Weltmarktführer für flexible metallische Elemente: Jakob Kurz arbeitet im neuen Werk Buchbusch der Pforzheimer Unternehmensgruppe Witzenmann. Foto: Ketterl
Wirtschaft
Schweiz hängt Deutschland ab: Familienunternehmen sind das Rückgrat der deutschen Wirtschaft
  • Matthias Arnold und Lothar Neff

München/Pforzheim. Gäbe es die gute Konjunktur nicht, hätten es deutsche Familienunternehmen einer neuen Studie zufolge schwer. Im internationalen Vergleich habe die Bundesrepublik bei den Standortbedingungen für Betriebe nachgelassen.

Zu diesem Schluss kommt der aktuelle „Länderindex Familienunternehmen“, den die Mannheimer Stiftung Familienunternehmen gestern vorgelegt hat.

In ihrem Auftrag hat das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) 21 Industrienationen auf Standortfaktoren für Unternehmen untersucht. Darunter fallen Aspekte wie Steuern, Arbeitskosten und Regulierung, aber auch Rechtssicherheit und Korruption. Deutschland landet dabei im unteren Mittelfeld auf Rang 16 – vier Plätze schlechter als bei der vorigen Erhebung für den Index vor zwei Jahren. Die Plätze 1, 2 und 3 gehen in der Studie an die Schweiz, Großbritannien und die USA. Die Folgen des Brexit seien derzeit noch hochgradig spekulativ. Das Schlusslicht im Ranking bildet Italien.

„Anderswo werden Investoren deutlich besser unterstützt“, glaubt Andreas Kämpfe, Vorsitzender der Geschäftsführung der Pforzheimer Witzenmann-Gruppe. „Was die Infrastruktur, Lohnkosten und die Steuerbelastung angeht, gibt es für Neuansiedlungen sicherlich attraktivere Standorte als Deutschland.“ Besonders die bürokratischen Auflagen und umfangreiche Dokumentationspflichten sind Kämpfe ein Dorn im Auge. Insofern sei die relativ schwache deutsche Platzierung im Ranking nachvollziehbar.

„Als Familienunternehmen sind wir regional fest verwurzelt, profitieren aber längst von unserer internationalen Ausrichtung“, erläutert Kämpfe. „Wir haben eine hohe Wertschöpfung im Ausland.“ Die Witzenmann-Tochtergesellschaften im Ausland tragen fast 50 Prozent zum Gesamtumsatz der Gruppe bei.

Die Weltlage sei nicht einfacher geworden. „In den USA zeigen die Steuersenkungen von Präsident Trump schon eindeutig Wirkung.“ Das fördere die US-Wirtschaft, gleichzeitig seien die Strafzölle für ausländische Unternehmen spürbar. Der Bundesrepublik konstatieren die Autoren vor allem in den Bereichen Steuern sowie Infrastruktur Defizite aus Sicht der Familienunternehmen. „Deutschland hat im internationalen Vergleich insgesamt erheblich an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt, auch wenn das durch die gute Konjunkturlage verdeckt wird“, teilte Stiftungsvorstand Rainer Kirchdörfer mit. Der Studie zufolge ist die Steuerbelastung für Unternehmen, die im Inland ihre Geschäfte machen, im Vergleich besonders hoch. 89,5 Millionen Euro beträgt hierzulande die jährliche Durchschnittssteuerbelastung pro Familienbetrieb – fast doppelt so viel wie in der Slowakei, die die geringste Steuerbelastung für Firmen mit nationaler Geschäftstätigkeit vorweist (47,4 Millionen).

Mängel sieht die Studie auch bei den Arbeitskosten: 40 Euro kostet die Unternehmen hier im Durchschnitt eine Arbeitsstunde. Nur in vier der untersuchten Länder sind die Kosten noch höher. Der Index berücksichtigt allerdings auch, dass „hohe Arbeitskosten üblicherweise mit einer hohen Produktivität einhergehen“. Dies ist auch in Deutschland der Fall. Die Produktivität einer geleisteten Arbeitsstunde liegt hierzulande im Schnitt bei rund 53 Euro – also deutlich mehr als sie an Kosten verursacht.

Bemerkenswert ist, dass Deutschland auch bei Rechtssicherheit und Korruptionskontrolle nur im mittleren bis oberen Mittelfeld landet. „Die Platzierung beim ethischen Verhalten von Unternehmen fällt dabei deutlich schlechter aus als die Resultate bei den anderen Kennziffern“, schreiben die Autoren. „Vorfälle wie der Diesel-Skandal in der Automobilindustrie dürften dabei eine Rolle spielen.“ Die Korruptionskontrolle im öffentlichen Sektor habe sich hingegen deutlich verbessert.

Das Abschneiden der Bundesrepublik führe jedoch nicht dazu, dass Familienunternehmen nun in großer Zahl ins Ausland flüchten, betont Friedrich Heinemann, Leiter der Studie sowie des Forschungsbereichs Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft am ZEW. „Familienunternehmen sind bodenständige, heimattreue Unternehmen, die längst nicht so mobil sind wie globale Konzerne.“