
Der Karlsruher Biologe, Naturbuchautor und PZ-Kolumnist Mario Ludwig ist wohl Deutschlands eloquentester Experte für Kurioses und Rekordverdächtiges aus der Tierwelt. Seine wissenschaftlich fundierten Bücher lesen sich unterhaltsam und vergnüglich, wie sein jüngstes Werk „Tierische Jobs“ beweist.
PZ: Herr Ludwig, Pferde dienen als Abenteuerspielplatz für Mädchen. Schoßhündlein werden fürs Fach in der Damenhandtasche gezüchtet. Schmusekatzen sind zu faul für die Mäusejagd. Schweine allerdings liefern nach wie vor Schnitzel. Was ist das Spannende an tierischen Jobs?
Mario Ludwig: Das Spannende ist, dass Tiere heute Jobs erledigen können, die wir ihnen noch vor wenigen Jahren bei weitem nicht zugetraut hätten. Ratten suchen Minen, Hunde betreuen Diabetiker und Fische betätigen sich als Fußpfleger.
Was können Tiere, die Sie in Ihrem neuen Buch „Tierische Jobs“ beschreiben, denn schneller, besser, günstiger?
Ein gutes, wenn auch umstrittenes Beispiel, sind die „Ernteaffen“, die an der berühmten Affenschule von Surat Thani als Kokosnusspflücker ausgebildet werden. Ein menschlicher Kokosnusspflücker schafft 300 Kokosnüsse pro Tag, ein gut ausgebildeter Affe mehr als 1000.
Liest man Ihr Buch, könnte man den Eindruck gewinnen, dass eher Tiere, denen wir mit Distanz oder gar Ekel begegnen, besondere Jobqualitäten besitzen. Die Pforzheimer Stadttauben wirken eher lästig, denn intelligent. Können die mehr als nur Fenstersimse zukoten?
Die können eine ganze Menge mehr. Tauben sind ausgesprochen intelligente Tiere, mit einem überragenden Gedächtnis. So kann man Tauben zum Beispiel beibringen, auf Gewebeschnitten tumoröses von nicht tumorösem Gewebe zu unterscheiden. Die Tauben können das dann genauso gut wie ein ausgebildeter Pathologe. Außerdem können Tauben lernen, ein Gemälde von Picasso von einem Bild von Monet zu unterscheiden. Auch wenn sie die vorgelegten Gemälde noch nie zuvor gesehen hatten. Sie können also so etwas wie einen Kunstverstand entwickeln.
Bleiben wir bei den weniger putzigen Tierchen. Gibt es heutzutage für Bandwürmer tatsächlich noch Jobs in der Diät-Branche? Und hat sich das Lecken an Kröten angesichts der vielerorts bereits bestehenden Legalisierung von Cannabis nicht erledigt?
Um einen Bandwurm als Diäthelfer einzusetzen, muss man schon ziemlich hartgesotten sein, aber in den USA wird das immer mal wieder noch praktiziert. Und an einer Kröte zu lecken, um sich dank der halluzinogenen Stoffe in der Krötenhaut einen schönen und vor allem preiswerten Rausch anzulecken, ist bei vielen amerikanischen Studenten sehr beliebt. Obwohl es streng verboten ist. Wer beim Krötenlecken erwischt wird, wandert in den Knast.
Immer mal wieder geistern Meldungen durch die Medien, in denen über tierische Helfer des Militärs berichtet wird. Soldaten mit Flossen, gefiederte Spione – ist das wirklich sinnvoll?
Die allermeisten Versuche, Tiere als Spione einzusetzen, sind kläglich in die Hose gegangen. So versuchten deutsche Militärs im Ersten Weltkrieg vergeblich, Brieftauben als Luftaufklärer einzusetzen. In den 1960er-Jahren scheiterte der amerikanische Geheimdienst CIA damit, mit Hilfe speziell ausgerüsteter Katzen russische Botschaften auszuspionieren. Die Zukunft der tierischen Spionage liegt ganz klar in den sogenannten Cyborgs. Das sind Mischwesen aus Tier und Maschine. So ist es heute kein Problem, das Nervensystem einer Kakerlake so zu verschalten, dass man sie mit einem Smartphone steuern kann. Rüstet man diese Kakerlake dann noch mit einer kleinen Kamera aus, hat man einen idealen tierischen Minispion.
