
Digitalisierung ist vielerorts längst zum entscheidenden Standortfaktor geworden. Wer bei digitalen Services, smarter Infrastruktur und innovativen Projekten nicht Schritt hält, verliert rasch an Attraktivität für Wirtschaft und Bevölkerung. Dass sich dieser Trend nicht nur in trockenen Kennzahlen oder hochtrabenden Strategiepapiere widerspiegelt, sondern auch messbar ist, zeigt der Smart City Index des Digitalverbands Bitkom.
Jedes Jahr wird darin überprüft, wie gut deutsche Städte bei der Digitalisierung aufgestellt sind. Bewertet wird in fünf Kategorien: Verwaltung, IT & Kommunikation, Energie & Umwelt, Mobilität sowie Gesellschaft & Bildung.
In diesem Index rangiert Pforzheim aktuell auf Platz 63 von 82. Ein Ergebnis, das in der Stadt zunehmend für Diskussionen sorgt. Denn während andere Städte ähnlicher Größe immer stärker auf Digitalisierung setzen, scheint Pforzheim digital noch nicht richtig durchgestartet zu sein.
Pforzheim fällt im Ranking zurück
Platz 63 mag auf den ersten Blick unscheinbar wirken. Doch ein Blick auf die Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt: Es geht eher rückwärts. Noch 2019 rangierte Pforzheim auf Platz 57. Seitdem ging es schrittweise nach unten, zuletzt also Platz 63 im Jahr 2024.
Andere Städte der Region haben sich in dieser Zeit deutlich besser entwickelt. Reutlingen liegt inzwischen vor Pforzheim, Heilbronn ebenfalls. Karlsruhe bewegt sich ohnehin in einer anderen digitalen Liga. Und ganz vorne im Ranking: München, Hamburg und Köln. Städte, die längst begriffen haben, dass Digitalisierung kein Randthema mehr ist, sondern Kernbestandteil moderner Stadtentwicklung.
In diesem Vergleich wirkt Pforzheims Platzierung ernüchternd. Denn Rankings wie dieser sind für viele Kommunen inzwischen eine Art digitale Visitenkarte, an der sich Wirtschaft, Investoren und zunehmend auch Bürger orientieren. Schließlich gehört es heute beinahe zum Alltag, dass sich viele Lebensbereiche längst ins Digitale verlagert haben.
Egal, ob per App einen Termin beim Amt buchen oder mobil bezahlen. Auch ganz nebenbei kann man online Slots spielen, statt in die Spielhallen zu gehen, die ihre besten Jahre auch in Pforzheim hinter sich zu haben scheinen. In gut digitalisierten Städten ist all das längst selbstverständlich. In Pforzheim hingegen stocken viele dieser Entwicklungen noch sichtbar.
Ein Blick auf die Schwachstellen in Verwaltung, Infrastruktur und Mobilität
Ein genauer Blick auf die einzelnen Bereiche des Index offenbart, wo es in Pforzheim besonders knirscht. In der Verwaltung landet die Stadt nur auf Platz 70. Online-Terminvereinbarungen sind oft noch nicht möglich, ein durchgängiges digitales Dokumentenmanagement fehlt, Bürgeranliegen lassen sich meist nicht online abwickeln.
Noch deutlicher wird es beim Thema Infrastruktur. Während die Breitbandabdeckung solide ist, liegt die Glasfaserquote bei enttäuschenden 4,5 Punkten. Dabei bildet Glasfaser das Rückgrat vieler moderner digitaler Anwendungen.
Auch in puncto Mobilität zeigen sich Schwächen. Zwar glänzt die Stadt bei digitalen Parklösungen und erreicht hier sogar die Maximalbewertung von 100 Punkten. Doch bei der intelligenten Verknüpfung verschiedener Verkehrsmittel, also multimodaler Mobilität, fällt Pforzheim mit mageren 7,8 Punkten deutlich ab. Auch das smarte Verkehrsmanagement ist mit 45,5 Punkten ausbaufähig.
Hinzu kommt: Die Stadt hat kaum Coworking-Spaces, es fehlt eine lebendige digitale Gründerszene. Damit bleiben Impulse aus der digitalen Wirtschaft weitgehend aus. Städte wie München oder Hamburg zeigen, wie stark solche Ökosysteme die Innovationskraft einer Stadt beflügeln können.
In welchen Bereichen Pforzheim bereits gut aufgestellt ist
Ganz ohne positive Ansätze steht Pforzheim allerdings nicht da. In Sachen Breitbandversorgung gehört die Stadt mit 87,3 Punkten zur besseren Hälfte im Index. Auch beim 5G-Ausbau schneidet sie mit 97,9 Punkten stark ab.
