Ende Januar 2024 stellt der Pforzheimer Versandhändler Klingel seine Geschäfte ein.
Röhr
Wirtschaft
Zwei Geschäftsführer der Klingel Gruppe gehen - Betrieb noch bis Ende Januar 2024
  • pm/pz

Pforzheim. Für die Pforzheimer Klingel Gruppe als Ganzes konnte trotz intensiver Bemühungen kein Investor gefunden werden, teilte das Unternehmen in einer Pressemitteilung mit. Laut PZ-Informationen sollen insgesamt 265 Investoren kontaktiert worden sein. Die Unternehmensgruppe werde nach eigener Aussage den Geschäftsbetrieb bis Ende Januar 2024 fortführen. Danch werde er eingestellt. Das habe der Gläubigerausschuss mit Zustimmung des Sachwalters auf Vorschlag der Eigenverwaltung beschlossen.

Die Klingel Gruppe befindet sich seit Mai 2023 in einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Hauptgesellschaft der Unternehmensgruppe ist die K-Mail Order GmbH & Co. KG. Die Geschäftsaktivität der SCHneider GmbH & Co. KG sei von der Einstellung des Geschäftsbetriebs nicht betroffen, heißt es in der Mitteilung weiter.

"In den kommenden Monaten können alle Kundinnen und Kunden ihre Bestellungen weiter aufgeben und werden ihre Waren erhalten. Auch die Abwicklung von Retouren sowie alle sonstigen Serviceleistungen sind bis ins Frühjahr 2024 sichergestellt. Sämtliche Lieferanten und Dienstleister des Eigenverwaltungsverfahrens werden weiterhin bezahlt", heißt es.

Es gebe demnach einige Interessenten, die einzelne Marken und Onlineshops der Klingel Gruppe weiterführen und ab Anfang 2024 unter eigener Regie weiterbetreiben wollten. Hierzu liefen derzeit Gespräche mit strategischen Investoren über den Erwerb der Markenrechte, Onlineshops, Kundenlisten und aller sonstigen Vermögenswerte. Einen Betriebsübergang werde es dabei nicht geben.

"Eine dauerhafte Fortführung des Klingel-Geschäftsbetriebs ist ohne Investorenlösung nicht möglich. Angesichts der schwierigen Branchen- und Unternehmenssituation ist jedoch kein Interessent bereit, in die Unternehmensgruppe als Ganzes zu investieren und diese auf Basis der ausgearbeiteten Sanierungskonzepte fortzuführen", so der Versandhändler.

Gemeinsam mit Branchenexperten erarbeitete die Geschäftsführung der Klingel Gruppe in den vergangenen Monaten verschiedene Sanierungskonzepte. Viele Maßnahmen würden seit Frühjahr 2023 umgesetzt oder vorbereitet. Für die Repositionierung des Geschäftes wurden Investorenkonzepte erarbeitet sowie neue Geschäftsfelder eruiert. Trotz erheblicher Kostenreduktionen erziele die Unternehmensgruppe aber weiterhin Verluste. Da die in 2023 eingeleiteten Maßnahmen überwiegend erst in 2024 wirkten, sei im aktuellen Geschäftsjahr kein Break-even zu erreichen.

Zweistelliger Umsatzrückgang

Von der rückläufigen Branchenentwicklung sei die Klingel Gruppe mit einem zweistelligen Umsatzrückgang überproportional betroffen. Zudem habe die Umstellung der IT-Systeme, die im zweiten Halbjahr 2022 umgesetzt wurde, den Geschäftsbetrieb erheblich beeinträchtigt und die Umsatz- sowie Ergebnisentwicklung in den ersten Monaten 2023 zusätzlich belastet. Die Optimierung der IT-Prozesse wurde als wichtiger Faktor der Sanierung betrachtet. Die vergangenen Wochen hätten verdeutlicht, dass eine erhebliche Verbesserung der Unternehmenssituation kurzfristig nicht realisierbar sei, auch wenn sich das Geschäft zuletzt erholt hatte. Das Umsatzniveau der Gruppe werde sich aufgrund der anhaltend schwierigen konjunkturellen und branchenwirtschaftlichen Situation kurz- bis mittelfristig nicht ausreichend verbessern. Auch mit umfassenden Kostenmaßnahmen sei keine Fortführung für die Unternehmensgruppe möglich.

