Die Schüler Katharina Heilemann, Adham Alnakeshbandi und Moritz Schran (von links nach rechts) haben ihre Briefe an die AfD gerichtet.
sp4764-stockadobe.com/ PZ
Pforzheim
Briefe nach Berlin: Pforzheimer Schüler stellen Fragen an die AfD
  • pz, Katharina Heilemann, Moritz Schran, Adham Alnakeshbandi

Pforzheim. Es geht ihnen um die Umwelt, die Wirtschaft, die Verkehrspolitik, das Gesundheitssystem und Migration – wenige Wochen vor der Bundestagswahl haben sich Oberstufenschüler des Pforzheimer Hebel-Gymnasiums mit den Wahlprogrammen, Themen und Forderungen der prominentesten Parteien und ihren Direktkandidaten im Wahlkreis Pforzheim/Enz auseinandergesetzt. In Kooperation mit der „Pforzheimer Zeitung“haben Schüler aus dem Gemeinschaftskundeunterricht von Lehrerin Sina Feuchter, dem Geschichts- oder Deutschunterricht von Lehrer Sebastian Barth und dem Deutschunterricht von Lehrerin Christiane Neudorfer zum Jahresanfang klassenübergreifend Briefe mit Fragen und Sorgen an die lokalen Direktkandidaten zu Papier gebracht.

Die PZ veröffentlicht an dieser Stelle Ausschnitte der besagten Briefe. Die angesprochenen Wahlkämpfer – Katja Mast (SPD), Rainer Semet (FDP), Gunther Krichbaum (CDU), Helmut Kuntschner (Linke), Diana Zimmer (AfD) sowie die hiesigen Grünen – haben nun eine Woche lang die Gelegenheit, Antworten zu geben. Diese werden am Samstag, 1. Februar, ebenfalls in der PZ veröffentlicht. Ob sie damit zufrieden sind oder ob ihnen noch etwas auf dem Herzen brennt, bewerten die Schüler in einem persönlichen Fazit – nachlesbar am 8. Februar in der PZ.

Briefe an die AfD

Katharina Heilemann, Moritz Schran und Adham Alnakeshbandi.
Stefan Rietbrock

"Sehr geehrte Frau Zimmer,

mein Name ist Adham Alnakeshbandi, und ich bin Schüler des Hebel-Gymnasiums in Pforzheim. Im Jahr 2015 bin ich mit meiner Familie aus Syrien nach Deutschland geflohen. Seitdem habe ich hier die deutsche Sprache gelernt und mich gut in die deutsche Gesellschaft integriert. Meine Lehrer bescheinigen mir sehr gute Leistungen, und ich habe das Ziel, in Deutschland zu studieren und zu arbeiten, da ich mich hier zuhause fühle.

Ich schreibe Ihnen, weil ich mich intensiv mit Ihren Positionen zur Migration auseinandergesetzt habe. Migration ist ein Thema, das mich persönlich betrifft, und ich möchte Ihnen meine Perspektive als Betroffener schildern. Dabei gibt es Punkte, in denen ich Ihnen zustimme, aber auch Bereiche, in denen ich Ihre Position kritisch hinterfrage.

Auf Ihrer Website betonen Sie, dass die derzeitigen Maßnahmen zur Integration nicht ausreichen.

Ich teile diese Einschätzung. Integration ist eine große Aufgabe, die besser unterstützt werden muss – zum Beispiel durch intensivere Sprachförderung und mehr Unterstützung für Schulen mit einem hohen Migrantenanteil. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie wichtig es ist, die Sprache schnell zu lernen. Sprachkurse und Förderprogramme sind entscheidend, um Menschen wie mir den Einstieg in die Gesellschaft zu erleichtern, und ich bin überzeugt, dass diese Angebote noch ausgebaut werden sollten.

Auch haben Sie wiederholt darauf hingewiesen, dass Städte wie Pforzheim durch hohe Zuwanderungszahlen stark belastet werden, insbesondere in den Bereichen Wohnraum und Sozialleistungen. Das ist ein berechtigter Punkt, denn Kommunen wie Pforzheim brauchen mehr finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern, um diese Herausforderungen bewältigen zu können.

Allerdings gibt es auch Aussagen und Botschaften, die ich kritisch sehe. Ihre Partei, die AfD, betont in vielen ihrer politischen Positionen die Bedeutung des Schutzes der „deutschen Identität“ und stellt dabei häufig Migration als mögliche Bedrohung dar. In Ihrer Funktion als Vorsitzende des AfD-Kreisverbands Pforzheim/Enzkreis haben Sie sich ebenfalls für den Erhalt kultureller Werte eingesetzt.

Diese Haltung wirft bei mir Fragen auf: Was genau verstehen Sie unter „deutscher Identität“, und wie wird diese durch Menschen wie mich „verwässert“?

Deutschland hat sich historisch immer wieder durch Einflüsse von außen verändert und weiterentwickelt. Ein Beispiel dafür ist der wirtschaftliche Wiederaufbau und das sogenannte „Wirtschaftswunder“ nach dem Zweiten Weltkrieg, der ohne die sogenannte „Gastarbeitergeneration“ aus Ländern wie Italien, Griechenland oder der Türkei kaum möglich gewesen wäre. Diese Menschen haben nicht nur zur wirtschaftlichen Stabilität Deutschlands beigetragen, sondern auch kulturelle Vielfalt in den Alltag eingebracht – von Traditionen bis hin zur Esskultur. Heute gehören Dinge wie Döner oder Pasta selbstverständlich zur deutschen Essenskultur und zeigen, wie aus unterschiedlichen Einflüssen ein gemeinsames Miteinander entsteht.