Im Bereich Energie & Umwelt gibt es einige erfreuliche Entwicklungen. Das Umweltmonitoring wird mit 75 Punkten bewertet, die intelligente Straßenbeleuchtung mit 50 Punkten. Hier zeigt sich, dass in einzelnen Bereichen moderne Technik gezielt eingesetzt wird.
Auch im Bildungsbereich punktet Pforzheim: Die Digitalisierung der Schulen bringt es auf solide 71,8 Punkte, während die Digitalkompetenz in der Bevölkerung sogar mit der Maximalbewertung von 100 Punkten aufwartet. Darüber hinaus gibt es Projekte, die sichtbare Akzente setzen. Dazu gehören sensorisch gesteuerte Bewässerungssysteme für Grünflächen und der Müllroboter „Ansgar“, der bereits im Stadtbild unterwegs ist.
Modellstadt mit Fördergeldern
Seit 2021 nimmt Pforzheim am Bundesförderprogramm „Modellprojekt Smart City“ teil und erhält hierfür rund 9,1 Millionen Euro Fördermittel. Damit wurden bislang verschiedene Projekte angestoßen. Dazu gehören das bereits erwähnte PF-WLAN (in Teilen der Stadt), der Müllroboter „Ansgar“, KI-gestützte Mülltrennung, smarte Bewässerungssysteme und ein Tiny House als mobiler Lernraum, der das Thema Smart City auch für Schulen und Bürger greifbar machen soll.
Um die Vielzahl an Projekten besser zu koordinieren, wurde eigens das neue Amt für Digitalisierung & Organisation gegründet. Geleitet wird es von Katja Theurer. Hier laufen die Fäden der städtischen Digitalisierungsbemühungen zusammen, um eine strategische Steuerung sicherzustellen.
Wie sich Pforzheim in den vergangenen Jahren entwickelt hat
Die Bilanz der vergangenen Jahre fällt gemischt aus. Frühzeitig begann das PF-WLAN-Projekt, doch mittlerweile ist dieses nicht mehr überall aktiv. Auch wenn mit Hilfe der Fördergelder einige innovative Projekte angestoßen wurden, bleibt der große digitale Sprung bislang aus.
Gerade in der Verwaltung sind viele Prozesse noch nicht durchgängig digital. Der Ausbau der Glasfaserinfrastruktur kommt nur schleppend voran. Im Vergleich zu anderen Modellstädten bleibt Pforzheim vielerorts hinter den Erwartungen zurück. Die Gründe dafür sind vielfältig. Organisatorische Hürden und ein Mangel an IT-Fachkräften bremsen die Entwicklung ebenso wie eine bislang wenig integrierte Digitalstrategie. Viele Projekte wirken noch als Einzelmaßnahmen, eine klare, übergreifende Ausrichtung ist kaum erkennbar.
Dennoch gibt es Lichtblicke. Das Bewusstsein für den Handlungsbedarf wächst. Mit dem neuen Amt für Digitalisierung ist eine Struktur geschaffen, die perspektivisch für mehr Drive sorgen könnte.
Handlungsfelder und Zukunftsperspektiven für die smarte Stadt
Um künftig wieder besser im Vergleich der digitalen Städte dazustehen, braucht es in Pforzheim vor allem eines: eine durchdachte, langfristige Strategie, die alle Handlungsfelder miteinander verknüpft. Der Glasfaserausbau sollte dabei oberste Priorität erhalten. Ohne leistungsfähige Netze bleiben viele digitale Angebote Makulatur.
Auch die Mobilitätsangebote müssen dringend ausgebaut werden. Eine intelligente Verknüpfung von ÖPNV, Fahrrad, Carsharing und Verkehrssteuerung wäre ein echter Gewinn für die Lebensqualität in der Stadt. In der Verwaltung gilt es, Prozesse konsequent zu digitalisieren. Bürger sollten ihre Anliegen online und medienbruchfrei erledigen können. Ein zentrales Serviceportal und moderne IT-Strukturen in den Ämtern wären hier wichtige Schritte.
Darüber hinaus braucht Pforzheim mehr Raum für digitale Gründer und Kreative. Coworking-Spaces, Unterstützung für Startups und Vernetzung mit der Wirtschaft könnten neue Impulse liefern. Nicht zuletzt ist mehr Transparenz und Beteiligung gefragt. Smarte Plattformen, die Bürger in die Stadtentwicklung einbeziehen, stärken nicht nur das Vertrauen, sondern sorgen auch für frische Ideen.
Wie es gehen kann, zeigen Städte wie München, Hamburg oder Köln. Mit klaren Zielen, strategischer Steuerung und einem langen Atem haben sie sich an die digitale Spitze gearbeitet. Für Pforzheim heißt das: Jetzt die richtigen Weichen stellen, Mut beweisen und die Digitalisierung als gemeinsames Projekt anpacken. Dann könnte aus Platz 63 schon bald deutlich mehr werden.