
Drohende Zahlungsunfähigkeit: Microtherm rutscht in die Insolvenz
Pforzheim. Mitten in der Corona-Pandemie meldet eine Pforzheimer Traditionsfirma Insolvenz an: Microtherm mit Hauptsitzsitz in Pforzheim-Würm. Am Donnerstagmorgen wurde ein entsprechender Antrag beim Amtsgericht Pforzheim gestellt, teilen die IG Metall Pforzheim und die Kanzlei Hoefer Schmidt-Thieme mit.
Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde der Rechtsanwalt Marc Schmidt-Thieme bestellt. „Zuerst werden die Hausaufgaben gemacht“, sagt der Sanierungsexperte. Im nächsten Schritt sollen zusammen mit den Mitarbeitern und der Geschäftsführung eine Fortführungslösung erarbeitet und potenzielle Investoren angesprochen werden. Der Betrieb läuft vorerst weiter – gestützt auf eine gute Auftragslage, heißt es.
Warum kam es dennoch zum Insolvenzantrag? Den Geschäftsführern Karlheinz Gruber und Tina Katalin Szodfridt zufolge gab die Corona-Krise letztlich den Ausschlag: „Wir waren gerade dabei, zu investieren und unser Geschäftsmodell an neue Wachstumsfelder wie E-Mobilität anzupassen, als uns die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise in Europa trafen. Dadurch ist absehbar, dass kurzfristig Umsätze und Liquiditätsbeiträge, die wir dringend benötigt hätten, wegfallen werden. Insgesamt überfordert so der Finanzbedarf unsere Refinanzierungsmöglichkeiten, so dass uns nun die Zahlungsunfähigkeit drohte“, sagt Szodfridt.
Und die wurde laut Schmidt-Thieme recht früh erkannt. „Ich sehe nach meinen ersten Eindrücken gute Chancen für eine Sanierung“, urteilt er. „Jetzt wollen wir mit der Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes für die Mitarbeiter die Voraussetzung für die weitere Betriebsfortführung schaffen. Wir können dann den vollen Insolvenzgeldzeitraum bis Ende Juni nutzen, um eine dauerhafte Fortführungslösung zu finden.“
KfW-Kredite kamen im Falle von Microtherm nicht infrage, berichtet Schmidt-Thieme. Diese werden nicht vergeben, wenn Probleme bereits vor der Pandemie vorlagen. Auch sonst seien sie keine gute Alternative – „Kredite müssen schließlich irgendwann zurückgezahlt werden.“
Der Gewerkschaftssekretär und Sprecher der IG Metall Pforzheim, Arno Rastetter, zeigt sich über den Insolvenzantrag verärgert. Noch im vergangenen Jahr habe man einen „Zukunftssicherungstarifvertrag“ abgeschlossen, mit dem die Beschäftigten sowohl auf die Zahlung des Weihnachtsgelds als auch auf den Zusatzbetrag des tariflichen Zusatzgelds von 400 Euro verzichtet hätten, um so die Beschäftigung bis Ende 2020 zu sichern und betriebsbedingte Kündigungen auszuschließen. Mit dem Insolvenzantrag sei nun der Tarifvertrag obsolet, so Rastetter.
Gegründet 1965, produziert Microtherm Anwendungen im Bereich von Temperaturschaltern, Sicherungen und Sensortechnik für die Automobil-, Elektro-, Elektronikindustrie und die Haushaltstechnik. Das Unternehmen stellte sich schon früh international auf und unterhält Produktionsstandorte in Deutschland, Tschechien, China und Kanada. Hinzu kommen Vertriebsstandorte in Italien, Indien sowie Brasilien. Wurden 2010 weltweit rund 800 Mitarbeiter beschäftigt, sind es heute etwa 200, davon 50 Angestellte in Pforzheim.
Gesellschafter der Firma ist die bekannte Pforzheimer Unternehmerfamilie Beckmann. Ihnen gehört auch die insolvente Firma Victor Rehm. Für sie wurde im Februar eine Lösung intensiv verhandelt, die zumindest eine teilweise Fortführung ermöglichen soll.