Mit Distanz und Mund-Nase Schutz: Cornelie Holzach (links) und Isabel Schmidt-Mappes machen vor, worauf es beim Besuch im Schmuckmuseum ankommt. Foto: Meyer
Kultur
„Deutlich größeres Gewicht auf Digitalisierung“: Corona zwingt Museen dazu, ihre Arbeit auf den Prüfstand zu stellen - auch in Pforzheim

Pforzheim. Für Museen ist nichts mehr, wie es war. Tendierten sie vor der Pandemie dazu, möglichst viele Besucher in möglichst viele Veranstaltungen zu drängen, so sind die Häuser nun zum Umdenken gezwungen. Die PZ hat bei der Leiterin des Pforzheimer Schmuckmuseums, Cornelie Holzach, nachgefragt, wie sie mit den neuen Voraussetzungen umgeht. Hier wichtige Fragen und Antworten:

Wie sind die Besucherzahlen im Schmuckmuseum seit der Wiedereröffnung?

„Wir haben momentan etwa ein Drittel der Besucher im Vergleich zu ,vor Corona’, mit steigender Tendenz“, bilanziert Holzach. Dies seien vor allem Einzelgäste, da der Gruppentourismus eingebrochen ist. Aber auch Familien und Feriengäste. Die Besucher seien sehr diszipliniert und hielten sich an die geltenden Regeln. Derzeit seien insgesamt 50, pro Raum 20 Besucher gleichzeitig erlaubt.

Abstand, Hygiene, Alltagsmasken – was kann außerdem noch kommen?

„Wenn die Zahlen wieder zunehmen, werden wir auf jeden Fall ein Online-Ticketsystem brauchen“, so Holzach. Als Zusatzangebot zum Spontankauf an der Kasse. Große Häuser machten dies schon seit Jahren. Besucher könnten bestimmte Zeitfenster buchen und das Museum die Ströme besser koordinieren. Um keine Zusatzanträge über den Gemeinderat einbringen zu müssen, habe sie sich zur Finanzierung beim Landesprogramm „Neustart“ beworben. Holzach hofft, das System 2021 realisieren zu können.

Was sind aktuell die größten Herausforderungen?

„Dass wir in den nächsten Jahren nicht in dem Maße mit großen Gruppen rechnen können; dass Museen, auch das Schmuckmuseum, sehr grundsätzlich über ihre Aufgaben und Bedeutung nachdenken, welche Aufgaben sich in einer so grundlegend veränderten Situation stellen“, sagt Holzach.

Die Häuser seien erst am Anfang der Überlegungen. Man taste sich vor, von einer Landesverordnung zur nächsten, im Austausch mit den Kollegen. Wie wollen die Häuser mit Besuchern langfristig umgehen? Wie die Besucher mit den Museen? Nach erst einem halben Jahr Ausnahmezustand gebe es auf solche Fragen keine sicheren Antworten. „Wir wissen nur sicher, dass wir sehr wenig wissen.“

Was bedeutet all dies für Events wie die Lange Museumsnacht oder den Internationalen Museumstag in Pforzheim?

Solche Großveranstaltungen, die immer wieder als eine der Aufgaben propagiert wurden, um neue Besucher zu generieren, werden in diesem Stil nicht mehr stattfinden können, sagt Holzach. Diese Formate lebten von Bewegung – was nicht wie erforderlich zu kontrollieren sei. Sie so hinzubekommen und Ausstellungen aufzubereiten, dass dies unter Corona-Bedingungen funktioniert – da müssten alle gemeinsam daran arbeiten.

Werden neue Angebote für Schulen entwickelt?

Hierfür erarbeitet der Bereich kulturelle Bildung neue Formate. „Es gibt Ansätze, mit ganz wenigen Kindern zu arbeiten“, so Holzach. Es müssten aber alle Risiken mit den Pädagogen und den Eltern ausgeschlossen werden. Daher sei man zurückhaltend, was Workshops für Schüler angeht.

Wie betrifft die Pandemie das Planen von Ausstellungen?

Die Planungen im Schmuckmuseum sind für 2021 und weitgehend 2022 – bis auf kleine Änderungen – unter Dach und Fach. Aber: „Es wird aufwendiger und teurer, da auch die Transporte den Sicherheitsbestimmungen unterworfen sind und die Leihgeber ebenfalls vorsichtiger werden“, so Holzach. Kurzfristig hätten große Häuser ihre Ausstellungen auch deshalb verlängert, weil Kuriere nicht kommen könnten und sie ihre Objekte nicht mehr losbekämen. An Leihgaben aus Risikoländern traue sich kaum jemand noch ran. Wo künftige Hotspots liegen, sei nicht planbar. Wie sich das dauerhaft auswirkt, sei nach Holzachs Ansicht noch nicht abzusehen.

Wie läuft der Kontakt für die Ausstellung „Einfach brillant – Künstler-Juweliere der 1960er- und 1970er-Jahre“ in Kooperation mit dem Cincinnati Art Museum ab März 2021?

Im Moment laufe in der Kommunikation alles normal. „Da wir die Schau als Übernahme bekommen und sie vorher in den Niederlanden sein wird, gehen wir davon aus, dass es keine größeren Probleme geben wird“, sagt Holzach.

Wie sieht es mit dem Umsetzen digitaler Angebote aus?

„Wir werden ein deutlich größeres Gewicht auf Digitalisierung legen, mit dem Ziel, relativ zügig und schnell einen digitalen Dialog mit Besuchern entwickeln zu können“, sagt Holzach.

Sie arbeite mit ihrem Team verstärkt an dem weiter, was sie in den vergangenen Jahren für das international bekannte Schmuckmuseum begonnen habe: virtuelle Ausstellungsbesuche, Videovorträge zu speziellen Themen, Vorstellung einzelner Schmuckstücke oder Kurzführungen. Die sei ein ständig aktualisierbares Feld mit guten Möglichkeiten zur Auswertung, das Freude macht – auch wenn es das sinnlich-analoge Erlebnis eines Museumsbesuchs nicht ersetzen könne. Es sei eben eine andere Spielart. Über die Digitalisierung könne man im Gespräch bleiben. Aber: „Es wird ja nicht billiger, wenn man etwas digital macht“, so Holzach – auch mit Blick auf die Frage der Rechte.