Die Schüler Marlene Schweitzer und Sergei Smolnikov (von links nach rechts) haben ihre Briefe an die CDU gerichtet.
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Pforzheim
Briefe nach Berlin: Pforzheimer Schüler stellen Fragen an die CDU
  • pz, Marlene Schweitzer, Sergei Smolnikov

Pforzheim. Es geht ihnen um die Umwelt, die Wirtschaft, die Verkehrspolitik, das Gesundheitssystem und Migration – wenige Wochen vor der Bundestagswahl haben sich Oberstufenschüler des Pforzheimer Hebel-Gymnasiums mit den Wahlprogrammen, Themen und Forderungen der prominentesten Parteien und ihren Direktkandidaten im Wahlkreis Pforzheim/Enz auseinandergesetzt. In Kooperation mit der „Pforzheimer Zeitung“haben Schüler aus dem Gemeinschaftskundeunterricht von Lehrerin Sina Feuchter, dem Geschichts- oder Deutschunterricht von Lehrer Sebastian Barth und dem Deutschunterricht von Lehrerin Christiane Neudorfer zum Jahresanfang klassenübergreifend Briefe mit Fragen und Sorgen an die lokalen Direktkandidaten zu Papier gebracht.

Die PZ veröffentlicht an dieser Stelle Ausschnitte der besagten Briefe. Die angesprochenen Wahlkämpfer – Katja Mast (SPD), Rainer Semet (FDP), Gunther Krichbaum (CDU), Helmut Kuntschner (Linke), Diana Zimmer (AfD) sowie die hiesigen Grünen – haben nun eine Woche lang die Gelegenheit, Antworten zu geben. Diese werden am Samstag, 1. Februar, ebenfalls in der PZ veröffentlicht. Ob sie damit zufrieden sind oder ob ihnen noch etwas auf dem Herzen brennt, bewerten die Schüler in einem persönlichen Fazit – nachlesbar am 8. Februar in der PZ.

Briefe an die CDU

Marlene Schweitzer und Sergei Smolnikov.
Stefan Rietbrock

"Sehr geehrter Herr Krichbaum,

Im Rahmen der anstehenden Bundestagswahlen habe ich mich dazu entschlossen meinen Brief an Sie, beziehungsweise die CDU zu adressieren. Da Umweltschutz nicht nur für mich persönlich ein wichtiges Thema darstellt, sondern Menschen weltweit betrifft, werde ich im Folgenden auf Ihre diesbezüglichen Maßnahmen eingehen. 

Aufgrund der knappen Auseinandersetzung mit diesem globalen Problem in Ihrem Wahlprogramm und Friedrich Merz’ kontroversen Aussagen, welche er in den letzten Wochen getroffen hat, stelle ich mir die Frage, für wie dringend Ihre Partei Umwelt- und Klimaschutz eigentlich erachtet. 

Im Wahlprogramm der CDU wird die Hoffnung auf das Erreichen der Klimaziele fast gänzlich auf die CO2-Steuer gesetzt, eine meiner Meinung nach zurecht umstrittene Maßnahme.

Grundlegend ist die Idee, den Ausstoß von CO2 durch höhere Preise zu verringern, sodass jeder selbst entscheiden kann, ob man nicht doch lieber auf eine umweltfreundlichere Alternative zurückgreifen möchte, gut. So „erzwingt“ man nichts, man schafft lediglich Anreize, was mit Sicherheit bei vielen Bürger*innen positiver aufgenommen wird, als ganz klare Verbote auszusprechen. Auch dass die Einnahmen z.B. für Fahrradwege etc. eingesetzt werden, finde ich sehr gut. Jedoch betrachte ich die soziale Schieflage, die durch die Abgaben entsteht, kritisch. Natürlich, zunächst betreffen die höheren Kosten der Emissionen lediglich die Unternehmen, allerdings werden diese an die Verbraucher*innen weitergegeben. So werden sich im Endeffekt gerade die ärmeren Haushalte einschränken müssen, während die wohlhabenderen Bürger*innen ihren CO2-Ausstoß wohl kaum ändern werden.  Dabei ist es besonders die Oberschicht, welche unser Klima so stark belastet. Alleine im Jahr 2019 stieß das reichste Prozent der Deutschen 15-mal so viel Tonnen CO2 pro-Kopf aus, wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung. Ich denke, dass es sich hier um eine so drastische Differenz handelt, dass ein „Preisschild“ auf Emissionen nur schwer eine effiziente und gleichzeitig faire Lösung darstellen kann. Selbst wenn es gute Ausgleiche für die ärmeren Haushalte geben sollte, halte ich es beinahe für fahrlässig, sich hauptsächlich auf die CO2-Steuer zu konzentrieren.