Schon im 19. und frühen 20. Jahrhundert trugen polnische Migranten im Ruhrgebiet maßgeblich dazu bei, den deutschen Industrie- und Bergbausektor zu prägen. Gleichzeitig suchten viele Deutsche im 19. Jahrhundert in den USA eine neue Heimat und wurden Teil der dortigen Gesellschaft. Diese historischen Beispiele verdeutlichen, dass Migration in beide Richtungen ein fester Bestandteil der Geschichte ist und zur gegenseitigen kulturellen Bereicherung beiträgt.

Gleichzeitig gibt es viele Beispiele für Menschen mit Migrationshintergrund, die durch Bildung, Beruf und soziales Engagement wichtige Rollen in Deutschland einnehmen – sei es als Ärztinnen, Lehrer oder Unternehmerinnen.

Ich bin ein Schüler, der das deutsche Bildungssystem durchläuft, die deutsche Sprache spricht und sich hier zuhause fühlt. Inwiefern sehen Sie in solchen Geschichten eine Bedrohung? Diese Aussage wirkt auf mich pauschal und wenig konkret, und ich frage mich, wie solche Positionen zur tatsächlichen Förderung der Integration beitragen sollen.

Sie selbst stammen aus einer Familie russlanddeutscher Einwanderer, die in Deutschland eine neue Heimat gefunden hat. Warum sollte ich als Schüler mit Migrationshintergrund eine größere Gefahr für die deutsche Kultur darstellen als Sie? Umso mehr frage ich mich, wie Sie die Positionen der AFD vertreten können, die Menschen mit ähnlichen Geschichten pauschal als Gefahr für die deutsche Kultur darstellen. Wäre es nicht wichtiger, Brücken zu bauen und die gemeinsamen Werte einer vielfältigen Gesellschaft zu betonen? Was unterscheidet meinen Wunsch, in Deutschland zu leben, zu lernen und zur Gesellschaft beizutragen, von Ihrer eigenen Geschichte? Geschichten von Migration sind vielfältig, und ihre Gemeinsamkeit liegt darin, dass Menschen eine Chance erhalten, sich zu integrieren und ein Leben in Sicherheit und Zugehörigkeit aufzubauen.

Ich bin überzeugt, dass Integration durch Dialog und gegenseitiges Verständnis gelingt. Daher frage ich mich, inwiefern ein solches Narrativ der Abschottung dazu beiträgt, diese gemeinsame Basis zu stärken.

Darüber hinaus haben Sie mehrfach geäußert, dass sich Bürger in Pforzheim durch Migration unsicher fühlen. Auf Ihrer Website schreiben Sie, Pforzheim sei ein „Soziallabor“ geworden, in dem sich die Bürger nicht mehr wohl und sicher fühlten. Diese Aussage finde ich problematisch, da laut Polizeistatistiken die Kriminalität in Pforzheim nicht signifikant zugenommen hat.

Pauschale Aussagen über Unsicherheit tragen dazu bei, Ängste zu schüren, die sich oft nicht mit den Fakten decken. Können Sie konkrete Zahlen oder Studien nennen, die Ihre Behauptung stützen? Es ist wichtig, dass politische Aussagen auf Daten basieren und nicht auf subjektiven Eindrücken.

Ein weiterer Punkt, den ich hinterfragen möchte, ist Ihre Forderung nach einem Ende der „irregulären Migration“. Sie sprechen sich dafür aus, ohne klar zu definieren, was Sie darunter verstehen. Menschen wie ich, die vor Krieg und Gewalt geflohen sind, benötigen Schutz. Das Asylrecht ist in der Genfer Flüchtlingskonvention verankert und ein grundlegender humanitärer Wert.

Wenn Sie „irreguläre Migration“ beenden wollen, wie stellen Sie sicher, dass Schutzbedürftige weiterhin eine Chance haben, in Sicherheit zu leben? Eine generelle Ablehnung von Migration – auch durch restriktive Maßnahmen – kann aus meiner Sicht nicht die Lösung sein. Stattdessen sollten wir Integration und geordnete Verfahren fördern, um den Menschen in Not zu helfen und zugleich die Gesellschaft zu stärken.

Dabei geht es mir nicht nur um Flüchtlinge aus Syrien wie mich, sondern auch um Schutzbedürftige aus anderen Ländern, wie beispielsweise Menschen aus der Ukraine.

Obwohl die Lage in Syrien derzeit sehr kritisch ist, da das Assad-Regime gestürzt wurde, steht das Land vor einer Neuordnung. Es könnte eine Chance für einen Neuanfang sein, aber ebenso besteht die Gefahr, dass sich die Situation noch weiter verschlechtert.

Deshalb möchte ich wissen: Wie stehen Sie zu dieser Situation? Sollen Menschen, die sich hier in Deutschland ein neues Leben aufgebaut haben – sei es durch Arbeit, Bildung oder gesellschaftliches Engagement – jetzt, nachdem der Assad-Kult gestürzt wurde, in ihr Herkunftsland zurückgeschickt werden? Wie realistisch ist eine solche Rückführung angesichts der instabilen Lage in Syrien?

Ich bin einer von vielen Menschen, die dank der deutschen Migrationspolitik ein neues Leben aufbauen konnten. Ich habe mich in die Gesellschaft integriert, trage dazu bei und möchte in Zukunft in Deutschland arbeiten und leben. Aus meiner Perspektive ist Migration eine Chance, wenn wir sie gemeinsam gestalten.

Ich hoffe, Sie nehmen meine Fragen und Kritik als konstruktiven Beitrag wahr.

Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, meinen Brief zu lesen. Ich freue mich auf Ihre Antwort."

