Die Schüler Kim Schweiker (im Bild) und Daniel Reckling haben ihre Briefe an die Grünen gerichtet.
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Pforzheim
Briefe nach Berlin: Pforzheimer Schüler stellen Fragen an die Grünen
  • pz, Kim Schweiker, Daniel Reckling

Pforzheim. Es geht ihnen um die Umwelt, die Wirtschaft, die Verkehrspolitik, das Gesundheitssystem und Migration – wenige Wochen vor der Bundestagswahl haben sich Oberstufenschüler des Pforzheimer Hebel-Gymnasiums mit den Wahlprogrammen, Themen und Forderungen der prominentesten Parteien und ihren Direktkandidaten im Wahlkreis Pforzheim/Enz auseinandergesetzt. In Kooperation mit der „Pforzheimer Zeitung“haben Schüler aus dem Gemeinschaftskundeunterricht von Lehrerin Sina Feuchter, dem Geschichts- oder Deutschunterricht von Lehrer Sebastian Barth und dem Deutschunterricht von Lehrerin Christiane Neudorfer zum Jahresanfang klassenübergreifend Briefe mit Fragen und Sorgen an die lokalen Direktkandidaten zu Papier gebracht.

Die PZ veröffentlicht an dieser Stelle Ausschnitte der besagten Briefe. Die angesprochenen Wahlkämpfer – Katja Mast (SPD), Rainer Semet (FDP), Gunther Krichbaum (CDU), Helmut Kuntschner (Linke), Diana Zimmer (AfD) sowie die hiesigen Grünen – haben nun eine Woche lang die Gelegenheit, Antworten zu geben. Diese werden am Samstag, 1. Februar, ebenfalls in der PZ veröffentlicht. Ob sie damit zufrieden sind oder ob ihnen noch etwas auf dem Herzen brennt, bewerten die Schüler in einem persönlichen Fazit – nachlesbar am 8. Februar in der PZ.

Briefe an die Grünen

Kim Schweiker.
Stefan Rietbrock

"Sehr geehrte/r Direktkandidat/in,

mein Name ist Daniel,

als Jugendlicher und Schüler Pforzheims beschäftige ich mich intensiv mit den Herausforderungen sozial benachteiligter Menschen in Deutschland. Ihre politischen Ziele und Maßnahmen in diesem Bereich verfolge ich, auch im Bezug zur kommenden Bundestagswahl, interessiert, und möchte Ihnen einige Fragen, sowie auch Sorgen, mitteilen.

Wie in vielen Regionen unserer Welt ist Kinderarmut auch ein drängendes Problem hier in Deutschland. Trotz Ihrer Bemühungen, die Kindergrundsicherung einzuführen, ist diese bisher nicht in der Form umgesetzt worden, wie es ursprünglich geplant war. Viele Kinder leben weiterhin in Armut, was ihnen viele Chancen, ob in der Bildung oder später auf dem Arbeitsmarkt, verwehrt. Wie möchten Sie sicherstellen, dass Kinder aus sozial schwachen Familien tatsächlich die Unterstützung erhalten, welche sie brauchen? Wie planen Sie, die Mittel für eine Bekämpfung von Kinderarmut langfristig bereitzustellen?

Ihr Ziel, Wohnungslosigkeit bis 2030 zu beenden, halte ich für sehr ambitioniert und relevant. Auch, weil Obdachlosigkeit häufig ignoriert wird, obwohl davon Betroffene genauso relevante Individuen sind. Doch frage ich mich, wie konkret die Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen aussehen soll, um dieses Ziel zu erreichen. Es braucht aber nicht nur mehr bezahlbaren oder verfügbaren Wohnraum und dessen Verteilung durch z.B. das Housing-First Prinzip, sondern auch ein Auflösen von Stigmata über Obdachlose, welche ihnen den Eintritt in die Gesellschaft erschweren. Welche genauen Schritte planen Sie hier für die Zukunft?