In den letzten Wochen und Monaten hat insbesondere Friedrich Merz aus den Reihen der CDU immer wieder eine Rückkehr zur Atomkraft angedeutet - nicht nur wirtschaftlich, auch umwelttechnisch wäre dieser Schritt mehr als sinnlos.  Atomkraftwerke sind zwar CO2-freundlich, doch der Endmüll ist hochgiftig. Es gibt aktuell keinen Anlass für Deutschland wieder zu diesem gefährlichen, im schlimmsten Fall tödlichen Geschäft, zurückzukehren. Deutschlands Stromversorgung soll bis 2030 bereits zu 80% aus erneuerbaren Energiequellen stammen, selbst wenn wir unmittelbar wieder in die Atomkraft einsteigen würden, bezweifeln Expert*innen, dass dieser Schritt nennenswert zur Erfüllung dieses Ziels beitragen würde. Zudem läge der Fokus vermutlich so stark auf den AKWs, dass man den Ausbau von erneuerbaren Energien vernachlässigen würde. Auch wenn Friedrich Merz der Meinung ist, dass Windräder nur eine Übergangslösung darstellen und hässlich sind, sehen das noch längst nicht alle Bürger*innen und Wissenschaftler*innen so. Erneuerbare Energien sind immens wichtig im Kampf gegen den Klimawandel, sie stoßen kein schädliches CO2 aus, und erzeugen im Gegensatz zur Atomkraft auch keine radioaktiven Endprodukte, die noch in 100 000en von Jahren eine Gefahr darstellen werden. Es wäre übrigens auch schwierig, die Atomkraft nur als „zusätzliche“ Energiequelle zu nutzen. AKWs sind darauf ausgelegt, durchgängig in Betrieb zu sein, können also schlecht so präzise auf die aktuelle Stromanfrage eingehen, wie z.B. Windräder es schaffen. Das würde bedeuten, dass Atomkraft die Haupt-Energiequelle wäre, nicht aber die erneuerbaren Energien. 

Selbst für Deutschlands Ziel, bis 2045 klimaneutral zu werden, kämen die AKWs zu spät und wären des Weiteren auch nicht rentabel. Strom aus AKWs ist ca. 5-mal teurer als Strom aus Wind- oder Solaranlagen, die alten Kraftwerke wieder zu aktivieren würde ebenfalls zu lange dauern. Ich persönlich sehe also keinen Grund, weshalb genau Deutschland wieder zur Atomkraft zurückkehren sollte. 

Auch über Kernfusion ernsthaft zu diskutieren ist mehr als unnötig. Schon seit den 1960ern Jahren wird an ihr geforscht, und dennoch sind wir meilenweit davon entfernt, sie in näherer Zukunft als nutzbare Energiequelle bezeichnen zu können.

Meine Frage ist also, was dagegenspricht, einfach schnellstmöglich unsere Wind- und Solaranlagen weiter auszubauen, anstatt diese durch viele bürokratische Hürden unnötig zu erschweren, oder mit unrealistischen Zukunftstechnologien (wie z.B. Kernfusion) von ihnen abzulenken. 

Auch weshalb Ihre Partei den Klimawandel wie ein winziges Problem behandelt, ist mir schleierhaft. Da Sie ja oft auf das Thema Wirtschaft in Ihrem Wahlprogramm eingehen: auch wirtschaftlich gesehen wäre es sinnvoll, sich umfassend und mit echtem Interesse mit dem Klimawandel auseinander zu setzen. Zwischen den Jahren 2000 und 2021 sind in Deutschland Schäden in einer Höhe von mindestens 145 Milliarden Euro entstanden. Die zukünftigen Kosten werden bis 2050 im Idealfall „nur“ bei ca. 280 Milliarden Euro liegen, können aber auch 900 Milliarden Euro betragen. Es wäre also auch finanziell gesehen dringend notwendig, sich stärker für unsere Umwelt einzusetzen. 

Das alles sind ja nur hohe finanzielle Verluste, die Todesfälle, die der Klimawandel bereits verursacht hat und weiter verursachen wird, sind für mich allerdings noch viel gravierender. Seit 2004 sind allein durch die zehn weltweit tödlichsten Unwetterereignissen über eine halbe Million Menschen umgekommen. Ohne den Klimawandel wären die Opferzahlen geringer. 

Ich würde mir von der CDU also unbedingt wünschen, dass sie sich stärker für den Klimaschutz einsetzt, und nicht auf unsachliche, teilweise sogar beleidigende Art und Weise gegen diejenigen (beispielsweise Parteimitglieder der „Grünen“) wettert, die sich wirklich um unsere Umwelt sorgen."

