
- Andreas Schirmer und Dominique Jahn
Frankfurt/Main/Pforzheim. In der Corona-Pandemie wird der Griff nach den Tickets für die Olympischen Spiele zum Kampf der Extreme. Die Fortsetzung der für Ende April geplanten Qualifikation der Boxer in London ist vorerst wegen der britischen Virusmutation abgesagt worden. Wasserballer ermitteln vom 14. Februar an ihre Starter für die Tokio-Spiele in einer Blase in Rotterdam, die Tischtennis-Elite reist nach Katar, wo es wenige Corona-Fälle gibt. Immerhin sind rund 60 Prozent der Olympia-Start- und Quotenplätze bereits vergeben. Für die 40 Prozent der Athleten ohne Fahrkarte nach Japan wird es ein Hindernisrennen.
„Ich wünsche jedem Athleten, dass er eine faire Chance auf die Qualifikation bekommt“, sagte Max Hartung, Vorsitzender der Vereinigung Athleten Deutschland. „Gleichzeitig muss auch klar sein, dass dafür das Thema Sicherheit und Schutz vor Infektionen von Athleten, ihren Angehörigen und Liebsten nicht hinten angestellt werden darf.“ Im Fechten sollen im März/April Weltcup-Turniere nachgeholt werden. „Wir machen uns Gedanken, wie das alles gehen wird“, sagte der Säbel-Europameister. In anderen Sportarten sei es ähnlich schwierig, zumal es Reisebeschränkungen, wie zum Beispiel aus Brasilien, Großbritannien und Südafrika nach Deutschland, gebe. „Die Austragung vieler Olympia-Qualifikationen erfordert pandemiebedingt große Flexibilität“, sagte Dirk Schimmelpfennig, Leistungssportchef des Deutschen Olympischen Sportbundes. Wöchentlich gebe es Veränderungen: „Deshalb gehen wir davon aus, dass der Großteil der Qualifikationen und Nominierungen diesmal erst sehr spät im Juni stattfinden wird.“
Bisher sind laut DOSB 226 deutsche Athleten persönlich oder durch Quotenplätze – wie die Fußball-Männer mit 18 oder die beiden Hockey-Teams mit 32 Spielern – für die Tokio-Spiele vom 23. Juli bis 8. August qualifiziert. Aktuell sind die Ausscheidungen erst in sieben Sportarten abgeschlossen. In 15 Sportarten oder Teildisziplinen laufen sie, in 18 stehen keine Quotenplätze zu Buche.
Damit ist etwa die Hälfte der Olympia-Starter noch nicht ermittelt. „Wir rechnen wieder mit einer Größenordnung von 400 Athleten“, sagte Schimmelpfennig. Die deutsche Olympia-Mannschaft für Tokio wird wegen einiger Wettkämpfe erst am ersten Juli-Wochenende komplett sein. Meldeschluss beim Internationalen Olympischen Komitee: Montag, 5. Juli um 12.00 Uhr.
Der Deutsche Leichtathletik-Verband wird auch in der Corona-Krise einen Großteil des Tokio-Teams stellen, hat bisher aber nur 37 Teilnehmer fix ermittelt. DLV-Cheftrainerin Annett Stein erwartet aber „unbenommen des durch Corona sehr langen und komplexen Nominierungsprozesses“ eine Mannschaft mit 85 bis 95 Athleten.
Allerdings sind nicht alle in der guten Lage wie die Speerwerfer um Rio-Sieger Thomas Röhler, von denen fünf die Olympia-Norm haben. Und sie können im Notfall mit wenigen Meetings vor Tokio auskommen, um in den Medaillenkampf einzugreifen. Während Stabhochspringer „bei bis zu 20 Meetings ihre Form entwickeln“, reichten im Speerwurf „fünf, sechs oder sieben Wettkämpfe aus“, erklärte Bundestrainer Boris Obergföll.
Preis trainiert auf La Palma
So schnell wie möglich wollen die beiden 400-Meter-Hürdenspezialisten Carolina Krafzik und Constantin Preis (beide starten für den VfL Sindelfingen) ihre Olympia-Norm knacken. Preis, der mit fünf weiteren Kaderathleten derzeit ein Trainingslager auf La Palma absolviert, geht davon aus, dass er in vier bis fünf Rennen vor den Tokio-Spielen die Chance hat, die Norm zu laufen. Noch hat der 23-Jährige keinen Sommer-Fahrplan für sich aufgestellt, aber er rechnet mal Anfang Mai mit dem ersten Wettkampf im Freien.
Dass wegen der Corona-Pandemie viele Wettkämpfe ausfallen werden und es dadurch schwierig sein wird, die Qualifikation zu schaffen, glaubt die Öschelbronnerin Carolina Krafzik nicht. „Ich habe keine Bedenken, dass es nur ein oder zwei Wettkämpfe geben wird“, sagt 25-Jährige. Eine Olympia-Quali ist übrigens auch über die Weltrangliste möglich. Hier wären Krafzik (Platz 35) und Preis (13.), wären morgen die Olympischen Spiele, auf alle Fälle dabei.