
- Maximilian Haupt und Christian Kunz
Doha/Atamaria. Die Anreise zu den Heimspielen ihres Sohnes Benjamin mit dem Auto müssen sich seine Eltern Frédéric und Nathalie Pavard ab dem Sommer gut überlegen und womöglich auf das Flugzeug umsteigen. Denn statt rund sechs Stunden wie nach Stuttgart dauert die Fahrt aus Jeaumont im Norden Frankreichs nach München acht Stunden.
Und nach seinem seit Mittwoch öffentlichen Wechsel zum FC Bayern München im Anschluss an diese Saison wird der Weltmeister auch in der Champions League unter der Woche antreten dürfen. Aber Aufwand und Mühen haben die beiden noch nie gescheut.
„Sie haben so viele Opfer gebracht, seit ich klein bin“, sagte Pavard voller Emotionen im französischen Fernsehen, als er auf dem Weg zum WM-Titel in Russland eine Videobotschaft seiner Eltern vorgespielt bekam. Als unerwarteter Stammspieler auf der Position des rechten Verteidigers und Schütze zum Tor der WM, einem wunderschönen Volley-Treffer zum zwischenzeitlichen 2:2 im Achtelfinale gegen Argentinien, katapultierte sich der 22-Jährige ins Bewusstsein seines Heimatlandes und spätestens da auch in das der ganz großen Clubs.
Vertrag über fünf Jahre
Schon nach der WM galt ein Transfer nach München als denkbar, nun unterschrieb er beim Rekordmeister einen ab Sommer gültigen Vertrag über fünf Jahre. „Wir sind sehr froh und stolz, dass wir einen solchen Spieler für den FC Bayern gewinnen konnten“, sagte Sportdirektor Hasan Salihamidzic. Beim VfB, dem er wegen eines Muskelbündelrisses im Oberschenkel wohl erst am 3. Februar gegen den SC Freiburg wieder zur Verfügung steht, hat er noch einen Vertrag bis 2021. Eine Ausstiegsklausel erlaubt aber einen Wechsel im Sommer für eine Ablösesumme in Höhe von 35 Millionen Euro.
Er bleibt auch nach einer für seine Verhältnisse schwachen Vorrunde mit einigen Patzern sehr gerne in der Bundesliga. „Man sieht, dass die Franzosen, die aus Frankreich kamen, hier über Jahre hinweg bleiben, weil es ihnen gefällt“, sagte er bei seinem bislang letzten Pressetermin in Stuttgart im Dezember.
So stur der Freund eines Models bislang zur Freude seiner Mutter an seinen Locken auf dem Kopf festgehalten hat, so flexibel ist er auf dem Fußballplatz. Die Position, die ihm am meisten Spaß macht und auf der er mit dem ein halbes Jahr älteren Niklas Süle lange Zeit auch beim FC Bayern spielen könnte, ist die Innenverteidigung. Im Trikot der Équipe Tricolore und während seiner ersten Saison in der Bundesliga dagegen war Pavard vor allem Rechtsverteidiger. Er kann auch im defensiven Mittelfeld auflaufen. „Ich stehe auch als Linksverteidiger oder als Torwart zur Verfügung, ich spiele überall“, sagte er im Dezember.
Wie Jean-Pierre Papin, der von 1994 bis 1996 für München stürmte, hat Pavard bei der Union Sportive Jeumont angefangen. Vom OSC Lille wechselte er dann im Sommer 2016 zum VfB Stuttgart in die 2. Liga – und verzückte die Fans gleich in seinem ersten Spiel mit einem Tor und einem Zuckerpass beim 4:0 gegen Greuther Fürth.
Seither entwickelte sich der zwar große, aber körperlich eher schmächtige Verteidiger vom Zweitligaspieler zum Weltmeister und hat noch Großes vor. Angesprochen auf den traditionsreichen Ballon d’Or für den Weltfußballer zitierte ihn der Übersetzer im Dezember mit den Worten: „Das Ziel hat bestimmt jeder. Aber ich weiß, dass die Stürmer privilegiert sind in der Sache. Ich muss viel arbeiten, um da hin zu kommen. Mein Ziel ist es, Titel zu gewinnen.“ Das zumindest sollte ihm in München gelingen.
Große Franzosen-Historie
Pavard setzt eine große Franzosen-Historie beim FC Bayern fort. Erfolgreiche Münchner Karrieren feierten Bixente Lizarazu oder Willy Sagnol. Jetzt wäre Pavard nach Corentin Tolisso der zweite aktuelle Weltmeister im Team von Niko Kovac, Kingsley Coman komplettiert das bayerische Équipe-Tricolore-Trio. Und Franck Ribéry? Der 35-Jährige, der den Bayern nach seinem Internetausraster das große Aufregerthema in Doha bescherte, wird am Saisonende wie Arjen Robben gehen.
„Franck hat eine Ära geprägt wie Arjen Robbben. Durch ein großes Tor wollen wir sie verabschieden“, sagte Salihamidzic, der bei Ribéry die wohl eher theoretische Chance auf ein weiteres Jahr nicht ausschloss. Zur Frage, ob nach dem Internetausraster des Franzosen auch eine Suspendierung mal ein Thema gewesen sei, mochte der Sportdirektor sich nicht mehr äußern. „Zu diesem Fall habe ich mich jetzt vor wenigen Tagen geäußert. Ich glaube, das war ganz klar und deutlich und dabei bleibt es auch. Darüber werde ich auch nichts mehr sagen.“