Im ersten Halbjahr ist die Zahl der Insolvenzen im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Foto: Vennenbernd
Wirtschaft
Das Pleite-Risiko steigt - Experten rechnen mit Insolvenz-Plus
  • Erich Reimann

Düsseldorf. Heute in Deutschland geborene Kinder können damit rechnen, rund 80 Jahre alt zu werden. Firmen, die in diesen Tagen in der Bundesrepublik gegründet werden, haben kaum eine Chance, ähnlich alt zu werden. Das geht aus einer aktuellen „Sterbetafel für Unternehmen“ hervor, die die Wirtschaftsauskunftei Creditreform gestützt auf das Handelsregister und die eigene Datenbank erstellt hat. Danach werden Unternehmen in Deutschland im Durchschnitt nur rund 16 Jahre alt. Und aktuell wächst die Gefahr des Scheiterns für viele Firmen gerade wieder.

„Zwar lässt sich die Historie von einigen wenigen Firmen bis zu mehreren hundert Jahren in die Vergangenheit zurückverfolgen“, sagte Geschäftsführer Volker Ulbricht. Doch der Normalfall sei das nicht. Letztlich führten Entwicklungen wie Fusionen, Übernahmen oder auch Insolvenzen in aller Regel irgendwann zum Ende der Firma.

Schon zehn Jahre nach der Gründung sind laut Creditreform rund die Hälfte der Unternehmen wieder vom Markt verschwunden. Nur jedes vierte Unternehmen wird älter als 20 Jahre. Besonders hoch ist die „Sterbewahrscheinlichkeit“ für Unternehmen vier bis acht Jahre nach der Gründung. Dabei sind die Unterschiede zwischen den Branchen gewaltig. Als besonders langlebig erweisen sich laut Creditreform Unternehmen, die im Verarbeitenden Gewerbe, im Bergbau und bei der Gewinnung von Steinen und Erden tätig sind. Sie werden im Durchschnitt fast ein Vierteljahrhundert alt. Nur maximal halb so alt werden der Studie zufolge in der Regel Firmen, die im Gastgewerbe, im Gesundheits- und Sozialwesen oder in der Energieversorgung tätig sind.

Aktuell wird der Überlebenskampf für viele Unternehmen wieder härter. Erstmals seit einem Jahrzehnt sei 2019 wieder mit einem Anstieg der Insolvenzzahlen in der Bundesrepublik zu rechnen, prognostizierte der Leiter der Creditreform-Wirtschaftsforschung, Michael Bretz. Insgesamt erwarten die Experten 2019 rund 20 000 Firmenpleiten, ein Plus von rund drei Prozent gegenüber dem Vorjahr. Zuletzt hatte die Zahl der Insolvenzen in Deutschland 2009 zugenommen.

Ausschlaggebend für die erwartete Trendwende sei die Entwicklung in der exportorientierten deutschen Industrie, die inzwischen spürbar unter den Folgen des Handelskrieges zwischen den USA und China und anderen Wirtschaftsturbulenzen leide. Der deutsche Binnenmarkt und die darauf konzentrierten Branchen wie der Bau und der Handel florierten dagegen bislang noch. Doch bestehe die Gefahr, dass sich der Abwärtsdruck im Verarbeitenden Gewerbe in den nächsten Monaten in der gesamten Breite der Wirtschaft verstärke, warnte Ulbricht.

Die Zahl der durch das Insolvenzgeschehen bedrohten Jobs stieg im ersten Halbjahr 2019 deutlich an. Mit rund 120 000 gefährdeten Stellen lag sie um gut elf Prozent über dem Vorjahresniveau. Verantwortlich dafür seien nicht zuletzt einige Großinsolvenzen – etwa beim Modehändler Gerry Weber oder der Fluggesellschaft Germania, berichtete Creditreform.