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Aufgrund von massiven Umsatzeinbrüchen hat sich sich die Geschäftsführung von Herbert Richter entschlossen, den Betrieb im Pforzheimer Stadtteil Büchenbronn aufzugeben.  Foto: PZ-Archiv/Privat 

Pforzheimer Traditionsunternehmen gibt Geschäftsbetrieb auf: Herbert Richter schließt

Pforzheim. Am Montag hat die Geschäftsführung der Firma Herbert Richter in Pforzheim-Büchenbronn bekannt gegeben, den Betrieb bis zum 30. April 2020 stillzulegen. Den mehr als 100 Mitarbeitern wurde im Rahmen einer Informationsveranstaltung die Kündigung – unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfristen sowie der gesetzlichen Bestimmungen – übergeben, heißt es in einer Pressemitteilung des Traditionsunternehmens. „Diese schmerzliche Entscheidung musste getroffen werden, da das Unternehmen auf Dauer im internationalen Wettbewerb nicht bestehen kann.“

Das Unternehmen wurde 1956 von Herbert Richter in Bad Wildbad gegründet. Ein Jahr später erfolgte bereits der Umzug nach Büchenbronn in die damalige Schwarzwaldstraße (nun Waldschulstraße) und 1972 in das seinerzeit neu ausgewiesene Industriegebiet und den jetzigen Geschäftssitz an der Birkenfelder Straße.

Die Firma Herbert Richter stellt Universal Autozubehör wie Befestigungssysteme für Smartphones, Tablets und Navigationssysteme her und vertreibt diese weltweit. „Nach dem Boom im Bereich der mobilen Navigation in den Jahren 2004 bis 2007 ist der Umsatz massiv eingebrochen“, heißt es in der Presseerklärung weiter. Im Jahr 2011 übernahm Harald Richter das Unternehmen, nachdem dessen Vater Herbert Richter im Mai 2011 verstorben war.

Niedriglöhne in China

Bereits im Jahr 2012 musste das Pforzheimer Unternehmen mehr als 30 Arbeitsplätze abbauen, da der Wettbewerb aus China massiv zunahm und dadurch Marktanteile verloren gingen. „Aufgrund der in China bezahlten Löhne, die teilweise 80 bis 90 Prozent unter dem deutschen Lohnniveau liegen, war es dem Handel möglich, vergleichbare Produkte weit unter den Herstellkosten der Firma Herbert Richter zu importieren,“ erläutert Harald Richter. Seit 2011 sei der Absatz an den deutschen und europäischen stationären Einzelhandel kontinuierlich zurückgegangen. Der Onlinehandel, hauptsächlich über Amazon und eBay, nahm hingegen bis 2016 zu. Seit 2017 brachen bei Herbert Richter die Umsätze im Onlinebereich ebenso ein, da es die Handelsmarktplätze den chinesischen Anbietern ermöglichten, ihre Produkte zu chinesischen Herstellerpreisen direkt an den deutschen Endverbraucher zu liefern, heißt es in der Mitteilung des Unternehmens. Neben Amazon und eBay – die ihren Geschäftssitz in Deutschland und Europa haben– seien in den vergangenen Jahren Marktplätze wie zum Beispiel Alibaba, Ali Express, Wish, Gear Best, DH Gate und Bang Good entstanden. Auf diesen Handelsplätzen würden Produkte (die teilweise nicht den europäischen Normen entsprechen) und zahlreiche Kopien von Produkten der Firma Richter zu Preisen angeboten, zu denen hier in Deutschland nicht einmal das Rohmaterial eingekauft werden könnte, klagte Harald Richter im intensiven Dialog mit der Politik. Aufgrund von Verträgen des Weltpostvereins aus dem vorigen Jahrhundert gelte China immer noch als Entwicklungsland. „Die Versandkosten aus China nach Europa sind um ein Vielfaches günstiger wie innerhalb Deutschlands. Warensendungen unter einem Warenwert von 22 Euro sind zollfrei.“

Importe ohne Prüfsiegel

EU-Normen (wie etwa RoHs, Reach), Sicherheitsbestimmungen (wie VDE), gesetzliche Garantiebestimmungen und Verbraucherschutz sowie Kosten für den Verpackungsabfall und die Entsorgung defekter Produkte müssten zwar von europäischen Herstellern und Distributoren beachtetet werden, aber es gebe „Direktversand-Anbieter“ aus China, die die europäischen Güte- und Prüfsiegel nicht vorweisen, so Richter.

In den vergangenen zwölf Monaten habe eine speziell eingerichtete Stabsstelle im Hause Herbert Richter mehrere Tausend Raubkopien bei diversen Handelsplattformen entweder direkt oder über ihren Patentanwalt zur Löschung beantragt. „Wenn Angebote gelöscht werden, sind diese allerdings nach spätestens zwei bis drei Wochen wieder anderweitig online“, weiß Harald Richter. Schutzrechte anzumelden und diese zu verteidigen sei ein in der Praxis aussichtsloser Kampf, da die meisten Anbieter außerhalb Europas ihren Sitz hätten und die Zahl der Schutzrechtsverletzungen zu groß für ein mittelständisches Unternehmen sei. „Mehrere 100 Millionen Postsendungen überfluten Europa jedes Jahr und zerstören aufgrund der ungleichen Wettbewerbsbedingungen, letztlich die hiesigen Arbeitsplätze.“

Die Bundesregierung kenne diese Probleme bis ins Detail, habe aber kaum etwas dagegen unternommen, da China ein wichtiger Absatzmarkt sei. Deutschland verliere hierdurch nicht nur Zölle und Mehrwertsteuer, sondern auch Einkommens- und Lohnsteuern. Die Gewinne entstünden zukünftig in China und nicht mehr in Deutschland. „Neben den vielen Einzelhändlern in der Region ist auch die Firma Herbert Richter mit ihren zahlreichen Arbeitsplätzen ein Opfer der Globalisierung und der ‚Geiz-ist-Geil-Mentalität‘ geworden“, heißt es in der Pressemitteilung.

Thomas Satinsky

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Lothar Neff

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