Die Schüler Floria Viola Waldhier und Kilian Rupf haben ihre Briefe an die FDP gerichtet.
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Pforzheim
Briefe nach Berlin: Pforzheimer Schüler stellen Fragen an die FDP
  • pz, Floria Viola Waldhier, Kilian Rupf

Pforzheim. Es geht ihnen um die Umwelt, die Wirtschaft, die Verkehrspolitik, das Gesundheitssystem und Migration – wenige Wochen vor der Bundestagswahl haben sich Oberstufenschüler des Pforzheimer Hebel-Gymnasiums mit den Wahlprogrammen, Themen und Forderungen der prominentesten Parteien und ihren Direktkandidaten im Wahlkreis Pforzheim/Enz auseinandergesetzt. In Kooperation mit der „Pforzheimer Zeitung“haben Schüler aus dem Gemeinschaftskundeunterricht von Lehrerin Sina Feuchter, dem Geschichts- oder Deutschunterricht von Lehrer Sebastian Barth und dem Deutschunterricht von Lehrerin Christiane Neudorfer zum Jahresanfang klassenübergreifend Briefe mit Fragen und Sorgen an die lokalen Direktkandidaten zu Papier gebracht.

Die PZ veröffentlicht an dieser Stelle Ausschnitte der besagten Briefe. Die angesprochenen Wahlkämpfer – Katja Mast (SPD), Rainer Semet (FDP), Gunther Krichbaum (CDU), Helmut Kuntschner (Linke), Diana Zimmer (AfD) sowie die hiesigen Grünen – haben nun eine Woche lang die Gelegenheit, Antworten zu geben. Diese werden am Samstag, 1. Februar, ebenfalls in der PZ veröffentlicht. Ob sie damit zufrieden sind oder ob ihnen noch etwas auf dem Herzen brennt, bewerten die Schüler in einem persönlichen Fazit – nachlesbar am 8. Februar in der PZ.

Briefe an die FDP

Floria Viola Waldhier und Kilian Rupf.
Stefan Rietbrock

"Sehr geehrter Herr Semet,

gerne würde ich mich mit Ihnen über die Umstände in der Massentierhaltung austauschen, da mich diese täglich beschäftigen und ich sie als untragbar empfinde.

Die katastrophalen Haltungsbedingungen führen zu enormem Stress und Leid der Tiere. Dadurch sind sie krankheitsanfällig, was den Einsatz von Antibiotika notwendig macht. Die verwendeten Medikamente gelangen in unsere Böden, das Grundwasser, die Nahrungsmittel und belasten somit unsere Gesundheit.

Auch der Transport der Tiere erfolgt unter unwürdigen Bedingungen. Die stundenlangen Fahrten auf engstem Raum fügen den Tieren weiteres Leid zu. Meist ist diese Fahrt am Ende ihres Lebens der erste Kontakt mit Frischluft.

Ich gehe davon aus, dass Ihnen die genannten Missstände bekannt sind und frage mich, weshalb Sie sich als FDP nicht für bessere Zustände einsetzen?

Auch unsere Landwirte würden die Haltungsbedingungen ihrer Tiere gerne verbessern. Ihnen fehlen hierzu jedoch die finanziellen Mittel und die staatliche Unterstützung. Warum gewähren Sie diese nicht, um dem Leid der Tiere ein Ende zu setzen?

Selbst wenn man das Tierwohl außer Acht lässt, ist der Überkonsum von Fleisch, der die Massentierhaltung begünstigt, nicht gesund. Er fördert Übergewicht und Nährstoffmangel. Schon Albert Einstein sagte: „Nichts wird der menschlichen Gesundheit so sehr nützen und die Überlebenschancen des Lebens auf der Erde so sehr erhöhen, wie die Entwicklung hin zu einer vegetarischen Ernährung.“

Auch unsere Umwelt leidet unter der Massentierhaltung. Denn sie verursacht jährlich 5,3 Prozent der Treibhausgasemissionen, eine erschreckend hohe Zahl. Das von den Tieren ausgestoßene Methan hat schädliche Auswirkungen auf unser Klima. So auch, der massenhafte Sojaanbau für Tierfutter, der häufig mit der Abholzung des Regenwaldes verbunden ist. Wie können Sie das verantworten in unserer aktuellen Klimakrise?

In Anbetracht der negativen Auswirkungen auf Gesundheit, Umwelt, Landwirtschaft und Tierwohl frage ich mich, wie Sie sich als Partei weiterhin gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleisch aussprechen können? Die aktuellen niederen 7 Prozent unterstützen diese Missstände und das Leid der Tiere. Fleisch sollte wieder als Luxusgut betrachtet werden, nicht als Alltagsprodukt!

Ein solch unbedachter Konsum von Fleisch ist kein Zeichen gesellschaftlichen Wohlstands, sondern das einer dekadenten Gesellschaft. Statt Überkonsum, fordere ich einen bewussteren Umgang mit Fleischkonsum und Tierwohl. Mahatma Gandhi schrieb: „Man kann den Fortschritt und moralischen Wert einer Gesellschaft daran messen, wie sie mit ihren Tieren umgeht.“

Ich würde mich freuen, wenn Sie auf meine Fragen antworten würden und entsprechende Lösungsansätze bieten könnten!"

