
- Sigor Paesler
Noch ist der VfB Stuttgart nicht zurück in der Bundesliga, doch schon reifen neue Träume. Der Club erklärt Mitgliedern die Ausgliederung der Profiabteilung in eine AG.
Hansi Müller hatte die Lacher auf seiner Seite. „Ich hab‘ grad ‚ne SMS bekommen, in der ich gefragt wurde, ob ich im Bernabéu bin“, erzählte der frühere Fußball-Nationalspieler zum Abschluss der Veranstaltung im Hasenheim. „Ich hab‘ geantwortet: Nee, ich bin im Vereinsheim in Berkheim.“ Schon vorher hatte der 59-jährige ehemalige Mittelfeldspieler des VfB Stuttgart unter Applaus gerufen: „Ich wäre jetzt lieber mit euch in Madrid.“
Am Abend des Halbfinal-Hinspiels Real gegen Atletico Madrid in der Fußball-Champions-League informierte der VfB in Esslingen-Berkheim über die geplante Ausgliederung der Profiabteilung in eine Aktiengesellschaft. Am 1. Juni wird darüber auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung abgestimmt, eine Mehrheit von 75 Prozent ist nötig. Präsident Wolfgang Dietrich, Finanzvorstand Stefan Heim und Christian Schmidt, Teamleiter Fanbetreuung, als Moderator wurden in Berkheim von Müller und Ex-Torhüter Helmut Roleder aus Tiefenbronn-Mühlhausen flankiert. Eine durchaus ausgewogene Mischung: Hier Müller, stets auf Vereinslinie, da Roleder, als kritischer Geist bekannt. 2011 hatte er vergeblich versucht, als Präsidentschaftskandidat gegen Gerd E. Mäuser anzutreten. Nun sagte er: „Ich hätte mir nicht vorstellen können, mich bei einem der beiden früheren Präsidenten hier hinzusetzen.“ Der jetzigen VfB-Führung aber traut der 63-Jährige zu, die Ausgliederung gut umzusetzen. Und überhaupt hält auch Roleder den Schritt für nötig: „Dann kann man wieder an die Zeiten anknüpfen, in denen vieles besser war.“
Viel Widerspruch gab es nicht. Schon vor Dietrichs halbstündiger Werberede ging es in Gesprächen bei Bier und Schweizer Wurstsalat unter anderem um die Mitgliederversammlung. „Ohne Veränderungen kommen wir nicht weiter“, sagte ein Fan und sein Gegenüber nickte. Die breite Zustimmung im Saal schien nicht nur daran zu liegen, dass die über 1100 Mitglieder zählenden Rot-Weißen Schwaben Berkheim Gastgeber waren. Dieser VfB-Fanclub ist nicht gerade ein Sammelbecken der Opposition, obwohl auch hier nicht alle für die Ausgliederung sind. Die Gegner hielten sich aber mit Wortmeldungen zurück. Der kritischste Beitrag kam sogar von Joachim Schmid, dem Vorsitzenden der Rot-Weißen Schwaben. Ihm ist der Anteil der Fanvertreter im geplanten Mitgliederbeirat zu gering.
Die Fragen waren sachlich, gingen ins Detail und beschäftigten sich mit den Punkten, die Dietrich und Heim erwartet hatten.
Bleiben die Rechte an Wappen und Farben des VfB beim Verein?
Ja, die AG bekommt nur ein Nutzungsrecht.
Kann die Daimler AG, die als „Ankerinvestor“ das erste Aktienpaket in Höhe von 11,75 Prozent im Wert von 41,5 Millionen Euro erwerben will und bereits einen entsprechenden Vertrag unterschrieben hat, ihre Anteile ohne Zustimmung des Vereins weiterverkaufen?
Nein, der Verein hat ein Mitbestimmungs- und Vorkaufsrecht.
Können die Mitglieder Aktien kaufen?
Grundsätzlich ja, etwa über eine Beteiligungsgesellschaft, aber „wie man das macht, ist nicht ohne“ (Dietrich).
Gibt es einen Plan für den Fall, dass die Mitgliederversammlung der Ausgliederung nicht zustimmt?
Ja, die Lizenz für die kommende Saison, die dem VfB von der DFL für die Bundesliga und die 2.Bundesliga ohne Auflagen erteilt wurde, wurde nicht auf Grundlage einer Ausgliederung beantragt.
Darf der VfB auch mehr Anteile verkaufen als die angekündigten 24,9 Prozent?
Nein, in diesem Falle wäre eine erneute Mitgliederversammlung und eine erneute Zustimmung von 75 Prozent nötig.
Und vor allem: Wie sollen die anvisierten 100 Millionen Euro, die die 24,9 Prozent bringen sollen, investiert werden?
Zu hundert Prozent im sportlichen Bereich, in den Lizenzspielerkader, den Nachwuchs und die Infrastruktur des Trainingsgeländes. Heim: „Die Ausgliederung ist keine Garantie für sportlichen Erfolg, aber sie ist die Voraussetzung dafür.“ Allein schon, weil fast alle Konkurrenten diesen oder einen vergleichbaren Schritt längst vollzogen oder andere Einnahmequellen etwa von Mäzenen hätten.
Der Abend war eine klassische Wahlkampfveranstaltung. An deren Ende sowohl Präsident Dietrich als auch Fanclub-Chef Schmid zufrieden waren. „Es war sehr aufklärend“, fand Schmid. „Es waren alles Fragen, die ich auch gestellt hätte“, erklärte Dietrich, der für den 1. Juni ein gutes Gefühl hat. Wie die Mannschaft, die Zweitliga-Tabellenführer ist, will aber auch er einstweilen vorsichtig bleiben: „Stimmungen sind noch keine Stimmen.“
