Industrie trifft Hochschule: Praktische Demonstration des Funkenflugs beim Anschleifen von Metall. Marschner-Schulze
Spezialist für Metallrecycling ist das Pforzheimer Traditionsunternehmen Agosi – hier das Umschlagzentrum am Güterbahnhof.
Wirtschaft
Hochschule und Wirtschaft kooperieren beim Thema Recycling
  • Lothar H. Neff

Amika ist keine neue Frauenzeitschrift und der funkelnde Lichtschweif im Hörsaal der Hochschule Pforzheim kein Komet. Vielmehr geht es um Schrott. Was sich überaus profan anhört, ist eine Herzensangelegenheit der am Forschungsprojekt „Amika“ beteiligten Wissenschafter und Unternehmen. Es soll die Versorgungssicherheit der baden-württembergischen Industrie stärken, wie Professor Kai Oßwald bei der gut besuchten Veranstaltung „Industrie trifft Hochschule“ der Präzisionstechnik-Initiative Hochform erläuterte.

Schrott ist nämlich alles andere als wertlos. Für ein rohstoffarmes Land wie die Bundesrepublik seien die fliegenden und fahrenden Wertstoffspeicher (Flugzeuge, Bahnen und Autos) überaus wertvoll. Amika steht für Automatisierte Identifikation von Metallen in der Kreislaufwirtschaft. Das Image des Recyclings habe sich deutlich verbessert, wie Professor Jörg Wiodasky ausführte. „Vor 25 Jahren musste ein typischer Schrotthändler ein ungepflegtes Äußeres, einen schlechten Leumund und einen scharfen Schäferhund haben.“ So weit zum Vorurteil. Er selbst habe einen braven Labrador, gestand Woidasky. Auch die Schrottplätze von einst hätten sich total gewandelt.

Was Vorurteile und verfehlte Prognosen angeht, kennt sich auch Professor Matthias Weyer aus. Er erinnerte daran, dass die Menschen 1885 glaubten, dass London hundert Jahre später unter dem Mist der dort gehaltenen Pferde ersticken würde. Ganz real aber sei der wachsende Rohstoffbedarf – ein „Zig-Milliarden-Dollar-Markt“, so der Dekan der Hochschule Pforzheim. Allein der Kupferbedarf für die additive Fertigung in 3-D-Druckern werde von aktuell 46 auf 9500 Tonnen im Jahr 2035 steigen. Im Bereich der RFID-Technik (berührungslose Identifikation) würden statt 162 künftig 10 800 Tonnen Kupfer etwa für Funk-Etiketten benötigt. Vom steigenden Bedarf an seltenen Erden gar nicht zu sprechen. Recycelfähige Rohstoffe gibt es genug: Ein Auto bestehe zu rund 60 Prozent aus Stahl, so Weyer.

Bis auf Australien ist die Cronimet-Gruppe auf allen Kontinenten vertreten, wie Martin Geisler erläuterte. Als Großhändler ist Cronimet natürlich an der sortenreinen Trennung von Metallen interessiert und am Amika-Forschungsprogramm als Partner des Landes Baden-Württemberg beteiligt. Wie Christian Graf vom Wirtschaftsministerium ausführte, laufen derzeit landesweit insgesamt 29 Forschungsvorhaben mit 100 beteiligten Unternehmen.

Weltweit wird ungefähr die Hälfte aller verbrauchten Materialien aus dem Recycling gewonnen. Der Schrottberg in Europa umfasst 90 bis 100 Millionen Tonnen, erklärte Professor Woidasky. Darunter seien lediglich 250 000 Tonnen hochwertige Stähle. Eine konkrete Anforderung ist die sichere Erkennung und Quantifizierung von Legierungselementen im Altmetall. Dazu zählen beispielsweise Chrom, Nickel und Wolfram. Diese Stoffe müssen schnell und sicher identifiziert werden. Bisherige manuelle Verfahren sind zeitaufwendig. Oftmals kommt dabei noch der Leipziger Schleiffunkenatlas aus dem Jahr 1961 zum Einsatz, der es dem geschulten Auge ermöglicht, aus der Farbe und der Form der Funkenbildung Rückschlüsse auf die Art des bearbeiteten Schrotts zu ziehen. Zurück geht dieses Verfahren auf Gerhart Tschorn. Von 1935 bis 1945 war er Leiter der Abteilung Werkstoffprüfung und Abnahme der Junkers-Werke Magdeburg.

Tschorn wurde 1947 Chefingenieur des sowjetischen Marineministeriums. Sein Wirken war auf die Entwicklung und industrielle Einführung moderner Werkstoffprüfverfahren, vor allem im Bereich der Gießerei- und Schmiedeindustrie, ausgerichtet.