Mit freundlichen Grüßen,

Floria Viola Waldhier

(Klasse 10)

"Sehr geehrter Herr Semet,

aufgrund der anstehenden, vorgezogenen Bundestagswahl habe ich mit großem Interesse Ihr vorläufiges Parteiprogramm gelesen. Aus aktuellem Anlass haben mich vor allem die Abschnitte über den Klimaschutz und die Verkehrspolitik interessiert. Doch trotz einer grundsätzlich modernen und marktwirtschaftlich orientierten Ausrichtung, ergeben sich einige kritische Fragen und Anmerkungen, die es aus meiner Sicht wert wären, einer tieferen Reflexion unterzogen zu werden.

Ein zentrales Anliegen in Ihrer Verkehrspolitik ist die Förderung von Individualmobilität, insbesondere durch den Ausbau von Straßen und den weiteren Fokus auf den motorisierten Individualverkehr (MIV). Zwar ist es verständlich, dass in ländlichen Gebieten und im privaten Bereich nach wie vor ein hoher Bedarf an Pkw-Verkehr besteht, dennoch muss gefragt werden, inwieweit die ungebremste Förderung des MIV in Städten und Ballungsräumen mit den Zielen einer klimafreundlicheren und nachhaltigeren Verkehrspolitik vereinbar ist. Die stetige Zunahme des Straßenverkehrs führt unweigerlich zu weiteren Umweltbelastungen, Staus und schlechter Luftqualität. Es bleibt zu überlegen, ob eine Politik, die vor allem auf den Ausbau von Straßen setzt, tatsächlich der beste Weg ist, um die Herausforderungen der Mobilitätswende zu meistern. Ein lokales Beispiel ist die Öffnung der Bahnhof- und Leopoldstraße, die den Autofahrern zugutekommen soll. Dieses Projekt wird ja vor allem von Ihrem Parteikollegen Hans-Ulrich Rülke unterstützt. Nur wird eine Öffnung der Bahnhof- und Leopoldstraße, welche beide von vielen Buslinien benutzt werden, erstens zu einem deutlich erhöhten Verkehrsaufkommen und dadurch verursachten Stau führen, und zweitens eine höhere Instandhaltung erfordern, da dann nicht nur schwere Busse darüberfahren, sondern zusätzlich auch noch generell mehr Fahrzeuge. Dies stellt ja eine Behinderung für den ÖPNV dar.

Ein weiterer Punkt betrifft den Ausbau der Schieneninfrastruktur. Zwar wird im Programm auch die Modernisierung und der Ausbau des Schienennetzes thematisiert, jedoch bleibt die Frage offen, wie eine tatsächlich flächendeckende und effiziente Schienenanbindung in ländlichen Regionen realisiert werden kann. Die Diskrepanz zwischen den Ballungszentren, in denen der öffentliche Nahverkehr größtenteils gut ausgebaut ist, und den ländlichen Gebieten, die nach wie vor unter einem unzureichenden Angebot leiden, wird nicht ausreichend adressiert. Hier stellt sich die Frage, wie die FDP in Zukunft den ländlichen Raum in die Verkehrswende integrieren möchte, ohne den Individualverkehr weiter zu fördern und damit die bestehenden Umweltprobleme zu verschärfen.

Ich persönlich wohne auch eher ländlich und empfinde dies häufiger als Qual, da ich vor allem Wochenend- und Feiertags häufiger eine Stunde warten muss, bis der nächste Bus kommt.

Die Förderung von alternativen Antriebsformen wie E-Mobilität und Wasserstofftechnologie ist zu begrüßen, jedoch muss auch hier kritisch hinterfragt werden, wie schnell die notwendige Infrastruktur aufgebaut werden kann, um eine echte Verkehrswende zu ermöglichen. In Großstädten existieren bereits erste Ladeinfrastrukturen, doch in vielen ländlichen Regionen fehlt es an den nötigen Kapazitäten und der politischen Unterstützung, um den Umstieg auf Elektroautos oder Wasserstofffahrzeuge zu fördern.

Abschließend möchte ich betonen, dass eine echte Verkehrswende aus meiner Sicht nicht nur den Fokus auf technologische Innovationen und den Ausbau von Infrastruktur legen darf. Vielmehr sollte auch der gesellschaftliche Wandel und das Umdenken in Bezug auf das Mobilitätsverhalten der Menschen stärker berücksichtigt werden. Der Ausbau von Fahrradinfrastruktur, die Förderung von Carsharing und der konsequente Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs sollten genauso in den Vordergrund rücken wie die Förderung von Elektrofahrzeugen.

