
Die Rührung steht ihm ins Gesicht geschrieben. Das Sparkassen-Team hat Ekrem Esiyok ein gebundenes Buch geschenkt, das an seine Zeit in Pforzheim erinnert, die wohl für beide Seiten unvergesslich bleibt. Foto: Meyer





- Claudius Erb
Pforzheim. Den Mann mit dem Helm und dem gewinnenden Lächeln kennt in der City inzwischen wohl jeder. Ekrem Esiyok hat fast ein Jahr lang den Abbruch der früheren Kundenhalle der Sparkasse Pforzheim Calw an der Poststraße geleitet und überwacht.
Dieser Artikel ist eine der 18 "PZ-Storys des Jahres". Was hat es damit auf sich? Pünktlich zum Jahreswechsel hat PZ-news die Geschichten des Jahres zusammengestellt: Ein - unvollständiger - Blick auf die besten, spannendsten und bewegendsten Texte, Bilder und Multimediareportagen des Jahres 2018. Diese sind jedoch kein klassischer Jahresrückblick, wie er am Montag, 31. Dezember, in der Pforzheimer Zeitung zu finden ist. Vielmehr handelt es sich bei der Zusammenstellung - ganz subjektiv - um einige Lieblingsgeschichten der PZ-news-Redaktion. Sie gingen zu Herzen, bewegten die Menschen, lösten Diskussionen aus. Eine Übersicht über all diese 18 ausgewählten Geschichten erhalten Sie hier
Ein Knochenjob, der nonstop volle Konzentration erforderte. Dennoch sagt Esiyok nun nach getaner Arbeit, er werde Pforzheim vermissen. Das beruht auf Gegenseitigkeit.
Unvergessen, wie der riesige Dino zum ersten Mal seine Hauer in die Fassade der früheren Kundenhalle der Sparkasse schlägt und Brocken aus dem Baggerschlund in die Tiefe prasseln – vor den faszinierten Blicken etlicher Zaungäste. Unvorstellbar, mit welcher Kraft, aber auch Präzision sich die Abbruchprofis mit ihren kolossalen technischen Helferlein voranarbeiten – langsam, aber unaufhaltsam. Unerschrocken, wie da stets mittendrin dieser Mann mit dem weißen Helm und der leuchtenden Schutzweste Ruhe und Übersicht bewahrt, ins Funkgerät oder Mobiltelefon spricht, wenn’s sein muss, selbst mit anpackt – nicht selten auf winzigen Vorsprüngen in schwindelerregender Höhe. Unfassbar eigentlich, wenn eben jener Mann heute, da endlich alles geschafft und plattgemacht ist, wehmütig klingt und sagt: „So eine schöne Baustelle werde ich nie wieder kriegen.“
Die Stationen dieses Mammutprojekts führen Bilder eines Buchs vor Augen, das ihm das Sparkassenteam zum bevorstehenden Abschied überreicht hat. Für Ekrem Esiyok „das beste Geschenk meines Lebens“. Er strahlt, während er das sagt, zugleich stehen ihm Tränen in den Augen: „Jetzt bin ich traurig, die haben mich hier verwöhnt.“ Alle hier haben ihn aber auch enorm gefordert.
Seit 2003 gehört das systematische Plattmachen für die AWR Abbruch GmbH zu seinem beruflichen Alltag, und doch war dies eine besondere Herausforderung. Die abschüssige Lage der Baustelle. Die direkt angrenzenden Gebäude – Industriehaus und PZ. Die Fülle an Kollegen – während der Entkernung bis zu 25. Die Masse an Material: wohl rund 80.000 Kubik Gebäude-Abbruch, noch einmal fast halb soviel Fels- und Erdaushub. „Außenstehende denken, die machen ja nur alles kaputt“, weiß Esiyok. Doch zeitweise wurde von Hand gearbeitet, damit die An- und Nachbarbauten keinen Schaden nehmen:
„Als Polier musst du wissen, wo man zuerst beißen muss“, sagt Esiyok: „Wenn man so wenig Platz hat, muss man noch mehr aufpassen, denn man trägt Verantwortung für alle – in erster Linie für deren Sicherheit.“ Und dann wurde auch noch jeder Biss beäugt vom Bauherrn und dessen Planern, von den eigenen Vorgesetzten, von den Chefs und ihren Angestellten ringsum in den Büros, aber auch von unzähligen Passanten. „Das Interesse und die Wertschätzung aus der Nachbarschaft haben uns stark gemacht, uns noch mehr Rücksicht nehmen lassen“, betont der Mann mit dem gewinnenden Lächeln, der über viele Monate die meiste Zeit in Pforzheim allein – weit weg von seiner in Gießen lebenden Familie – und doch nie einsam war.
Bilder im Buch zeigen ihn in klirrender Kälte und bei großer Hitze, bei Wind und Wetter auf dem Bau, aber auch im Gespräch – durch die Gitter des Absperrzauns wie unterm „singenden Elch“ auf dem Goldenen Weihnachtsmarkt oder bei der PZ-Aktion zum Umbau der Fußgängerzone, als es der Abbruchmann etlichen PZ-Lesern nachtat und sich als Dicker in die Pose der legendären Bronzefigur warf. In der Goldstadt habe er, obwohl er im Wortsinn tief grub, kein Gold gefunden, aber Menschen, die „Gold wert“ seien.
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