Mit freundlichen Grüßen,

Adham Alnakeshbandi

(Klasse 11)

"Sehr geehrte Frau Zimmer,

Im Rahmen der anstehenden Bundestagswahlen möchten wir Ihnen einige Fragen zu Ihren Zielen sowie dem allgemeinen Wahlprogramm der AfD stellen (wir beziehen uns auf den Leitantrag der Bundesprogrammkommission vom 28. November 2024 aus Riesa).

Auf Ihrer Website (diana-zimmer.de) beantworten Sie die Frage, was Ihrer Meinung nach für Deutschland wichtig sei: Beendigung der irregulären Migration, Rückkehr zur Kernkraft, Bürokratieabbau, Bekämpfung der Steuergeldverschwendung, sowie der Erhalt der Schuldenbremse. Wir gehen in diesem Brief auf zwei dieser Themen genauer ein: wir werden die Sinnhaftigkeit der Kernkraft im Vergleich zu erneuerbaren Energien hinterfragen, auf die Wirtschaftsziele eingehen und diese schließlich mit der Migrationspolitik der AfD verknüpfen.

Die AfD, Ihre Partei, schreibt im vorläufigen Parteiprogramm, dass keine andere Energieform so einen hohen Blutzoll in der Tierwelt fordert, wie die Windkraftindustrie (vgl. S.43 Z.1557). Unter anderem fordert die AfD daher einen sofortigen Ausbaustopp von Windkraft- sowie Solaranlagen (PV). Stattdessen fordert sie übergangsweise wieder auf die Kohleverstromung sowie auf Gas zu setzen, diese wieder und weiter auszubauen und langfristig alleinig Atomenergie zu nutzen (vgl. S.15 Z.475-486). Die AfD schreibt, dass sie bestehende Atom- und Kernkraftwerke wieder reaktivieren und zusätzlich neue Reaktoren bauen möchte. Da die AfD den wissenschaftlich bewiesenen Klimawandel anzweifelt und entgegen dem wissenschaftlichen Konsens diesen leugnet (vgl. S.41 Z.1486-1507), gehen wir in den folgenden sieben Absätzen noch nicht auf die katastrophalen klimaschädlichen Folgen von Kohleverstromung und den Klimawandel ein, sondern konzentrieren uns auf die Atom- und Kernkraft. Neben der Behauptung, Solar und Windenergie würden der Umwelt, Pflanzen und Tieren schaden, auf welche wir auch noch eingehen werden, begründet die AfD die Ablehnung von erneuerbaren Energien damit, dass diese zu einem instabilen Stromnetz und teurem Strom führen würden (vgl. S14-15 Z.446-495).

Dadurch stellt sich für uns, Frau Zimmer, die Frage: Wie ist es möglich, den Energiepreis zu senken, indem man anstelle von erneuerbaren Energien - die selbst mit CO2-Kompensation für den Bau zu den günstigsten Energieformen zählen -

auf Atomstrom setzt, welcher zu den teuersten Stromarten gehört, selbst ohne die zusätzlichen Kosten und Risiken durch den Atommüll und dessen Lagerung zu berücksichtigen? (Q[1])

Zudem stellt sich uns die Frage, wo und durch wen die neuen Kernkraftwerke gebaut und finanziert werden sollen? Laut Handelsblatt, das sich auf die Bundesnetzagentur beruft, lag der gesamtdeutsche Stromverbrauch 2023 bei rund 457.000 Gigawattstunden. Der aktuell leistungsstärkste Kernreaktor Taishan-1 in China hat 1,75 Gigawatt Nennleistung, das entspricht theoretischen 42 Gigawattstunden am Tag und somit theoretischen 15.330 Gigawattstunden im Jahr. Diese Zahl ist deutlich zu hoch, da ein Reaktor nicht unterbrechungsfrei unter Dauerlast läuft, steht aber hier für ein Best-Case-Szenario. Selbst in diesem theoretischen Szenario würde es insgesamt 30 solcher Reaktoren benötigen. Realistischer ist ein Blick auf den abgeschalteten deutschen Reaktor Isar II. 2016 speiste dieser Reaktor 12.000 GWh ein. Rechnen wir mit diesen 12.000 GWh, würde es mindestens 39 mit Isar II vergleichbare Reaktoren benötigen, um den gesamten deutschen Stromverbrauch zu decken. Gehen wir von einem Mittelwert aus, sind das 34 Reaktoren. Am Beispiel von Hinkley Point C, einem sich noch im Bau befindenden Kernkraftwerk in England welches eine Leistung von 3,28 GWh hat und anstatt den zu Baubeginn geschätzten 21 Milliarden Euro ca. 50 Milliarden Euro kosten wird, ist erkennbar, welche enormen Kosten mit dem Bau von Kraftwerken verbunden sein können. Auch in Frankreich sieht es nicht anders aus. Der bereits 2004 geplante und ab 2007 im Bau befindliche Block 3 des im französischen Flamanville befindlichen Kernkraftwerkes wurde, anders als geplant, nicht 2012 fertiggestellt, sondern 2024. Die Inbetriebnahme erfolgte erst im Dezember 2024, bis Sommer 2025 arbeitet der Reaktor noch im Probebetrieb. Auch die Kosten explodierten von anfänglich geplanten 3,3 Milliarden Euro auf mehr als 13 Milliarden Euro für 1,6 GWh Leistung. Geht man also von durchschnittlich 12 Milliarden Euro pro Reaktor aus, würden die 34 Reaktoren insgesamt 408 Milliarden Euro kosten. Das sind nur die Kosten für die Reaktoren. Aus den oben genannten Zahlen zu Hinkley Point C lässt sich erkennen, dass ein Kraftwerksgebäude mit Technik mit 5-10 Milliarden Euro berechnet werden kann. Geht man von zwei Reaktoren pro Kraftwerk aus, also 17 Kraftwerksgebäude , sind das zusätzliche 85-170 Milliarden. Insgesamt 493-578 Milliarden Euro für 34 Reaktoren und 17 Kraftwerksgebäude. Auch in dieser Rechnung gehen wir von Idealbedingungen aus, z. B. haben wir Spitzenlasten, Ausfallsicherheiten und Wartungsausfälle vollkommen ignoriert, dafür wären weitere Reaktoren nötig. Auch laufende Kosten für den Betrieb haben wir nicht mitgerechnet. Da Kernreaktoren hochgefährlich sind, müssen sie zu jedem Zeitpunkt in quasi perfektem Zustand gehalten werden. Auch Kosten eines Rückbaus oder Grunderneuerungen, wenn die Reaktoren und die Kraftwerke nicht mehr dem Stand der Technik entsprechen und dadurch eine größere Gefahr von diesen ausgeht, sind nicht berücksichtigt. Mit Blick auf aktuelle Infrastrukturprojekte in Deutschland, ob Stuttgart 21 oder dem BER, ist relativ eindeutig zu erkennen, dass diese 493-578 Milliarden Euro absolut unrealistisch sind, man muss von weit über 600 Milliarden Euro ausgehen. Dazu kommen noch die Kosten für die Entsorgung und Endlagerung von radioaktiv verseuchtem Material und Brennstoff. Diese sind nicht vorhersehbar. Allein für die Entsorgung des bereits in Deutschland erzeugten radioaktiven Mülls sind aktuell 24 Milliarden Euro vorgesehen. Dieser Müll ist über nur etwa 63 Jahre, aus insgesamt 37 jemals in Deutschland aktiven Reaktoren entstanden. Unter diesen 37 Reaktoren befanden sich auch 20 Forschungsreaktoren und Prototypen, nur insgesamt 17 waren kommerzielle Reaktoren. Diese 17 Reaktoren hatten eine addierte Gesamtlaufzeit von 522 Jahren über 63 Jahre, diese Laufzeit hätten 34 Reaktoren nach 15,3 Jahren. Somit würden ca. alle 15 Jahre mindestens 24 Milliarden Euro an Kosten anfallen. Da es sich aber bei diesen 34 Reaktoren um deutlich leistungsstärkere und größere handelt, wird zwangsweise mehr Müll entstehen und somit auch weitere Mehrkosten. Daran sieht man eindeutig, wie teuer die Entsorgung von radioaktivem Abfall wäre, wenn wir 34 kommerzielle Reaktoren dauerhaft betreiben würden.

