
- Heiko Lossie und Andreas Hoenig
Die Champions-League-Gala des Werksclubs VfL Wolfsburg gegen Real Madrid erlebte VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh live im Stadion – für ihn sicher eine willkommene Abwechslung. Denn ansonsten stehen bei Volkswagen mitten in der Abgas-Krise knallharte Konflikte bevor. Es geht um die Zukunft von Jobs und Werken. Die Arbeitnehmerseite verschärft im Klein-Klein mit dem Management daher jetzt die Gangart.
Der „Spiegel“ berichtet, dass VW-Manager trotz Krise auf hohe Bonuszahlungen bestehen. Ein VW-Sprecher nannte das „pure Spekulation“. Ein vom Vorstand der VW-Kernmarke mitgetragener Zukunftspakt soll „für die nächsten Jahre“ fixe Zusagen für Produkte, Stückzahlen und Investitionen festschreiben. „Wir wollen ein Ende der Spekulationen über die Zukunft von Menschen und Standorten“, heißt es in einem am Donnerstag an die Belegschaft von VW-Pkw versandten Brief. Das liest sich auch als eine klare Kampfansage an die Führung der Hauptmarke.
Das Schreiben markiert den vorläufigen Höhepunkt einer Machtprobe zwischen Betriebsrat und Management im Konzern. Der Skandal um manipulierte Dieselfahrzeuge hat VW in eine tiefe Krise gestürzt. Es drohen Milliardenkosten, der Sparkurs wurde verschärft. Vor allem geht es dem Management darum, die Renditeprobleme der Kernmarke VW in den Griff zu bekommen. Osterlohs Leute klagen, sie müssten ihren verunsicherten Leuten erklären, was VW-Markenchef Herbert Diess wohl für Einschnitte plane. Weit mehr als 1000 Leiharbeitern fehle schon heute die Perspektive. Das Aus für das Flaggschiff VW Phaeton hat die Gläserne Manufaktur in Dresden zumindest vorerst in eine Fabrik ohne Produktion verwandelt. Seit kurzem ist bekannt, dass Diess über 3000 Jobs in der Verwaltung für überflüssig hält. Die sollen weg – es ist jede zehnte Stelle des Bereichs. Die Produktivität soll generell um zehn Prozent steigen.
Zudem wird hinter vorgehaltener Hand längst über die Zukunft ganzer Standorte gemunkelt, wie etwa das Motorenwerk Salzgitter. Fast die Hälfte der 600.000 Stellen im Konzern entfällt aufs Hochlohn-Land Deutschland. Auf Osterlohs Aufruf zur Vertragsverhandlung reagierte am Donnerstag nicht Diess, sondern Personalvorstand Karlheinz Blessing, zu dem Osterloh nach eigenen Worten noch Vertrauen hat. Blessing begrüßte das „Verhandlungsangebot“.
Die Abgas-Krise hat den Konzern aus Rekorden gerissen, bei denen rasante Absatzerfolge in China sowie die Perlen Audi und Porsche lange die Probleme der Kernmarke übertünchten. VW-Pkw machte zuletzt von 100 umgesetzten Euro nur zwei bis drei Euro Gewinn, wovon Zinsen und Steuern noch abgingen.
Der Betriebsrat selbst hatte schon 2014 hunderte Verbesserungsideen vorgelegt. Doch er wähnt nun Böses in der Abgas-Krise. „So haben wir den Eindruck, dass der Diesel-Skandal hinterrücks dazu genutzt werden soll, personelle Einschnitte vorzunehmen, die bis vor wenigen Monaten kein Thema waren“, heißt es in dem Brief. Hinter den Kulissen steckt hinter dem Vorstoß noch mehr. Das alte, jahrelange Triumvirat aus Osterloh, Konzernboss Martin Winterkorn und dessen Förderer – VW-Patriarch Ferdinand Piëch – ist Geschichte. Vor allem zwischen Osterloh und Diess gibt es Misstöne.