Der Hund dürfte wohl das erste Haustier des Menschen gewesen sein. Ist er das am vielseitigsten einsetzbare Tier, das im direkten Kontakt mit dem Menschen die meisten Jobs erledigen kann?
Ja, da hat der Hund im wahrsten Sinne des Wortes die Nase vorn. Dank ihres überragenden Geruchssinns – ein Hund hat 40 Mal mehr Riechzellen als ein Mensch – können Hunde als Wach- und Jagdhund, als Drogenspür- und Minensuchhund, als Trüffel-, Blinden- und Lawinenhund eingesetzt werden. Seit neuestem dienen Hunde auch als Archäologie- oder Diabeteshund. Von einem vierbeinigen Polizeikater mit mehr als nur Maskottchenstatus habe ich dagegen noch nie etwas gehört.
Gibt es für die direkte, persönliche Tier-Mensch-Hilfeleistung auch Alternativen zum Hund?
Eine wunderbare Hilfestellung gibt es in den USA: Kapuzineraffen, die zu Haushaltshilfen bei behinderten Menschen ausgebildet werden. Die Affen lernen dabei vor allem, einem Menschen, der seine Arme nicht mehr gebrauchen kann, das Leben zu erleichtern. Das geht vom Zähneputzen über das Wechseln von CDs im Player bis hin zum Runtertragen des Mülls.
Aus diversen Veranstaltungen im PZ-Forum wissen die PZ-Leser, dass Sie ein Katzenfan mit gewissem Suchtpotenzial sind. Haben Katzen im Vergleich zu Soldatenfliege, Kermeslaus oder Gambia-Riesenhamsterratte einen echten Job, wenn man darunter nicht Schnurren und Dösen verstehen will?
Unsere verwöhnten Miezen müssen heute nicht mehr Mäuse jagen. Aber, so haben diverse Studien ergeben, sie tun uns Menschen gut. Wenn eine Katze auf unserem Schoß liegt, geht der Puls herunter, die Muskulatur entspannt sich und wir schütten weniger Stresshormone aus. Stichwort Schnurren: Das Wohlfühlgeräusch der Miezen sorgt durch seine Vibrationen dafür, dass bei uns Menschen bei einem Knochenbruch die Knochen wieder schneller zusammenwachsen. Viel mehr kann man doch wirklich nicht verlangen.
Informationen zum Buch "Tierische Jobs"
Mario Ludwig ist promovierter Biologe und daher von Berufs wegen zu einem nüchternen Blick auf die Tierwelt verpflichtet. Für ihn ist die Fauna jedoch ein Füllhorn an Skurrilem und Aufregendem, Absurdem und Weltrekorden. Diese animalische Welt hat Deutschlands Experte für Kurioses im Tierreich schon in weit über 20 Büchern dargestellt, die bereits in fünf Sprachen übersetzt wurden und auch schon auf der Spiegel-Bestsellerliste landeten. In seinem jüngsten Werk „Tierische Jobs“ erzählt Ludwig spannende Geschichten über die Dienste der Tiere, wie sie uns Menschen mit ihren außergewöhnlichen Fähigkeiten im Alltag helfen und dabei modernen Maschinen oder Analysegeräten überlegen sind. Hier treffen Staunen über wissenschaftliche Erkenntnisse und unterhaltsame, witzige Erzählung genial aufeinander.
Mario Ludwig, „Tierische Jobs“, Verlag wbg Theiss, Darmstadt, 2019, 192 Seiten, 18 Euro

Zur Person
Mario Ludwig wurde 1957 als Sohn eines Biologieprofessors in Heidelberg geboren. Er studierte dort Biologie und Sportwissenschaften und arbeitete am Zoologischen Institut der Universität Heidelberg. 1993 begann seine Karriere als Sachbuchautor. Der gefragte Dozent und Vortragsredner ist häufig Gast in TV-Talkshows, Radiosendungen und im PZ-Forum. Seit 1998 lebt Ludwig in Karlsruhe.