Daraus ergibt sich für uns die oben genannte Frage, Frau Zimmer: Wie möchte die AfD die mindestens 34 Reaktoren finanzieren? Wo sollen diese 34 Reaktoren gebaut werden? Das wären mindestens 2 Reaktoren pro Bundesland, inkl. Hamburg und Berlin. Welches Bundesland ist ihrer Meinung nach bereit, mindestens 2 hochgefährliche Reaktoren im eigenen Bundesland zu bauen? Wie will die AfD die Entsorgung und Sicherheit von Atommüll über die nächsten 700 Millionen Jahre oder, nach extrem teurer und noch nicht vollständig erforschter Bearbeitung des Mülls, selbst für die nächsten 500 bis 1.000 Jahre sicherstellen (Q[2])?

Nun möchten wir auf die Aussage eingehen, dass Windräder katastrophale Folgen für Tiere, besonders Vögel, Pflanzen und die Umwelt, hätten. Als erstes möchten wir ein bisschen Whataboutism betreiben (Argumentationstechnik, bei der man auf einen kritischen Vorwurf über ein Versagen mit einem Verweis auf ein Fehlverhalten oder einen Missstand auf der anderen Seite, zum Beispiel der des Gesprächspartners, verweist).

Jährlich sterben ca. 10.000 bis 100.000 Vögel durch Windräder, das sind ca. 1-4 Vögel pro Jahr pro Windrad. Das hört sich nach sehr viel an. Ist es aber nicht.

Jährlich sterben 20-100 Millionen Vögel durch Hauskatzen, 70 Millionen durch den Straßen- und Bahnverkehr und 100-115 Millionen an Glasflächen von Häusern. Das ist viel. Also Frau Zimmer, wollen Sie und die AfD dann auch Katzen, Autos, Züge und Fenster verbieten? Nein, wollen Sie nicht, Sie schreiben in Ihrem Programm, dass es ein lebensfeindlicher moralischer Tiefpunkt sei, Tiere als “Klimaschädlinge” darzustellen (vgl. S.42 Z.1522-1523). Ebenso schreiben Sie, dass die AfD den motorisierten Individualverkehr fördert und unterstützt (vgl. S.16 Z.502). Soviel zum Schutz von Vögeln durch die AfD.

Nun möchten wir aber nicht nur Whataboutism betreiben, sondern richtige Argumente bringen. Es muss im Interesse aller sein, jeden Vogel zu schützen.

Mithilfe von Gefährdungskarten und dem automatisierten Abschalten von Anlagen kann die Anzahl an getöteten Vögeln stark reduziert werden. Das Artensterben durch den Klimawandel hingegen ist nicht so einfach aufzuhalten, so sprechen sich auch Naturschutz- und Tierschutzverbände wie der LBV und der NABU für Windräder aus (Q[3]).

Daraus ergeben sich einige Fragen an Sie, Frau Zimmer: Wie kann es sein, dass die AfD das Artensterben durch den Klimawandel leugnet? Wie kann es sein, dass die AfD den vom Menschen verursachten Klimawandel mit einem nicht wissenschaftlich basierten Brief von Wissenschaftlern abstreitet, die absolut nichts mit der Erforschung des Klimawandels zu tun haben, sondern in völlig anderen wissenschaftlichen Bereichen tätig sind (vgl. S.41-42 Z. 1487-1500)?