Ein weiteres Thema, das mir am Herzen liegt, ist der Umgang mit Drogenabhängigen. Prävention allein reicht, trotz ihrer Wichtigkeit, häufig nicht aus – es braucht mehr Therapieplätze für Aussteiger sowie für Konsumierende, da ein Entzug genauso mit psychischer Belastung verbunden ist und begleitet werden sollte. Wie möchten Sie sicherstellen, dass diese Menschen den Weg zurück in ein stabiles Leben finden können? Um auf die Prävention zurückzukehren: Als Schüler persönlich kann ich sagen, dass mir stellenweise Jugendliche auffallen, welche nicht älter als 15 aussehen und schon solche Substanzen einnehmen oder über deren Konsum sprechen. Wie möchten Sie also den Drogenkonsum in der Gesellschaft, vor allem bei Jugendlichen, vorbeugen? Sind bei Ihnen neben Aufklärung, welche viele, inklusive mir, für wichtig halten, auch andere Maßnahmen geplant?

Für Menschen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, geht es meist um mehr als nur finanzielle Unterstützung: Es geht auch um Zugang zu Bildung, welcher in Deutschland zwar grundsätzlich jedem gewährt wird, jedoch wird dieser vor allem Jugendliche niedriger Lohn- und Sozialschichten durch zum Beispiel Vorurteile oder fehlende Unterstützung durch die Eltern (wegen fehlender Bildung etc.) erschwert. Auf welche Weise wollen Sie Teenager auf der Schullaufbahn unterstützen? Wie wollen Sie verhindern, dass Menschen auf den falschen Weg kommen oder sich schämen müssen, Hilfe anzunehmen? Was möchten Sie tun, um Familien, welche seit Generationen in der Armut sind, rauszuholen?

Wöchentlich sehe ich Menschen, welche auf verschiedenste Weisen hilfsbedürftig sind und vermutlich häufig wegen gesellschaftlichen Stereotypen keine Unterstützung suchen, was einen selbst sehr besorgt. Ich wünsche mir von Ihnen als Partei konkrete Schritte und Pläne zur Verbesserung solcher Lebenssituationen und den Mut, für diese zu einzustehen und durchzusetzen."

Mit freundlichen Grüßen

Daniel Reckling

(Klasse 10)

"Sehr geehrte/r Direktkandidat/in,

die Corona-Pandemie hat für viele Menschen große Herausforderungen mit sich gebracht. Besonders betroffen waren jedoch Jugendliche, die zwar nicht zur Risikogruppe zählten, aber dennoch erhebliche Belastungen erfahren haben. Die Schulschließungen, die soziale Isolation von Freunden und das lange Alleinsein zu Hause prägten diese Zeit tiefgreifend. Der überstürzt organisierte Online-Unterricht stellte eine immense Herausforderung dar, nicht nur für Lehrerinnen und Lehrer, sondern auch für uns Schülerinnen und Schüler. Die eigenständige Aneignung von Lernstoff wurde plötzlich zur Norm, und als der Präsenzunterricht wieder eingeführt wurde, blieb keine Zeit, die entstandenen Lücken zu schließen. Stattdessen wurde der Unterricht einfach fortgesetzt, ohne Rücksicht auf das, was verpasst wurde. Die Konsequenzen davon sind bis heute spürbar.

Neben den schulischen Defiziten haben die psychischen Belastungen, die durch die Pandemie verstärkt wurden, gravierende Spuren hinterlassen. Schon vor der Pandemie war die Zahl der Jugendlichen mit psychischen Problemen alarmierend hoch. Studien zeigen, dass der Konsum von Suchtmitteln, insbesondere von Videospielen und sozialen Medien, während der Pandemie deutlich zugenommen hat. Das ist kaum verwunderlich, denn das dauerhafte Lernen von zu Hause erschwerte die Trennung zwischen Schule und Freizeit. Viele Jugendliche versuchten, die Überforderung zu kompensieren, indem sie während des Unterrichts soziale Medien nutzten. Diese Verlagerung ins Digitale hat nicht nur die Konzentration beeinträchtigt, sondern auch die sozialen Kontakte weiter eingeschränkt.

