
- Lothar H. Neff
Pforzheim. Guido Sand ist neugierig. Als Professor für Automatisierungstechnik an der Hochschule Pforzheim stellt er sich zahlreiche Fragen: Wie weit ist die Autonomisierung der Industrie und wo stehen die mittelständischen Unternehmen im Nordschwarzwald? Was ist überhaupt der Unterschied zwischen Automatisierung und Autonomisierung?
Die Antworten präsentierte Sand in den Räumen der Industrie- und Handelskammer (IHK), als er ein Dutzend Unternehmer versammelt hatte, um das Zukunftsthema anzupacken. „Man kann nicht einfach fünf Kilogramm Autonomisierung bestellen“, sagt Professor Sand eingangs. Neuste Technologie und künstliche Intelligenz (KI) müssten dabei angewandt werden, die wiederum ihre Lernfähigkeit durch sich wiederholende industrielle Kreisläufe erwerben. Entscheidend sei – im Gegensatz zur Automatisierung – die Entscheidungsfähigkeit in einem laufenden Produktionsprozess. Gemeinsam verfolgen Hochschule und IHK das Ziel, die Region Pforzheim in Zeiten von Industrie 4.0 und Künstlicher Intelligenz wettbewerbsfähig zu erhalten. Eine neue Form der Kooperation regionaler Unternehmen bietet dabei das Weißbuch-Projekt „Autonomisierung der Produktion“. Unter wissenschaftlicher Federführung der Pforzheimer Fakultät für Technik soll eine wegweisende Schrift zu Technologien, Chancen, Risiken und gemeinsamen Handlungsempfehlungen entstehen. „Noch bis Ende Januar können interessierte Unternehmen dazukommen“, erläuterte Sand im PZ-Gespräch.
Das Weißbuch soll auf Grundlage von praktischen Fallbeispielen aus regionalen Betrieben entstehen. „Fertig wird es wohl erst Mitte 2020 sein“, so Sand.
IHK-Geschäftsführer Markus Wexel lobt das Projekt: „Wir erhoffen uns vom gemeinsamen Erfahrungsaustausch neue innovative aber in der Praxis verankerte Ideen, die wir mithilfe der Hochschule Pforzheim in Form neuer Technologieanwendungen in die Tat umsetzen können. Von unserem gemeinsamen Arbeitsergebnis, nämlich Innovation und Orientierung, profitieren die mitwirkenden Unternehmen unmittelbar. Von dem Weißbuch kann auch der gesamte Mittelstand in der Region einen Nutzen ziehen.“
Das Einbetten der industriellen Beiträge zu einem Buch werden von Professor Guido Sand sowie dessen Forschungsmitarbeiter Pankaj Kohle begleitet. Autonomisierung bedeute demnach, „optimale Entscheidungen in vernetzten Produktionssystemen automatisch zu treffen, und dabei äußere Störeinflüsse auf ein Mindestmaß zu reduzieren“, sagt Sand. Die Produktion werde somit flexibler, qualitativ hochwertiger und es sei mit weniger Stillständen zu rechnen. „Große Unternehmen wappnen sich mithilfe ihrer Abteilungen wie Forschung und Entwicklung für den rasanten technologischen Wandel. Für viele mittelständische Unternehmen ist das nicht zu leisten. Wir übernehmen das für Sie“, verspricht Sand.
Ein Unternehmer, der beim Weißbuch mitmacht, ist Stephan Scholze von Stöber Antriebstechnik. Agile und störungsarme Produktion durch autonome Abläufe stehe für seine Kunden und die Firma Stöber selbst ganz oben auf der Agenda. „Wir arbeiten bereits an einigen zukunftsweisenden Projekten. Von einem gemeinsamen Weißbuch erwarte ich innovative Impulse für uns und wertvolle Synergien für die Region.“