Wieso vernachlässigt die AfD, eine angeblich “technologieoffene” Partei, jegliche Verbesserungsmöglichkeiten für Windkraftanlagen und lehnt diese stattdessen kategorisch ab (vgl. S.14 Z.424-425)?

Wieso bevorzugt die AfD Kohleenergie?

Durch den Braunkohletagebau zum Beispiel werden riesige Flächen vollkommen unbewohnbar und verwandeln die Landschaft in hässliche Löcher. Durch Windräder werden in der Zukunft etwa 2% der Fläche in Deutschland bedeckt, das sind ca.  7.160 km², die aber in näherer Umgebung noch genutzt werden können.

Finden Sie Windräder wirklich so extrem hässlich, dass Sie die Löcher, die durch Tagebau entstehen, welche insgesamt 1.794 km² betragen und davon noch 102 km², die noch in Betrieb sind, schöner finden? Die AfD ist offensichtlich dieser Meinung (vgl. S.14 Z.417-421)!

In Ihrem Wahlprogramm scheinen Sie sich stark gegen jegliche Klimavorschriften zu sträuben – eben, weil Sie Vorschriften des Staates, sowie der EU sind. Ihr Hauptargument: Die eigene Wirtschaft würde geschwächt.

Die AfD hat folgende Wirtschaftsziele: eine freiheitliche und erfolgreiche Gesellschaft, Innovation und Unternehmertum, Wohlstand und Entfaltungsmöglichkeiten sowie eine sichere Rente sollen durch die deutsche Wirtschaft gefördert und gewährleistet werden

(vgl. S.8 Z.199-207). An all diesen Zielen ist nichts auszusetzen. Jedoch werfen folgende Punkte Fragen auf:

Schon im ersten Abschnitt ihres Leitfadens zur Wirtschaft lehnt die Partei sich gegen den Einfluss der EU auf, besonders in den Aspekten der Energiefragen und dem „Green Deal“.

Dieser „Green Deal“ hat als Ziel, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Bis 2030 sollen daher mindestens 55% weniger Netto-Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 erreicht, sowie 3 Milliarden neue Bäume in der EU gepflanzt werden. Dem Deal ist außerdem ein Industrieplan beigelegt, der die Wirtschaft wettbewerbsfähiger machen soll - ein Punkt, den Sie und Ihre Partei regelmäßig in Frage stellen. Ein weiterer Vorteil des „Green Deals“ direkt für die deutsche (bzw. in diesem Fall auch die europäische) Bevölkerung, ist die Schaffung neuer, grüner Arbeitsplätze in der EU (2019: 4,5 Millionen grüne Arbeitsplätze).

Schon im nächsten Abschnitt des Leitfadens (vgl. S.8 Z.214-224) spricht die AfD ein weiteres widersprüchliches Argument an: Die Klimaforderungen der Regierung sowie der EU seien nicht realistisch, weil die Ressourcen für erneuerbare Energien fehlen würden. Hierzu möchten wir folgende Frage stellen: Sind nicht gerade fossile Brennstoffe, welche Sie für Ihren heißgeliebten Verbrennermotor brauchen, Ressourcen unserer Erde, die durch den anthropogenen (menschlichen) Konsum langsam schwinden? Das Argument, erneuerbare Energien seien durch Ressourcenmangel nicht zu stützen, kann also nicht schlagkräftig sein, wenn man bedenkt, dass Energie aus fossilen Brennstoffen ebenfalls durch Ressourcenmangel bedroht ist.

Es gibt außerdem weitere Fortschritte im Bereich der erneuerbaren Energien: In der EU haben Wind- und Solarenergie mehr als 400 GW Produktionskapazität. Diese Zahl zeigt eine Steigerung von 25% seit 2020. Je mehr sich die Regierung auf erneuerbare Energien einlässt, desto besser, marktfähiger und effizienter können sie durch Innovation werden. Anstatt also einen Umstieg auf Kernkraft zu fordern, sollte man nicht dem Planeten zuliebe in nachhaltige Stromversorgung investieren und diesen Fortschritt aktiv unterstützen?

Auch soll eben die Ressourcenknappheit, welche Sie und Ihre Partei in diesem Abschnitt kritisieren, durch die grüne Wirtschaft, welche die EU anstrebt, umgangen werden. Mit dem „Green Deal“ soll unter anderem eine klimaneutrale, nachhaltige und ressourcenschonende Wirtschaft erreicht werden, die auch in den nächsten Jahrzehnten (welche von Veränderungen durch den Klimawandel geprägt sein werden) funktionieren kann.

Wir wollen jedoch auch noch einmal genauer auf den Verbrennungsmotor und dessen Rolle in der Wirtschaft laut der AfD eingehen: Immer wieder kritisiert Ihre Partei, dass Klimavorschriften die Wirtschaft schwächen würden, besteht aber dennoch auf dem Erhalt des Verbrennungsmotors in der Automobilindustrie. Gleichzeitig können wir beobachten, wie chinesische Hersteller ihre E-Autos auf den deutschen Markt bringen, dies nicht zuletzt dank fehlender Konkurrenz. Auch die Nachfrage nach Elektromobilität steigt in der Gesellschaft. Müsste Deutschland dann nicht die Produktion von E-Autos fördern und den Automobilmarkt für sich zurückgewinnen, anstatt sich an den Verbrenner festzuklammern?

