
Wie es dazu kam, liest sich wie die Geschichte eines heutigen Start-uppers: Als junger Galvanotechniker mit Auszeichnung arbeitete er erfolgreich bei Doduco in Pforzheim, zog dort eine komplette Abteilung hoch – bis ein Wechsel im Unternehmensbesitz ihn unglücklich machte. Er stand also vor der Frage: Gehen oder sich selbstständig machen. Ingo Müller wählte Letzteres. In einer Doppelgarage fing er mit seiner Frau Christel die Reise an.
Wie schwer dieser anfängliche Weg war, erzählt der 84-Jährige bei der großen Firmen-Gala vergangenen Samstag im Karlsruher Kongresszentrum. „Wir haben damals ein Haus gekauft, die finanziellen Mittel waren also gebunden“, erinnert er sich auf der Bühne. Von der Bank habe das Duo nichts erhalten. „Um eine Rolle Kupferdraht zu bekommen, brauchten wir Bürgschaften. Später war es kein Problem mehr.“ Man kommt nicht umhin, zu denken: Hier steht ein ganz Bescheidener, der mit Humor auch mal die Moderatorin des Abends korrigiert, wenn ein Fakt falsch ist, – und damit Lacher der 850 Gäste kassiert. Er ist halt ein „Cleverle“ und „Motivator“, wie Wiestaw Kramski in seiner Laudatio sagt. Der Wegbegleiter und Freund der Familie Müller teilt einige Anekdoten – von Wetten bei Golfspielen bis hin zum einschneidenden Erlebnis in der IMO-Firmengeschichte.

Es ist der 30. April 1999. Ein verheerender Großbrand vernichtete die Galvanik, das Herzstück der Firma. Die Familie Müller und die damals 130 Mitarbeiter stehen vor einer großen Herausforderung. Und da sagt Kramski zu seinem Freund: „Sei froh, dass der Brand da war. Jetzt kannst du eine neue Firma aufbauen – und die Versicherung zahlt mit.“ So kam es auch. Im Jahr 2000 wird das neue Technologiezentrum für Oberflächentechnik in Betrieb genommen.
Einen nicht unwesentlichen Anteil am Erfolg der Unternehmung hatte Christel Müller: „Meine Frau hat dafür gesorgt, dass Rechnungen geschrieben werden, wir haben uns sehr gut ergänzt“, sagt Ingo Müller. Er tüftelt während dieser Zeit an einer Innovation, die IMO zum Pionier in der Branche machen wird: die Bandgalvanik. Das sind lange Anlagen, bei denen im Durchlaufverfahren Stanzbänder und gegurtete Ware wie Kontaktteile an den Oberflächen galvanisch beschichtet werden. Führend ist IMO beispielsweise in der Spottechnik. Hierbei wird die Goldbeschichtung punktuell auf dem Bauteil aufgebracht.

Einer, der diese Innovationen im Unternehmen vorantrieb, ist Sohn Bernd Müller. Früh arbeitete er im elterlichen Betrieb mit, finanzierte sich so sein Mofa, und übernahm 2005 das Ruder der Firmengruppe. „Heute sind wir Marktführer in Europa“, sagt der 63-Jährige auf der Bühne, sichtlich gerührt. Denn ohne das Team wäre dies nicht möglich gewesen. „Sie sind mit uns durch Höhen und Tiefen gegangen“, sagt er eingangs. In den Händen hält er ein roteingepacktes Bild, das er mit Augenzwinkern präsentiert: „Das ist für euch: Es ist kein Picasso, aber es kommt vom Herzen.“ Zu sehen: ein rotes Herz auf blauem Hintergrund.
Dieses Bekenntnis geht an die 500 Mitarbeiter, ihre Familien, aber auch Kunden und Lieferanten, die an diesem festlichen Abend das goldene Jubiläum gemeinsam feiern. Es wird ein fulminantes Programm, das seines Gleichen sucht: Saxofonistinnen, die die Gäste in Schwung bringen, Artisten, die waghalsige Sprünge wagen, ein Kabarettist, dessen Pointen kein Pardon kennen, eine Lichtshow, die futuristisch strahlt, und Schlagzeuger, die mit Drumsticks das Publikum mitreißen. Die Krone oder besser gesagt die Häkelmütze setzt DJ Ötzi mit seinem Auftritt drauf. Bis drei Uhr morgens feiern die Gäste ausgelassen – ob auf der Tanzfläche oder schlürfend an der Cocktailbar.

Gleichzeitig wird an diesem Abend auch für den guten Zweck getrommelt, denn das Unternehmen rief statt für Jubiläumsgeschenke zu Spenden auf – für die Lebenshilfe Pforzheim Enzkreis, den ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst Sterneninsel und das christliche Hospiz Pforzheim/Enzkreis. Dem Aufruf folgen viele Gäste: Rund 30000 Euro kommen zusammen. Im Nachgang legte die Geschäftsführung noch eine großzügige Summe obendrauf, so dass in Kürze eine Spende in Höhe von 50000 Euro überreicht wird.
Es passt also, wenn Handwerkspräsident Joachim Wohlfeil bei der Übergabe der Ehrenurkunde an Ingo und Bernd Müller bemerkt: „Sie denken an Ihre Heimat und Ihre Mitarbeiter. Diese Gala macht Mut.“ Und das in einer Zeit, in der die negativen Schlagzeilen überwiegen, die Wirtschaft nur mühselig aus der Rezession kommt. Denn auch IMO steht vor Herausforderungen: Die Galvanik ist sehr energieintensiv. „Umweltfreundliche Energiekonzepte werden in den kommenden Jahren der Schlüssel zum Erfolg sein“, sagt Thomas P. Henle (60), der seit 2021 Teil der Geschäftsführung ist.

Doch IMO hat einen Plan: Das Erfolgsrezept heißt nämlich Familie, sagt Henle. „Vom Azubi über den Facharbeiter bis zur Geschäftsführung herrscht ein besonderes Betriebsklima und alle sind mit eingebunden.“ Auch die dritte Generation packt an. Die Söhne Armin (36) und Kay (34) Müller durchliefen eine Ausbildung im Betrieb und prägen heute in der Verwaltung wie in der Produktion das Unternehmen. IMO zeigt also, dass das Bonmot von Bismarck – „Die erste Generation schafft das Vermögen, die zweite verwaltet, die dritte studiert Kunstgeschichte“ – nicht immer stimmt.