Die über 1300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der K-Mail Order GmbH & Co. KG seien am Montag über die Entscheidung für die Auslaufproduktion informiert. Das Eigenverwaltungsteam habe die notwendigen Maßnahmen zur Fortführung des Geschäftsbetriebs in den kommenden Monaten eingeleitet. Zugleich hätten die Verantwortlichen in den vergangenen Tagen Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern geführt und einen Sozialplan sowie Interessenausgleich abgeschlossen. Damit würden sozialverträgliche Lösungen für die Beschäftigten erzielt. Zudem würden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Jobsuche unterstützt.

Die Geschäftsführung der Klingel Gruppe sagt: „Wir haben in den vergangenen Monaten zahlreiche Maßnahmen ergriffen und alle Sanierungsoptionen für die Klingel Gruppe geprüft. Für den Erhalt der Gruppe als Ganzes hätten wir einen finanzstarken Investor gebraucht, aber leider gibt es keine Investorenlösung, sodass die Einstellung des Betriebs beschlossen wurde. Diese Entscheidung ist uns allen nicht leichtgefallen, aber es gibt leider keine Alternative."

In den kommenden Monaten würde im Interesse der Gläubiger, der Kundinnen und Kunden sowie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Eigenverwaltungsverfahren bestmöglich fortgeführt. CRO Marcus Katholing und CFO Cord Henrik Schmidt werden die Klingel Gruppe in den kommenden Monaten leiten. CEO Dr. Sven Axel Groos und CDO Sven Christian Andrä verlassen das Unternehmen.

Eigenverwaltung läuft weiter

Das vom Amtsgericht Karlsruhe am 1. August 2023 eröffnete Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung laufe unterdessen weiter. Der Multichannel-Distanzhändler werde den Geschäftsbetrieb im Rahmen des Verfahrens fortsetzen. Hierbei werde das Unternehmen weiterhin von der Restrukturierungsgesellschaft Pluta unterstützt. Als Sachwalter sei Rechtsanwalt Martin Mucha von der überregional tätigen Kanzlei Grub Brugger tätig. Er begleite die Eigenverwaltung im Interesse der Gläubiger. Die Gehälter der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien für die kommenden Monate gesichert, Geschäftspartner erhiellten weiter ihre Zahlungen. Die Unternehmensgruppe werde sich in den kommenden Monaten darauf fokussieren, die Herbst/Winter Kollektion 2023/2024 zu verkaufen. Dazu würden bis voraussichtlich Ende Januar 2024 die bestehenden Online- und Print-Vertriebskanäle unverändert fortbetrieben, heißt es.

Die Geschäftsaktivitäten der Schneider GmbH & Co. KG seien von der Entscheidung nicht betroffen. Die Gesellschaft der Gruppe befände sich ebenfalls in einem Eigenverwaltungsverfahren. Aktuell liefen hier Gespräche mit Investoren, die den Erhalt des Unternehmens ermöglichen könnten.

Die Klingel Gruppe

Die Firmengruppe mit Sitz in Pforzheim wurde 1923 gegründet und entwickelte sich vom klassischen Katalog-Versender zum internationalen Multichannel-Distanzhändler mit Fokus auf das Online-Geschäft. Zahlreiche Marken gehören zum Unternehmen. Dazu zählen die Marken Klingel, Wenzund Mona für Damenmode, die Männerbekleidungsmarke Babista, der Schmuckanbieter Diemer, die Plus-Size-Modeanbieter Happysize, Miamoda und Meyermode sowie der Schuh-Versender Vamos und die Gesundheitsmarke Wellsana. Gemeinsame Zielgruppe der Marken sind Best Ager.

Die Umsatzerlöse der Gruppe lagen eigenen Angaben zufolge im noch mit positivem Ergebnis abgeschlossenen Jahr 2021 bei knapp 1 Milliarde Euro. Die K-Mail Order GmbH & Co. KG ist die Hauptgesellschaft der Gruppe. Daneben befinden sich auch die Hamburger Tochtergesellschaften Impressionen Versand GmbH und die Schneider GmbH & Co. KG in einem Eigenverwaltungsverfahren. Während bei Impressionen die Einstellung der Geschäftsaktivitäten in Hamburg schon vor Insolvenzantragstellung beschlossen war, läuft der Betrieb bei Schneider weiter.

Bei der K-Mail Order GmbH & Co. KG arbeiteten dem Unternehmen zufolge zu Verfahrensbeginn rund 1600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mittlerweile seien dort noch über 1300 Beschäftigte tätig. Die restlichen Beschäftigten hätten  beziehungsweise würden das Unternehmen auf eigenen Wunsch verlassen. Die weiteren Gesellschaften der Firmengruppe im In- und Ausland beschäftigten insgesamt mehr als 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und befänden sich derzeit nicht in einem Insolvenzverfahren. Hierzu liefen noch Gespräche über das weitere Vorgehen.