Ein weiterer Einwand Ihrer Partei, weshalb Verbrennungsmotoren der Elektromobilität vorgezogen werden sollten, ist, dass die Batterieproduktion die Umwelt stärker belastet als die des Verbrennermotors (vgl. S.9 Z.272-73). Hierbei finden wir es wichtig zu betonen, dass es sich tatsächlich um die Produktion der Motoren handelt. CO2-Emissionen im alltäglichen Gebrauch werden dabei vollkommen außer Acht gelassen. Während nicht zu leugnen ist, dass E-Mobilität durchaus verbesserungsfähig ist, so ist der Verbrennungsmotor keine bessere Lösung – auch wenn man synthetische Kraftstoffe in der Rechnung berücksichtigt. Jedoch scheinen Sie selbst dieser Lösung eher negativ gegenüber zu stehen (vgl. S.10 Z.277-283).

Synthetische Kraftstoffe sind durchaus ein guter Denkansatz. Mithilfe dieser können bereits existierende Verbrennungsmotoren klimaneutraler genutzt werden. Jedoch sprechen folgende Fakten gegen die allgemeine Nutzung von Verbrennungsmotoren als beste Lösung:

  • Auch bei der Herstellung von synthetischen Kraftstoffen muss regenerativer Strom genutzt werden, um die angestrebte Klimaneutralität zu erreichen. Gegen diesen Strom stellen Sie sich allerdings als Partei.
  • Auch hat synthetischer Kraftstoff einen schlechteren Wirkungsgrad, weshalb es mehr erneuerbare Energien benötigt, um E-Fuels herzustellen, als es benötigt, um direkt ein E-Auto aufzuladen.

Auch hat sich der Verbrenner in der Automobilindustrie als Niederlage erwiesen. Firmen wie VW, die weiter Verbrennungsmotoren gebaut haben, schwächeln, während chinesische E-Autos einen Erfolg auf dem deutschen Markt erleben. Warum sollten die deutschen Autofirmen also auf ein versagendes Produkt vertrauen, anstatt neue, aufsteigende Technologien aufzugreifen? Schwächt das nicht viel mehr unsere Wirtschaft?

Viele Vorschläge, welche die deutsche Wirtschaft betreffen, wie beispielsweise den Erhalt der Verbrennerproduktion, begründet Ihre Partei mit der Leugnung des anthropogenen Klimawandels. Die AfD bezeichnet den Umgang mit den und die Sorgen um die Folgen des Klimawandels in Gesellschaft und Politik als „unwissenschaftliche Klima-Hysterie“ (vgl. S.17 Z.552). In dem Abschnitt zum Klima behauptet Ihre Partei, der Anteil der Menschen am globalen Klimawandel sei ungeklärt (vgl. S.41 Z.1488-1489). Ihr Argument: „Klimawandel gab es zu allen Zeiten.“ (vgl. S.41 Z.1487)

Diese Aussage trifft durchaus zu – der natürliche Klimawandel, sowie der natürliche Treibhauseffekt sind wissenschaftlich bewiesen. Das gleiche gilt jedoch auch für den anthropogenen Klimawandel! Die am häufigsten genutzte Zahl in diesem Zusammenhang: 97,1% aller Wissenschaftler erkennen den anthropogenen Klimawandel an. Neuere Studien, wie die von James L. Powell (ein angesehener amerikanischer Geologe), veröffentlicht 2016, zeigen einen sogar noch höheren Konsens. Die Metastudie zu fünf Studien mit insgesamt 54.195 peer-reviewten Publikationen (A[4]) zum Klimawandel (Zeitraum 1991 – 2015) kommt zu folgendem Ergebnis: ganze 99,94% der wissenschaftlichen Studien bejahen den menschengemachten Klimawandel.

Angesichts dieser Zahlen stellen wir uns die Frage, warum die AfD Warnungen vor dem Klimawandel als unwissenschaftliche Hysterie bezeichnet. Statt diesen Fachexperten zu vertrauen und auf eine klimaneutrale Wirtschaft hinzuarbeiten, fordert ihre Partei „die notwendige und sinnvolle Nutzung fossiler Energien (also Kohle, Erdgas, Öl)“ (S.41 Z.1491-1492). Und wieder kommen wir zu dem widersprüchlichen Argument der Ressourcenknappheit, auf welches Ihre Partei zurückgreift, um die Sinnhaftigkeit von erneuerbaren Energien zu entkräften. Wenn wir doch zu knappe Ressourcen haben, um Solarenergie und Windkraft auszubauen – sie seien nicht marktfähig und zudem kurzsichtig (so fassen wir Ihre Aussagen zu dem Thema im Leitfaden zumindest auf) – wie kann die AfD dann einen Rückgriff auf bewiesen schwindende Ressourcen befürworten. Nicht nur sind Ressourcen wie Kohle und Erdöl auf der Erde begrenzt, sondern machen Deutschland gleichzeitig abhängig von anderen Ländern – so zum Beispiel von (Q[5]; Daten aus 2021)

  • Russland (34,1% der Rohölimporte in Deutschland)
  • USA (12,5% der Rohölimporte in Deutschland)
  • Kasachstan (9,8% der Rohölimporte in Deutschland)
  • Norwegen (9,6% der Rohölimporte in Deutschland)
  • Großbritannien (9.3% der Rohölimporte in Deutschland).

Warum sollte Deutschland die Chance ignorieren, eine selbständigere und somit auch sicherere Wirtschaft aufzubauen? Warum binden wir uns in einer Welt, die von politischen Konflikten und Kriegen geprägt ist, an andere Länder?

Außerdem, müsste Ihnen der Klimawandel nicht am Herzen liegen, wenn Ihnen das Wohlergehen der deutschen Bevölkerung wichtig ist? Denn auch unser Land ist durch einen weiteren Meeresspiegelanstieg oder extreme Wetterphänomenen bedroht.

