Thomas Rudel nimmt kein Blatt vor den Mund.
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Rutronik-Chef Thomas Rudel (von rechts) und PR-Referent Sebastian Hör im Gespräch mit dem geschäftsführenden Verleger Thomas Satinsky und PZ-Wirtschaftsredakteur Lothar Neff.
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Wirtschaft
Rutronik knackt Umsatzmilliarde: Ispringer Familienunternehmen in Europa auf Platz drei
  • Lothar H. Neff und Thomas SatInsky

Ispringen. Es begann 1973 in einer Garage in Ispringen: Helmut Rudel gründete die Firma Rutronik. Aus dem „Ein-Mann-Betrieb“ ist längst einer der führenden Distributoren für elektronische Bauelemente geworden. Rutronik beschäftigt heute weltweit über 1700 Mitarbeiter und belegt weltweit Rang elf. Erstmals wurde im vergangenen Jahr die Umsatzmarke von einer Milliarde Euro übertroffen, wie Thomas Rudel, Vorsitzender der Geschäftsführung, in einem Gespräch mit der PZ erläuterte.

100 Milliarden Teile wurden 2018 an Kunden über das weltweite Vertriebsnetz ausgeliefert. Ziel sei eine Verdopplung des Umsatzes in den kommenden sieben Jahren.

Das Produktportfolio umfasst Halbleiter, passive und elektromechanische Bauelemente sowie Embedded Boards, Displays und Wireless-Produkte. Die Zielmärkte sind vorrangig Automotive, Medizintechnik, Industriebedarf, Smart Home und Energietechnik. Rutronik agiert von Ispringen aus als unabhängiges, inhabergeführtes Familienunternehmen.

„Wir sind sehr stolz auf das Erreichte. Dieser Erfolg war natürlich nur durch die außergewöhnliche Leistung unserer Mitarbeiter weltweit möglich.“ Dass Rutronik diesen Erfolg erzielen konnte, hat mehrere Ursachen: Der Markt der elektronischen Bauelemente wuchs in den vergangenen Jahren im einstelligen Bereich. „Wir sind in verschiedenen Bereichen sogar schneller gewachsen als unsere Wettbewerber.“

Ein weiterer Aspekt sei die wirtschaftliche Unabhängigkeit: „Als Familienunternehmen können wir Entscheidungen schnell treffen – das macht uns außergewöhnlich flexibel.“ Mit einem dichten Netzwerk von Vertriebsbüros ist Rutronik in Europa flächendeckend präsent.

Die Tochtergesellschaft Rutronik Inc. bedient den nordamerikanischen Markt, die asiatischen Tochtergesellschaften in acht Ländern (China, Hongkong, Taiwan, Indien, Indonesien, Malaysia, Singapur und Thailand) stehen den Kunden in Asien zur Verfügung.

Viele der Probleme in Deutschland sind doch hausgemacht?

„Ich habe schon mehrfach gesagt, dass der schädliche Einfluss von Dieselfahrzeugen auf das Klima und die Gesundheit überzogen dargestellt wird. Zur Einordnung: Die 15 größten Containerschiffe der Welt stoßen so viele Schadstoffe aus wie 750 Millionen Autos. Dieses Problem kann man nur weltweit angehen. „Der Diesel ist nicht der Dämon, der allein die Welt in den Abgrund des Klimawandels stößt – aber genau so wird es oft dargestellt.“

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Dieselkampagne seien bereits bei den Abnehmern von Rutronik spürbar, sagt Rudel. Die Abrufzahlen von speziellen Bauteilen bei den großen Automobilzulieferern gehen zurück.

„Die E-Mobilität ist eine zukunftsfähige Alternative, aber man darf nicht blauäugig sein. Wer die E-Mobilität für das Allheilmittel hält, sollte sich bewusstmachen, dass zunächst eine Energieinfrastruktur vorhanden sein muss, die den Anforderungen der Technologie genügt. Das wird erst in 15 bis 20 Jahren der Fall sein. Zudem kommt hinsichtlich der Entsorgung der hochgiftigen Batterien ein weiteres Problem auf uns zu. Auch der massenhafte Alltagsbetrieb berge Gefahren.

Was gilt es zu beachten?

Liefersituation, Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes, Elektromobilität: Die Themen, die die Branche umtreiben, sind vielfältig. Bedingungen, die sich stetig verändern, verlangen von Unternehmen, schnell und flexibel zu reagieren. Rutronik, drittgrößter Distributor in Europa, sei das bislang gut gelungen. Doch die politischen Rahmenbedingungen sind Rudel ein Dorn im Auge: Deutschland habe enormen Nachholbedarf bei der digitalen und der gesamten Infrastruktur. „Das ist bei uns eher Steinzeit.“ Dazu komme die hohe steuerliche und regulatorische Belastung der Unternehmen. „Die neue Erbschaftssteuer wird vielen Familienunternehmen das Genick brechen“, sagt Rudel. Ohnehin seien 90 Prozent der Wettbewerber von Rutronik amerikanische Konzerne. Auch die Herstellung der elektronischen Bauteile liege zu 80 Prozent in amerikanischer Hand.

Wie sieht es mit der Verfügbarkeit von Fachkräften aus?

„Für uns ist es gerade in Zeiten des Fachkräftemangels sehr wichtig, qualifizierte, motivierte Mitarbeiter zu gewinnen – vom Auszubildenden über Berufseinsteiger bis hin zur erfahrenen Fachkraft. Um bei potenziellen Interessenten noch sichtbarer zu werden und uns vom Wettbewerb abzuheben, haben wir das neue Karriereportal rutronik-careers.com gestartet.

Berufsanfänger können sich mit wenigen Klicks einen Einblick in die Distributionsbranche und die Produktgruppen verschaffen, die wir vertreiben. Wir wollen ein glaubwürdiges Bild unseres Unternehmens vermitteln, deshalb gibt es unter der Rubrik „Stories“ Videos, in denen Rutronik-Mitarbeiter ihren Arbeitsalltag schildern.

Mit der Erschließung des asiatischen Marktes und des nordamerikanischen Marktes hat sich Rutronik frühzeitig den Herausforderungen eines globalen Unternehmens gestellt. Heute hat Rutronik rund 100 Mitarbeiter in sechs Büros in China, Taiwan und Thailand. Neu ist der Sitz in Singapur.