Digitale Kommunikationsmittel wie Facetime wurden zu einer wichtigen Verbindung zu Freunden, konnten den fehlenden direkten Kontakt jedoch nicht ersetzen. Für viele Jugendliche wurde die Familie zum einzigen sozialen Umfeld. Der dauerhafte Kontakt innerhalb der Familie bot jedoch ebenfalls Konfliktpotenzial, was die Belastung weiter erhöhte. Hinzu kamen politische Maßnahmen wie der Druck zur Impfung, der nicht nur die Gesellschaft spaltete, sondern auch innerhalb von Familien für Spannungen sorgte.

Diese Umstände hatten schwerwiegende Konsequenzen. Viele Jugendliche litten unter Stress, Schlafstörungen und Gefühlen von Traurigkeit, die in vielen Fällen zu psychischen Erkrankungen wie Depressionen führten. Auch körperlich machte sich die Pandemie bemerkbar. Sportliche Aktivitäten, die zuvor einen festen Bestandteil des Alltags bildeten, konnten nicht mehr ausgeübt werden. Dies führte zu Bewegungsmangel, teils zu Übergewicht und vor allem zu einem Verlust an Interessen. Gerade in einem Alter, in dem die Entwicklung von Interessen und Persönlichkeit besonders wichtig ist, wurden diese Möglichkeiten stark eingeschränkt. Viele Jugendliche sehen sich heute mit Zukunftsängsten konfrontiert.

Auch die schulischen Defizite tragen zu diesen Zukunftsängsten bei. Das zwei Milliarden Euro schwere Corona-Aufholprogramm sollte eigentlich helfen, diese Lücken zu schließen. Leider sind die Gelder oft nicht dort angekommen, wo sie am dringendsten benötigt wurden. Sie reichen nicht aus, um Kinder und Jugendliche angemessen zu fördern. Gleichzeitig steigt der Druck in der Schule, als wäre die Pandemie vorbei und alle Probleme gelöst. Doch die Wahrheit ist: Die Folgen der Pandemie sind noch lange nicht bewältigt. Medienabhängigkeit, Depressionen und schulische Probleme sind nach wie vor präsent und dürfen keinesfalls ignoriert werden.

Angesichts dieser anhaltenden Herausforderungen möchte ich folgende Fragen an Sie richten: Welche konkreten Maßnahmen plant Ihre Partei, um Jugendliche bei der Bewältigung der psychischen und schulischen Folgen der Pandemie zu unterstützen? Welche Schritte werden unternommen, um sicherzustellen, dass bestehende Förderprogramme effektiver gestaltet werden und die Mittel tatsächlich dort ankommen, wo sie dringend gebraucht werden? Gibt es Bestrebungen, die Themen Medienabhängigkeit und soziale Isolation gezielt anzugehen, um deren langfristige Auswirkungen auf die Jugend zu minimieren? Wie gedenken Sie, den Zugang zu psychologischer Unterstützung zu verbessern, um der wachsenden Zahl an Jugendlichen mit psychischen Belastungen gerecht zu werden?

Mit diesem Schreiben möchte ich darauf aufmerksam machen, dass die Probleme, die durch die Pandemie entstanden sind, noch lange nicht überwunden sind. Es ist dringend notwendig, gezielte Unterstützung anzubieten, um einer Generation zu helfen, die diese schwierige Zeit bewältigen muss. Ich hoffe auf Ihr Verständnis und Ihre Bereitschaft, sich für die Interessen und das Wohl junger Menschen einzusetzen, damit die langfristigen Auswirkungen dieser Krise nicht weiterhin unterschätzt werden.

Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen."

Mit freundlichen Grüßen,

Kim Schweiker

(Klasse 10)