Enzkreis. Ausnahmezustand an der Verbandsschule im Biet (ViB) in Steinegg kurz vor den Sommerferien: Gleich zwei Mal binnen weniger Tage löst der Amokalarm aus. Schwerbewaffnete Polizisten durchkämmen das Gebäude, Schüler und Lehrer verschanzen sich in Klassenräumen. Am Ende gibt es zwei Mal Entwarnung: Fehlalarm – verursacht offensichtlich durch einen technischen Defekt. Es ist nicht das erste Mal in der Region: 2012 versetzte ein Fehlalarm die Bergschule Singen in Angst und Schrecken. Am Gymnasium Remchingen löste 2013 ebenfalls ein technischer Defekt einen Großeinsatz der Polizei aus, 2016 wurde der Alarm aus Versehen von einem Lehrer ausgelöst.
In Neuhausen wurden die Fehlalarme sowie der anschließende Ablauf, das Zusammenspiel der Einsatzkräfte oder die angeordneten Maßnahmen inzwischen an einem runden Tisch mit Schule, Gemeinde, Polizei und weiteren Beteiligten aufgearbeitet. Doch was lässt sich aus den Fällen lernen?
„Wenig“, sagt Neuhausens Bürgermeister Oliver Korz: „Im Ernstfall kann alles richtig oder alles falsch sein.“ Man wisse ja nie, wie ein möglicher Täter reagiere. „Im Großen und Ganzen hat aber alles so funktioniert, wie es sollte“, sagt Korz. Lediglich Details sollen verändert werden. So sollen die Kinder künftig – um den Senioren die Aufregung zu ersparen – nicht mehr ins Altenheim evakuiert werden, sondern in den Pallottisaal bei der Kirche.
Die Alarmanlage, die bereits seit mehreren Jahren in Betrieb gewesen sei, sei nochmals durchgecheckt worden. Ein Bauteil mit Wackelkontakt wurde ausgetauscht. „Ob das aber den Fehlalarm ausgelöst hat, kann uns die Firma auch nicht sagen“, so Korz. Zumindest sei seither Ruhe gewesen. Dass das dauerhaft so bleibt, sei auch äußerst wichtig, denn: „Einige Kinder haben den zweiten Alarm gar nicht mehr richtig ernst genommen“, sagt ViB-Schulleiterin Helga Schuhmacher. Auch wenn sie selbst Zweifel hatte, dass es sich um eine echte Bedrohungslage handelt, habe sie „genau nach dem festgeschriebenen Krisenplan gehandelt.“
Es sei diskutiert worden, ob es nach dem ersten Alarm richtig war, die Schüler vom Sportgelände draußen in die Klassenzimmer nach drinnen zu geleiten, oder ob es nicht besser gewesen wäre, mit ihnen zu flüchten. Zu einem greifbaren Ergebnis sei man aber nicht gekommen, der Plan sei nicht verändert worden, so Schuhmacher: „Für mich gibt es deshalb auch weiterhin keine Alternative zum Einschluss der Schüler, bis die Polizei Entwarnung gibt.“
Die Elternbeiratsvorsitzende Nadine Mühldräxler, die den ersten Amokalarm hautnah im Schulgebäude miterlebt hat, sagt: „Das wurde alles ganz gut aufgearbeitet, auch von Lehrerseite her in Gesprächen mit den Schülern.“ Sie jedenfalls habe den Eindruck gewonnen, dass die Kinder im Ernstfall an der Schule in guten Händen seien.
Eine weitergehende Analyse des Fehlalarms und der Reaktionen darauf – so dass auch andere Schulen etwas aus dem Fall lernen könnten – gebe es nicht, sagt Volker Traub, Leiter des Schulamts Pforzheim: „Die Schulaufsicht ist nicht eingebunden in die Aufarbeitung.“ Jede Schule habe ihr eigenes Krisenteam und einen Krisenplan: „Der regelt, was bei einem Amokalarm zu tun ist und dann läuft alles ganz geordnet ab“, so Traub. Im Nachhinein werde auf Anforderung der schulpsychologische Beratungsdienst aktiv, um Lehrern und Schülern mit ihren Erlebnissen zu helfen. Sonst seien von Schulamtsseite keine Maßnahmen vorgesehen.
Weder beim Kultusministerium noch an sonst einer Stelle werden nach Angaben des Stuttgarter Ministeriums solche Fehlalarme ausgewertet oder auf Verbesserungsmöglichkeiten überprüft. Und ViB-Rektorin Schuhmacher bestätigt: „Bei mir hat noch niemand angefragt, was die Ergebnisse unserer Aufarbeitung angeht.“