Sollten Sie tatsächlich glauben, die Treibhausgas-Emissionen der Menschen hätten keinen Einfluss auf die heutige Klimasituation, wollen wir Ihnen die Wirkung von Treibhausgasen in der Atmosphäre einmal kurz und prägnant erklären:

Treibhausgase wie CO2 oder Methan wirken wie eine Glasglocke in der Atmosphäre. Sonnenstrahlen kommen als solare Strahlung in die Atmosphäre, werden von der Erdoberfläche absorbiert und in terrestrische Strahlung umgewandelt – dabei handelt es sich um Wärmestrahlung. Treibhausgase in der Atmosphäre stoppen die terrestrische Strahlung und halten so die Wärme in der Atmosphäre. Durch den natürlichen Treibhauseffekt ist so das Leben auf der Erde erst möglich, er reguliert die Temperatur (sie würde sonst weit in den Minusgraden liegen). Wir Menschen feuern durch unseren übermäßigen Konsum jedoch immer und immer mehr Treibhausgase in die Atmosphäre – so wird dann auch immer und immer mehr Wärme in der Atmosphäre gehalten. Die notwendige Konsequenz daraus: die Temperaturen steigen, das System Erde gerät aus dem Gleichgewicht.

Dieser direkte Einfluss des menschlichen Verhaltens auf das Klima ist – ob Sie es nun wollen oder nicht – ein wissenschaftlich belegter Fakt! Anthropogene CO2-Emissionen verstärken den natürlichen Klimawandel und führen zu Klimakatastrophen, die wir schon jetzt auf der ganzen Welt beobachten können: verheerende Überschwemmungen, Flächenfeuer, Dürren – die Liste ist lang.

In der Zukunft werden diese Folgen auch Deutschland immer öfter direkt treffen. Gleichzeitig wird die Zahl der Klimaflüchtlinge steigen. Die Klimakatastrophen treffen vor allem Länder auf der Südhalbkugel schon jetzt viel stärker als andere Teile der Welt – Menschen sind gezwungen, ihre Heimat zu verlassen.

Durch eine Veränderung in der globalen Wirtschaft, begonnen mit der eigenen, könnte der Klimawandel und dessen Folgen zumindest gebremst werden. Arbeiten wir allerdings zugunsten des Klimawandels, zum Beispiel durch die Nutzung fossiler Brennstoffe, ist ein Anstieg der Migration nach Deutschland nicht zu verhindern. Eine „ideologische Verbotspolitik“ (vgl. S.10 Z.276), wie Sie die wissenschaftlich begründete Wirtschaftspolitik der EU und anderer Parteien in Ihrem Leitfaden beschreiben, ist in vielen Aspekten leider schlicht und einfach nötig, um die Klimaziele zu erreichen und die Erde und die Menschen zu schützen.

Ist all das also wirklich eine „unwissenschaftliche Klima-Hysterie“ oder doch vielmehr eine begründete und logische Sorge um das eigene Land, beziehungsweise um die ganze Welt?

Damit kommen wir auch schon zum nächsten Thema: die Sinnhaftigkeit der Migrationspolitik der AfD. Die angestrebte Migrationspolitik Ihrer Partei ist in keiner Weise zukunftsfähig. Wie wir bereits angemerkt haben: Die Folgen des Klimawandels wirken sich auf der Südhalbkugel noch stärker aus als auf der Nordhalbkugel. Dementsprechend wird die Zahl der sicheren Herkunftsstaaten auch durch klimabedingte extreme Wetterphänomene immer und immer weiter sinken, deren Anzahl Sie eigentlich steigern wollen (S.54 Z. 1948).  Die Zahl der Flüchtlinge wird demnach auch immer und immer weiter steigen. Dann macht es auch keinen Unterschied mehr, ob man eine Ideologie verfolgt, die Ausländer im eigenen Land ablehnt oder nicht - man kann die Menschen nicht wieder abschieben. Auch Krieg und politische Korruption, welche aktuell sehr präsent in der ganzen Welt sind, führen zu weiteren unsicheren Staaten. Eine weitere “Massenzuwanderung” (S.52 Z.1870) ist also kaum zu umgehen.

Gleichzeitig spürt die deutsche Bevölkerung immer stärker die Auswirkungen des demographischen Wandels - eine Übermenge an Erwachsenen und alten Menschen, während eine geringe Geburtenrate dazu führt, dass keine Kinder nachkommen, welche diese Generationen unterstützen. Schon lange basiert das Rentensystem in Deutschland auf dem sogenannten "Generationenvertrag": Die junge Bevölkerung arbeitet, um die Rente der Älteren zu finanzieren und kann von den nachkommenden Generationen das Gleiche erwarten. Durch die Überalterung in Deutschland beginnt dieses System jedoch langsam zu scheitern.

In der deutschen Gesellschaft und Wirtschaft sind also zwei grundlegende Probleme zu erkennen: zu wenig junge Arbeiter und eine übermäßige Migration. Kombiniert man jedoch die zwei “Probleme”, so kommt man doch relativ schnell zu einer Lösung.

Deutschland wird (dank einer geringen Geburtenrate) schon bald nicht mehr in der Lage sein, die eigene Wirtschaft zu tragen. Der Ansatz der AfD: Frauen das Recht, über den eigenen Körper zu entscheiden, absprechen, indem sie Abtreibung ideologisch ablehnt, um so eine höhere Fertilitätsrate zu erreichen. (Abtreibung kann dabei durchaus ein traumatisches Erlebnis sein und eine mögliche Mutter traumatisieren, so aber auch die Geburt eines ungewollten Kindes, welches nach der Geburt abgegeben werden muss - schließlich können Kinder nicht immer finanziell getragen werden. Diese Szenarien bedeuten eine traumatische und tragische Zeit für die Mutter sowie einen erschwerten Lebensbeginn des Kindes.)