Mit freundlichen Grüßen,

Marlene Schweitzer

(Klasse 11)

"Sehr geehrter Herr Krichbaum,

mein Name ist Sergei Smolnikov, und ich bin Schüler der 10. Klasse des Hebel-Gymnasiums Pforzheim. Obwohl ich noch jung bin, interessiere ich mich sehr für die Energiepolitik und die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes. Mein Ziel ist es, später selbst ein Unternehmen zu gründen und als Unternehmer dazu beizutragen, Deutschland zukunftsfähig zu machen. In den letzten Jahren hat Deutschland wichtige Entscheidungen getroffen, insbesondere im Bereich der Energiepolitik. Der Ausstieg aus der Atomkraft sowie die aktuelle Energiekrise haben mich dazu gebracht, darüber nachzudenken, wie unser Land auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben kann. Es scheint, als verliere Deutschland an wirtschaftlicher Zukunft, vor allem im Vergleich zu Ländern wie China, die ihre Industrien weiter ausbauen und global an Einfluss gewinnen. Besonders beunruhigend finde ich die Schließung von Werken und den Verlust von Arbeitsplätzen, die sich negativ auf den Wirtschaftsstandort auswirken.

Im Wahlprogramm der CDU auf Seite 20 wird die Nutzung von 'Entlastungsspielräumen' erwähnt, um die Stromsteuer zu senken und die Netzentgelte zu reduzieren. Ebenso wird von einer attraktiven Unternehmensbesteuerung von maximal 25 Prozent auf einbehaltene Gewinne gesprochen sowie von der Forschung zu Kernenergie der vierten und fünften Generation. Angesichts der Tatsache, dass der deutsche Haushalt seit mehreren Jahren ein Defizit aufweist, stellt sich die Frage: Woher sollen die finanziellen Mittel kommen, um diese Ziele zu erreichen? Bedeutet dies eine Umverteilung von Mitteln aus anderen Bereichen oder eine verstärkte Schuldenaufnahme?

Zudem stellt sich die Frage, ob wir noch genügend Zeit haben, um uns von der Energiekrise zu erholen. Sollte es bereits zu spät sein, werden die Bemühungen, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zurückzuerlangen, noch schwieriger. Wie realistisch ist es, dass wir in dieser Hinsicht noch die nötigen Fortschritte erzielen können? Andere Länder setzen weiterhin auf Kernenergie und investieren in neue Technologien. Die Vereinigten Staaten betreiben mit 93 Reaktoren die meisten Kernkraftwerke weltweit und deckten 2022 etwa 18 Prozent ihres Strombedarfs durch Kernenergie. China betreibt derzeit 55 Reaktoren und hat 30 weitere im Bau, was das Land zu einem der führenden Akteure im Bereich der Kernenergie macht.

In Europa ist Frankreich mit 56 aktiven Reaktoren führend und erzeugte 2023 rund 65 Prozent seines Stroms aus Atomkraft. Im Gegensatz dazu hat Deutschland den vollständigen Atomausstieg beschlossen. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen stellt sich also die Frage, ob Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit im Energiesektor langfristig sichern und die bestehenden Rückstände rechtzeitig aufholen kann.

Angesichts meines Interesses an IT-Unternehmen und Innovationen interessiert mich auch, wie die Attraktivität des Standorts Deutschland langfristig gestärkt werden kann, insbesondere für IT-KMUs. Welche konkreten Maßnahmen sind geplant, um IT-Startups und mittelständische IT-Unternehmen in Deutschland zu fördern, und welche Rolle spielt dabei die steuerliche Entlastung? Gibt es Initiativen, die es jungen Unternehmern ermöglichen, in der deutschen Wirtschaft wettbewerbsfähig zu bleiben und innovative Geschäftsmodelle erfolgreich umzusetzen? Vor dem Hintergrund der vorangehenden Digitalisierung und technologischen Revolution, vor allem in Feldern des maschinellen und tiefen Lernens (KI-Modelle und Industrie 4.0-Lösungen), die zunehmend energieintensive und kostenaufwändige Technologien erfordern, wie plant Deutschland, innovativen Geschäftsmodellen einen Nährboden zu bieten?

Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Zeit und Ihre Überlegungen zu den von mir angesprochenen Themen. Als junger Mensch, der sich für die Zukunft Deutschlands und die Förderung von Innovationen in IT und Wirtschaft interessiert, würde ich mich sehr über Ihre Einschätzungen und Antworten freuen. Es ist mir ein großes Anliegen, zu verstehen, wie wir als Land nicht nur die aktuellen Herausforderungen meistern, sondern auch langfristig eine zukunftsfähige Wirtschaft aufbauen können. Ich hoffe, dass Ihre Politik die notwendigen Impulse setzt, um Deutschland als attraktiven Standort für Innovationen zu stärken.

Ich freue mich auf Ihre Antwort und danke Ihnen nochmals für Ihre Aufmerksamkeit."

Mit freundlichen Grüßen,

Sergei Smolnikov

(Klasse 10)