappen“.
Bei den „Kappen“ der Herrenwaagbrücke sei bisher ein Riss verpresst worden, zumal die obere Bewehrungslage mit nichtrostendem Edelstahl ausgeführt worden sei. „Die Dauerhaftigkeit im Sinne von Beständigkeit und Substanzverlust ist damit erhöht“, teilt das RP mit. Selbst bei tieferen Rissen in diesen Bauteilen bleibe die Funktion erhalten, da keine oder nur sehr verzögerte Korrosion auftreten würde. Bei den Brücken-Kämpfern aus Stahlbeton seien aufgrund komplexer Kraftumlagerung und Spannungszuständen zwar Risse entstanden. Durch eine Verpressung mit Injektionsharz sei dies aber behoben worden, so dass auch hier weder die Standsicherheit noch die Dauerhaftigkeit des Materials beeinträchtigt sei. Zudem werde regelmäßig geprüft.
Herrenwaagbrücke Mühlacker: Regierungspräsidium sieht keine negativen Auswirkungen auf die Lebensdauer des Enzübergangs
Weiter hält das Regierungspräsidium fest, dass in der ersten Hauptprüfung der Brücke noch vor Abnahme der Bauleistung nach der Norm DIN 1076 geprüft worden sei und wegen der Mängel eine Zustandsnote von 2,5 (ausreichend) vergeben wurde. Nach Beseitigung der Mängel an den Brücken-„Kämpfern“ durch Injektionsharz werde nun ein Wert von 1,9 (guter Zustand) angenommen, heißt es aus Karlsruhe.