Warum aber lässt man nicht von der Stigmatisierung von Abtreibung ab, lässt also den Frauen selbst die Wahl, und überarbeitet stattdessen die Integrationsprozesse für Flüchtlinge in Deutschland? Warum ermöglicht man den Menschen, welche bereits eine schwere Zeit in ihrem Heimatland durchmachen mussten, nicht ein neues Leben in Deutschland, eine Ausbildung oder einen Schulbesuch? Könnte man so nicht erreichen, dass mehr “qualifizierte Fachkräfte” in Deutschland zur Verfügung stehen, um die Wirtschaft zu unterstützen, anstatt sowohl beim Problem der Geburtenrate als auch bei dem der “Massenmigration” nahezu unmenschlich vorzugehen? Und weshalb wollen Sie selbst bereits ausgebildete und integrierte “qualitative Fachkräfte” - Syrer, die schon seit längerem in Deutschland leben und arbeiten- abschieben, wenn unsere Wirtschaft doch eben diese Menschen besonders dringend braucht (vgl. S.56 Z.2038-2039)?

Allerdings ist nicht zu verleugnen, dass große Teile der deutschen Bevölkerung sehr unzufrieden mit der aktuellen Migrationspolitik sind. Dennoch finden wir den Lösungsansatz der AfD fragwürdig. Ihre Partei schlägt unter anderem folgendes vor (vgl. S.52-56):

  • Die Migration soll selbstständig und national geregelt werden
  • Deutschland soll die eigenen Grenzen nach dem Vorbild anderer EU-Staaten wieder schließen
  • Der Asyl-Erwerb soll durch neue sowie das Durchsetzen alter Gesetze/ Regeln erschwert werden

Wir sind nicht der Meinung, dass die Migrationsfrage eine nationale Frage ist. Viel wichtiger ist die Kooperation mit anderen Staaten, nicht nur in Europa. Natürlich ist es nicht gut, dass Deutschland einen sehr hohen Prozentsatz aller Migranten, die in die EU kommen, aufnimmt. Jedoch, wie andere Länder es bereits getan haben, die eigenen Grenzen zu schließen, wäre in vielerlei Hinsicht falsch.

Wie bereits erwähnt, kann Deutschland die Migration (angenommen man überarbeitet die Integrationsprozesse) als Chance für die eigene Wirtschaft wahrnehmen (Eine Chance, die erkannt werden MUSS, denn sie kann nicht umgangen werden). Die Schlussfolgerung, es wäre schlau, die Grenzen zu schließen, wäre also sowohl schlecht für die Flüchtenden als auch für die deutsche Bevölkerung. Langfristig müssen stattdessen geschlossene Grenzen von der EU sanktioniert werden, denn ob die EU-Staaten es nun wollen oder nicht, die Flüchtlinge werden gezwungen sein, ihr Land zu verlassen.

Außerdem - und das ist der Grund, warum wir der Auffassung sind, der Ansatz der AfD wäre unmenschlich - haben Flüchtlinge, die von keinem Staat aufgenommen werden, nicht die Chance, in einen “sicheren Herkunftsstaat” zurückzukehren. Sie landen in Flüchtlingslagern außerhalb der Staaten. Die schlechten Lebensbedingungen, die sie dort erwarten, sind mittlerweile schon Allgemeinwissen. Viele der Flüchtlingscamps sind leider zu menschenentwürdigenden Orten geworden.

Deutschland als ein souveräner Staat hat unserer Meinung nach die Pflicht, Menschen zu ermöglichen, diesem Leid zu entgehen - zumal es auch für unsere Bevölkerung viele Vorteile bringen kann.

Sie selbst, Frau Zimmer, schreiben auf Ihrer Website, dass Ihnen folgende “Beleidigung” schon zu Ohren gekommen ist: “Was für ein schlechter, gefühlskalter und erbarmungsloser Mensch muss man sein, lassen einen die Bilder von gestrandeten Leichen an den Mittelmeer Küsten ‘kalt’ [...]”.

Aber können Sie angesichts der aktuellen Umstände nicht nachvollziehen, weshalb viele so denken? Finden Sie nicht auch, dass viel mehr die anderen EU-Staaten Deutschlands Vorbild folgen sollten, anstatt sich ihrer Verantwortung gegenüber den Flüchtlingen zu entziehen? Und denken Sie nicht auch, dass Flüchtlingen, die in Ihrem Leben oft schon mehr als genug Traumata durchleben mussten, weiteres Leid so gut wie möglich erspart werden muss?

An dieser Stelle ist uns wichtig anzumerken, dass diese Menschen keinesfalls versuchen, durch den “Missbrauch der Seenotrettung” (vgl. S.53 Z.1939) nach Europa zu kommen. Diese Menschen setzen Ihr Leben aufs Spiel, in der Hoffnung auf ein Besseres - und das oft nicht nur für sich selbst, sondern für Ihre ganze Familie. Die Seenotrettung trägt den Namen “Seenotrettung” nicht ohne Grund: Diese Menschen befinden sich in größter Not. Von einem “Missbrauch” kann und darf in diesem Zusammenhang nicht gesprochen werden.

Wir sind in diesem Brief nur auf drei spezifische Themen eingegangen. Wir möchten darauf hinweisen, dass viele weitere Themen und Ansichten der AfD ebenfalls nicht mit unserem Weltbild und unserer Interpretation von Menschlichkeit, Menschenwürde und der deutschen, freiheitlich demokratischen Grundordnung zu vereinbaren sind. Viele der Aussagen in dem Leitfaden sind nicht nur in sich widersprüchlich, sondern auch diskriminierend und menschenfeindlich.

Diese Themen liegen uns sehr am Herzen.

Wir hoffen auf eine Rückmeldung Ihrerseits."

Mit freundlichen Grüßen,

Katharina Heilemann und Moritz Schran

(Klasse 12)