



Pforzheim. Der konventionelle Goldabbau ist für Mensch und Natur verheerend. Doch es gibt Alternativen, die eine zunehmende Nachfrage verzeichnen.
Christian Guthmann trägt eine dunkle Brille, einen beigen Rollkragenpullover, das braune Haar hängt locker zur Seite. An der linken Hand fällt der markante Ring auf, bei dem der Betrachter sofort weiß: Das ist ein Goldschmied. Er führt die Schmuckmanufaktur Martin Guthmann in der Kronprinzenstraße 30 bereits in vierter Generation. Zu Spitzenzeiten arbeiteten im Betrieb 80 Mitarbeiter. Wie die ganze Schmuckindustrie in Pforzheim erlebte auch die Manufaktur Guthmann in den 90er-Jahren einen herben Einschnitt. Die Zahl schrumpfte auf heute sieben feste Mitarbeiter. Dennoch sieht der 51-Jährige seine Heimatstadt als lebendige Goldschmiedestadt. „Die Schmuckbranche ist nicht tot. Sie hat sich nur verändert.“
Das chemische Element Nummer 79 im Periodensystem übt seit seiner Entdeckung eine Faszination auf die Menschheit aus. Gold ist selten, weich und unzerstörbar. Doch der schöne Glanz trügt. Nicht wenige wissen nämlich, dass Gold auch seine Schattenseiten hat.
Einer, der sie kennt, ist Thomas Siepelmeyer. Der Geologe gilt als Pionier in Sachen nachhaltiges Gold in Deutschland. Vor rund 20 Jahren gründete er in Münster die Organisation Fair Trade in Gems and Jewelry. Das Ziel: den fairen Handel mit Edelmetallen und Edelsteinen zu etablieren. Weltweit werde ein großer Aufwand betrieben, um Gold zu schürfen. Das Edelmetall kommt im Erdreich nicht in Nugget-Form vor. Sondern als Mikropartikel, die im Quarz eingeschlossen sind. Dieses feste Gestein muss zunächst aufgebrochen werden. Beim Großbergbau wird Zyanid, ein Salz der hochgiftigen Blausäure, eingesetzt. Beim Kleinbergbau, von dem weltweit laut Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe 20 Millionen Menschen leben, ist es Quecksilber. Das ist verheerend für Mensch und Natur, so der Vorwurf des Geologen. „Wir haben genug Gold auf der Welt und müssen es nicht so fördern, dass dabei Landschaften zerstört werden“, sagt Siepelmeyer.
Aus diesem Grund zahle seine Organisation, die die Genossenschaft EcoAndina in Argentinien betreibt, den Bergleuten für ihre Erzeugnisse rund 110 Prozent des jeweiligen Weltmarktpreises. „Normalerweise würden sie nur 90 Prozent erhalten. Wir zahlen mehr, weil wir ihre harte, aber trotz allem umweltfreundliche Arbeit anerkennen“, so Siepelmeyer.
Nachhaltiger Konsum hat sich bei Kaffee, Schokolade und Kleidung seit vielen Jahren durchgesetzt. Rund 1,3 Milliarden Euro Umsatz wurden 2017 durch den Verkauf von Fairtrade-Produkten erzielt. Zum Vergleich: Zehn Jahre zuvor waren es gerade mal 142 Millionen Euro. Im Goldsektor gibt es noch viel Luft nach oben. Der Markt ist vergleichsweise klein, sagt Siepelmeyer. Aber er wächst. Der Grund: In Deutschland gibt es keine einheitliche Zertifizierung. „Doch das ist nicht schlimm. Wichtig ist, dass Händler eine offene Kommunikation über die Herkunft des Goldes führen.“ Als Kunde müsse man eben genauer hinschauen. Dennoch könne auch auf die Goldindustrie Einfluss genommen werden. „Verbraucher haben viel Macht. Ihnen ist sie oft nur nicht bewusst“, sagt Siepelmeyer. Es seien vor allem junge Menschen, die Hochzeitsvorbereitungen treffen, die sich für faires Gold entscheiden. „Sie wollen ihre Ehe nicht mit ‚dreckigem Gold‘ schließen, deshalb investieren sie lieber 200 Euro mehr und kaufen Ringe aus nachhaltiger Produktion.“
Diese Beobachtung unterstützen zahlreiche Studien, die besagen, dass gerade die Generation Y eine deutlich höhere Erwartung an Firmen hat, deren Produkte sie konsumieren. 75 Prozent der deutschen Verbraucher erwarten laut einer aktuellen Studie der Havas Media Group, dass sich Marken aktiv an Lösungen für soziale und ökologische Probleme beteiligen, und eine klare Haltung einnehmen müssen.
