
Pforzheim. Die AfD in Sachsen-Anhalt will endlich wieder stolz sein dürfen. Aufs Deutschsein. In einem Antrag plädieren die Landtagsabgeordneten für einen sogenannten „Stolz-Pass“. Mit diesem sollen touristische Orte, die von Bedeutung für die deutsche Geschichte sind, beworben werden. So solle „ein grundsätzlich bejahender, unbelasteter, respektvoller und wertschätzender Umgang mit der deutschen Geschichte etabliert werden“. Statt #moderndenken soll der Werbeslogan für das Land fortan #deutschdenken heißen. Das finden wir eine tolle Idee! Was man mit so einem Stolz-Pass in Pforzheim alles erleben könnte, um unsere Geschichte endlich wieder im positiven Licht sehen zu können.
Eine ganz subjektive Betrachtung von PZ-Redakteur Constantin Hegel
Da wäre zum Beispiel der großherzoglich-badische Hauptbahnhof aus dem 19. Jahrhundert. Ein Prachtbau im klassizistischen Stil, der fast wie aus der Toskana anmutet. Eine Meisterleistung deutscher Architektur-Kunst, keine Frage. Oder die laut Stadt-Homepage „herrschaftliche Villa“ der Eisenwaren-Brüder Benckiser im heutigen Benckiser-Park. Ebenfalls im prächtigen Klassizismus gehalten, erzählt sie von der erfolgreichen deutschen Industrie-Geschichte der Stadt.

Diese ist natürlich auch eng mit der Schmuckherstellung verwoben. Deshalb lautet der nächste Halt der Stolz-Tour: die Goldschmiedeschule an der Jahnstraße samt riesigem Saalbau am Stadtgarten. Ein Bau, an dessen pitoresken Rundbogeneingängen das Auge sich kaum sattsehen kann. Ebenso an den beiden majestätischen Glockentürmen, die fast schon sakralen abendländischen Charakter haben. Und: die erste Berufsschule in Deutschland überhaupt! Wenn man darauf nicht stolz sein kann, auf was denn dann? Weiter geht es zur Zerrennerstraße und der dortigen Synagoge. „Die 1892 eingeweihte Synagoge der israelitischen Kultusgemeinde war ein architektonisches Glanzstück im Pforzheimer Stadtbild“, heißt es von fachkundiger Seite.


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Den Abschluss der Tour bildet ein wundervoller Ausblick über die gesamte Stadt, die im Sommer von Architekturbegeisterten und Schwarzwald-Touristen verständlicherweise nur so wimmelt. Also auf zum Wallberg! Da stockt einem erstmal der Atem, wird man ganz anmutig, so erlebbar wird hier unsere deutsche Geschichte. Komisch, der badisch-großherzogliche Hauptbahnhof ist von hier oben gar nicht zu erkennen.


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Wo sind denn die Glockentürme der Goldschmiedeschule, wo die Fassade der prächtigen Synagoge? Man muss die Augen in der Stolztrunkenheit arg zusammenkneifen und rechts und links viel ausblenden, um sie noch zu erkennen. Danke, dass ihr uns Pforzheimern dabei helft, vielen Dank ihr treuen Nationalisten! Damit wir nie vergessen, wohin uns das so romantisch umworbene Deutschdenken führen kann.