In Zeiten, in denen der Klimawandel eine der größten Herausforderungen für unsere Gesellschaft darstellt, ist es von entscheidender Bedeutung, klare und wirkungsvolle Maßnahmen zu ergreifen. Ihre Partei spricht sich in ihrem Programm für marktwirtschaftliche Ansätze aus und setzt auf technologische Innovationen, um den Klimaschutz voranzutreiben.

Zuallererst muss ich ihnen zustimmen, dass die europäischen Klimaziele sicher und so kostengünstig erreicht werden sollen wie möglich. Allerdings finde ich, sollte der Klimawandel auch so schnell wie möglich angegangen werden. Laut ihrem Wahlprogramm wollen sie das Ziel der deutschen Klimaneutralität bis 2045, mit dem europäischen Ziel der Klimaneutralität bis 2050 ersetzen. Die ältere Generation wird diese Klimaneutralität teilweise gar nicht mehr erleben. Und jetzt frage ich Sie, wollen sie wirklich mit der Ungewissheit weitergehen, ob dieses Ziel erreicht wird? Wollen sie wirklich ihren Kindeskindern eine solch ungewisse Zukunft überlassen? Ich persönlich und viele weitere junge BürgerInnen fassen dies so auf, als ob es einfach so weit weggeschoben werden soll, bis Sie beziehungsweise Ihre Generation nichts mehr machen kann und wir uns dann mit dieser kaputten Erde arrangieren müssen.

Ein weiterer zentraler Punkt ihrer Klimapolitik, ist die Einführung eines internationalen Emissionshandels. Allerdings ist ein internationaler Emissionshandel deutlich unrealistischer, wenn Länder wie USA, China oder Brasilien sich nicht daran beteiligen. Des Weiteren wird durch einen Emissionshandel keine fairen Wettbewerbsbedingungen sichergestellt, da die Unternehmen, welche jetzt schon viel Geld haben, sich die Zertifikate entweder untereinander aufteilen oder so viele wie möglich kaufen und wenn sie diese dann nicht brauchen, teuer an die anderen Unternehmen verkaufen. Dadurch kaufen diese Unternehmen dann nicht nur die CO2-Zertifikate, da sie diese ja brauchen, um überhaupt noch produzieren zu können, sondern müssen sich auch noch um klimafreundlichere Energien kümmern.

Ein weiteres Thema, das mich beschäftigt, ist der starke Fokus auf die Reaktivierung Kernfusion Kraftwerke und „sichere“ Kernkraftwerke. Zuallererst verstehe ich nicht, woher dieser Sinneswandel kommt, da sie persönlich am 10.11.2023 und auch am 28.04.2023 gegen eine Änderung des Atomgesetzes stimmten. Und jetzt knapp zwei Jahre später sind Sie wieder für eine Reaktivierung der Kernkraftwerke (oder Atomkraftwerke). Haben Sie jetzt eine Lösung wegen dem hochverstrahlten Atommüll, der bei der Nutzung eines Kernkraftwerks zwangsläufig entsteht, gefunden, oder woher kommt dieser Sinneswandel?

Des Weiteren sind Sie, laut Wahlprogramm, für die Aufhebung des faktischen Verbrenner-Verbots. Natürlich ist es nicht schön, wenn jemand einem etwas vordiktiert, woran man sich halten muss. Allerdings sollte man als ein erwachsener Mann oder Frau seine eigenen Bedürfnisse, unter die der Gesellschaft schieben können, vor allem wenn es viele Kinder und Jugendliche gibt, welche es schon verstanden haben und auch danach leben.

Laut aktuellen Hochrechnungen würde die FDP die 5% Hürde nicht schaffen und könnte nur noch durch drei Direktmandate in den Bundestag einziehen. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?  Es ist nur logisch, dass eine Regierungspartei in einer Dreierkoalition an Wählern verliert, aber so viele wie die FDP diese Legislaturperiode eingebüßt hat, da stellt sich die Frage, ob die Dreierkoalition der einzige Grund hierfür sein kann, oder ob die BürgerInnen generell die Werte der FDP nicht mehr so schätzen wie früher.

Abschließend möchte ich sagen, dass ich die grundsätzlichen Ausrichtungen Ihrer Partei im Bereich der Klimapolitik und Verkehrspolitik durchaus für wichtig halte. Der Einsatz für Klimaschutz und Ausweitung des öffentlichen Personen Nahverkehrs ist ein richtiger Schritt. Allerdings stellen sich durch die oben genannten Fragen, ob diese Maßnahmen ausreichen, um die Klimaziele wirklich zu erreichen, und wie diese mit sozialer Gerechtigkeit und einer nachhaltigen Verkehrswende in Einklang gebracht werden können. Ich hoffe, dass Sie diese Fragen in einer vertieften Diskussion aufgreifen und konkrete Antworten und Lösungen anbieten können.

Ich freue mich auf Ihre Antwort und darauf, mehr über die konkreten Pläne Ihrer Partei zur Bewältigung dieser zentralen Herausforderungen zu erfahren."

Mit freundlichen Grüßen,

Kilian Rupf

(Klasse 11)