Auch Guthmann bestätigt diesen Trend. „Es gibt eine Nische, die sich dafür interessiert, unter welchen Umständen der Schmuck hergestellt wurde.“ Er ist überzeugt, dass gerade der Standort Pforzheim auch ein Argument sein kann: „Jeder Hersteller, der hier produziert und nicht importiert, schon aufgrund der Gesetzeslage und der Eigeninitiative, hat sich angewöhnt, umweltbewusst zu denken und zu handeln.“
Das grüne Gold entdeckte der Goldschmied durch die Spezialisierung, als die Herstellung von Massenschmuck nicht mehr funktionierte. „Mir ging es um das Konzept, etwas mit Gold zu machen, das auf saubere Art gewonnen wurde – ohne Chemie, ganz mechanisch.“ Den entsprechenden Hinweis gab ihm der Geologe Siepelmeyer, den er bereits viele Jahre kennt. Denn in allen Flüssen findet sich etwas Gold. „Nur ist es so wenig, dass die Gewinnung teurer ist, als der Wert des Goldes auf dem Weltmarkt.“ Aus wirtschaftlicher Sicht macht es wenig Sinn. „Es ist aber eine schöne Vorstellung, dass das Gold aus heimischen Gewässern ist. Auch wissen wir, dass es in Deutschland zu keiner Vergiftung durch Chemikalien kommt.“
Das Gold bei Guthmann stammt nämlich aus der Eder. Dort gibt es ein Kieswerk, das als Nebenprodukt der Kiesgewinnung Gold hervorbringt. Als Schmuck entsteht bei ihm ein Anhänger, in Form des alchimistischen Sonnen- und Goldsymbols.
Die gesamte Kollektion stellt Guthamnn aus diesem Material aber nicht her. Hauptsächlich bezieht der Goldschmied seine Rohstoffe von der Allgemeine Gold- und Silberscheideanstalt AG (Agosi) in Pforzheim – aus Tradition, wie er sagt. Auch die kurzen Wege haben Vorteile: „Ich kann mein Altgold, meine Feilen, Späne hinfahren und muss sie nicht erst verschicken.“
Faires Gold als Investment
Agosi ist laut der Fachvereinigung Edelmetalle eine von rund 20 Scheideanstalten in Deutschland. In der Goldlieferkette nehmen sie eine zentrale Rolle ein. Sie beziehen die Rohstoffe von Großhändlern, arbeiten es auf und verkaufen die Ware an andere Akteure weiter. Der Fokus liegt dabei auf Recycling, weil es zum Nachhaltigkeitskonzept gehöre. Der Bezug von Primärgold, also aus dem Bergbau, gehöre dagegen nicht zum Geschäftskonzept. „Agosi nutzt für die Weiterverarbeitung ausschließlich Edelmetalle aus Sekundärgewinnung“, so das Unternehmen.
Auch Guthmann stimmt dem zu: „Letztendlich ist das schönste für den Planeten das recycelte Gold.“ Denn in der Schmuckherrstellung bleiben die Ressourcen im Kreislauf, „keiner wirft Gold einfach weg“.
Es ist nicht nur die Zerstörung der Umwelt, die Goldgewinnung schmutzig macht. Auch Geldwäsche, Kinderarbeit und Verletzung der Menschenrechte sind Begleiterscheinungen. Die größte Organisation Responsible Jewellery Council (RJC) hat sich zum Ziel gesetzt, all das aus der Lieferkette auszuschließen. Juweliere, Banken und Scheideanstalten sind Mitglieder – auch seit 2009 Agosi.
Es sei eine logische Konsequenz gewesen. Dem Unternehmen sei es wichtig gewesen, nicht nur die gesetzlichen Mindeststandards zu erfüllen, so die Sprecherin Jutta Bischoff. Verarbeitet werden ausschließlich Edelmetalle aus Sekundärgewinnung. Darunter fallen alter Schmuck, Zahngold und Elektronikschrott.
Auch die London Bullion Market Association (LBMA, London) prüft Agosi als akkreditierten Hersteller von Investmentprodukten daraufhin, ob die Umwelt- und Ethikstandards der OECD durch den Edelmetallbetrieb eingehalten werden.
Nachhaltiges Gold spielt im Investmentbereich allerdings noch eine unbedeutende Rolle. In Deutschland werden Fairtrade-Goldbarren etwa in einer ein Gramm- und einer fünf Gramm-Ausgabe von der Scheideanstalt ESG Edelmetalle angeboten. Das Gold für die Barren stammt aus Peru und wird von der Schweizer Scheideanstalt Argor-Heraeus geprägt und anschließend von ESG gehandelt.
Einer der größten Goldhändler in Deutschland ist die Sparkasse Pforzheim Calw. Auch sie ist Mitglied im RJC. Und das hat einen Grund: „Unsere Kunden aus der Schmuckindustrie, die bei uns Gold kaufen, fordern eine nachgewiesen saubere Lieferkette“, sagt Hans Neuweiler, stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes.
Privatkunden, die in Münzen und Barren investieren, fragen eher selten nach der Herkunft, sagt Neuweiler. Deshalb biete das Finanzinstitut kein explizit Fairtrade zertifiziertes Gold an. „Das Gold, welches von uns angeboten wird, stammt hauptsächlich aus dem Recycling von regionalen Scheideanstalten, die Altgold aufarbeiten und kein Minenmaterial verwenden.“ Ein Preisaufschlag aufgrund der RJC-Zertifizierung werde nicht erhoben. Und dennoch: in den vergangenen Jahren sei ein steigendes Interesse an ethisch-ökologischen Geldanlagen nicht von der Hand zu weisen.