Rundgang über Bauschlotts Felder: Auenhof-Gärtnereileiter Mathias John (rechts) zeigt Interessierten mit den Solawi-Initiatoren Christof Weisenbacher, Brigitte Oeschler (hinten), Mia und Tim Reiling, Uwe Riehl und und Peter Wild (von links) den Betrieb. Tilo Keller
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Wissen, wo was wächst: Initiative Solidarische Landwirtschaft entsteht
  • Lisa Belle

Die Zwiebeln und Frühkartoffeln sind geerntet, die Hochsommerhitze flirrt über den kargen Acker nahe des Auenhofs in Bauschlott, wo bald wieder frisches Grün sprießen soll. In den Gewächshäusern gegenüber bekommen die Tomaten rote Wangen, auf den Feldern weiter unten wachsen Salate, Kohl, Lauch und Rote Beete ihrer Ernte entgegen.

Rund zehn Hektar Fläche bewirtschaftet die Gärtnerei des Betriebs mit rund 50 Gemüsesorten. Zehn Hektar, die bald hauptsächlich eine ganz bestimmte Gruppe von Menschen ernähren sollen – die Mitglieder der initiative Solidarische Landwirtschaft Pforzheim/Enz (Solawi). Diese haben sich in den vergangenen Wochen zusammengefunden, von einem gemeinsamen Wunsch getragen: regionales, saisonales Gemüse nach Demeter-Standard zu produzieren, zu konsumieren und auch Menschen zugänglich zu machen, die finanziell schlechtergestellt sind. Ohne lange Transportwege, unabhängig und zu fairen Bedingungen.

Auf dem Auenhof haben sie mit ihrer Idee offene Türen eingerannt. Nun geht es an die Planung. Bei einem Inforundgang über den Betrieb konnten sich mehr als 20 Interessierte am Samstag ein Bild vom Konzept der Gemeinschaft machen (siehe Infokasten).

Noch ist das Projekt etwas grün hinter den Ohren. „Wir stehen ganz am Anfang“, sagt einer der Initiatoren, Uwe Riehl. Doch ihre Vision sieht die Solawi-Gemeinschaft klar vor Augen: Sie wollen Ernteanteile am Auenhof erwerben und wöchentlich das Gemüse daheim auf dem Tisch haben, das nach einem gemeinsam entworfenen Anbauplan gepflanzt wurde. Denn die Solawi wird ein Mitspracherecht haben, was die Gärtnerei des Auenhofs künftig produziert. „Dabei geht es auch um samenfeste Sorten“, sagt Riehl. „Darum, einen Kontrapunkt zu Monsanto und Co zu setzen“, fügt WiP-Stadtrat Christof Weisenbacher hinzu. Und es geht um Solidarität. Diejenigen, die mehr bezahlen können, finanzieren den Ernteanteil der weniger gut situierten mit. Auch Sponsoren-Varianten seien denkbar, sagt Riehl.

Krumme Gurke? Kein Problem!

Der solidarische Kerngedanke kommt auch dem Betrieb zugute, weiß Gärtnerei-Leiter Mathias John. Das Anbaurisiko werde gemeinsam getragen, ebenso wie der Überschuss – beispielsweise von Zucchini oder Tomaten – etwa durch gemeinsames Einkochen verwertet werden soll. Der Auenhof, der bislang neben Wochenmärkten auch Schulküchen oder kleinere Bioläden beliefert, macht sich damit unabhängig vom Markt. Er hat mit der Solawi Abnehmer für sonst unverkäufliches Gemüse, wie eine Gurke, deren Form nicht den Vorgaben entspricht. Dass das Gemüse optisch nicht perfekt sein muss, komme auch den Menschen mit Behinderung zugute, die auf dem Auenhof arbeiten und leben, sagt John. Wenn es nicht darauf ankommt, wie akkurat die Petersilie gebündelt ist, können sie mehr arbeiten selbst übernehmen.

„Die Mitarbeit auf dem Hof ist möglich, aber kein Muss“, stellt der Landwirt klar. Die Solawisten hoffen aber, dass sich durch das Projekt eine lebendige Gemeinschaft entwickelt, die auch zusammen anpackt, isst, Feste feiert und Zukunftspläne schmiedet. Noch suchen sie dafür Mitstreiter.

Weitere Informationen per E-Mail an solawi-pfenz@web.de.


Solidarische Landwirtschaft – so funktioniert’s

Die Solawi-Mitglieder zeichnen in einer Bieterrunde (Ende Oktober/Anfang November) Anteile und schließen damit Einzelverträge mit dem Auenhof mit einem Jahr Laufzeit. Ein Anteil entspricht dem Wochenbedarf eines Erwachsenen an Gemüse. Der Preis liegt bei 15 bis 20 Euro pro Woche. Wer mehr bezahlen kann, soll so anderen die Teilnahme ermöglichen. Die Ernte wird geteilt, das Anbaurisiko zusammen getragen. Gemeinsam mit dem Auenhof wird ein Anbauplan erstellt. Die Ernte wird wöchentlich an die Mitglieder ausgegeben – dafür soll ganzjährig gesorgt sein. Abgeholt werden kann das Gemüse direkt auf dem Hof oder an einem Sammelpunkt in Pforzheim. Die Gemeinschaft kann sich zudem aktiv in der Landwirtschaft einbringen, Wissen erwerben und sich bei offenen Treffen austauschen. Die Solawi plant, mit 50 bis 70 Anteilnehmern im Januar 2017 zu starten.

Weitere Informationen zur Solawi gibt es am Mittwoch, 21. September, ab 19.30 Uhr bei einer Infoveranstaltung auf dem Auenhof. Ein zweiter Rundgang wird am Samstag, 17. September, ab 14 Uhr angeboten. Zudem stellt sich die Initiative am Donnerstag, 29. September, im Kommunalen Kino Pforzheim vor. Ab 18 Uhr wird der Film „10 Milliarden – Wie werden wir alle satt?“ gezeigt.

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