
Pforzheim. Na gut, einige Leser haben die Sache dann doch schnell durchschaut: Die Kreuzfahrtschiffe am Pforzheimer Waisenhausplatz bleiben nur Traumschiffe. Auch wenn Pforzheims Baubürgermeister Tobias Volle – aka Florian Silbereisen – bei seiner visionären Idee an wirklich alles gedacht hat: Zeitplan, Finanzierung, Vorteile für die Stadt und die Bürger und nicht zuletzt eine malerische Route auf der Enz. Zu schön, um wahr zu sein? Ja. Also: Wer Kreuzfahrt in Pforzheim erleben will, muss das weiterhin vor dem Fernseher tun. Und wer die Enz per Schiff entdecken möchte? Da wären ja noch die Tretboote am Bootspick. April, April!
Volle Kraft voraus! Und voll(e) abgefahren? Ja, diese Idee von Pforzheims Baubürgermeister Tobias Volle wird buchstäblich hohe Wellen schlagen in der Goldstadt und weit darüber hinaus. Der Chef von Dezernat 2 im Rathaus hat nach einem Dreivierteljahr im Amt eine große Vision. Zukünftig sollen mittelgroße Kreuzfahrtschiffe in der Enz am Waisenhausplatz anlegen und so bis zu 1000 Touristen auf einmal in die Stadt bringen.
„Wir wollen die Flüsse besser bespielen und die Innenstadt beleben“, erklärt Volle seine Motivation für die Idee. Denn zu entdecken und zu erleben gebe es in Pforzheim genug, findet der Baubürgermeister und zählt Kultur, Einzelhandel, Gastronomie, Hotellerie und vieles mehr auf. Und auch Wirtschaftsförderer Markus Epple von der Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim sagt: „Kreuzfahrt in Pforzheim ist wohl das Idealste, was man sich vorstellen kann. Allein, was die Touristen an Umwegrentabilität in unserer Stadt lassen freut den Einzelhandel, die Gastronomen und auch die Touristiker in uns.“
Und nicht zuletzt erinnere die Stadtkirche an der Enz Baubürgermeister Volle doch sehr an den Turm des Markusdoms in Venedig – ein beliebtes Ziel für Kreuzfahrtschiffe. Doch Markusplatz war gestern: Zukünftig soll der Waisenhausplatz Ziel und Endstation für Touristenschiffe sein.
"1000 Leute verteilen sich gut über die Stadt."
Tobias Volle, Baubürgermeister in Pforzheim. Er könnte sich vorstellen, die beliebte Bimmelbahn als Transfer für die Touristen zu nutzen.
"Kreuzfahrt in Pforzheim ist wohl das Idealste, was man sich vorstellen kann."
Markus Epple, Leiter Geschäftsbereich Wirtschaftsförderung bei der WSP
Und wie soll das konkret funktionieren? Volle hat alles bereits voll durchdacht: Natürlich sei das Projekt eines für die nächsten Jahrzehnte, Volle spricht von einem „Jahrhundertprojekt“. Und freilich werde Pforzheim es nicht alleine verwirklichen können. Mit der Landesregierung sei man bereits im Gespräch. Die Zustimmung aus Baden-Württemberg sei wichtig, denn die Flüsse in Pforzheim – Enz, Nagold und Würm – seien Landessache.
Simple Kostenrechnung für ein Milliardenprojekt
Und wer soll das bezahlen? „Die Realisierung hängt maßgeblich von der Finanzierung ab“, ist sich Volle bewusst. Er spricht von einer dreifachen Kofinanzierung von Europäischer Union, Bund und Land. Doch auch die Goldstadt werde ihren Teil beisteuern. Kann die Stadt sich das leisten? Die Rechnung sei eigentlich simpel: Grob überschlagen rechne Volle mit Gesamtkosten zwischen 750 Millionen und einer Milliarde Euro. Bei einem Eigenanteil von 30 Prozent (rund 300 Millionen Euro) und finanziert über die nächsten 50 Jahre entspräche das einer jährlichen Rate von sechs Millionen Euro. „Das ist nicht einmal ein Prozent unseres Haushaltsvolumens“, erklärt der Baubürgermeister.
Dass die Pläne einen massiven Eingriff ins Gewässer darstellen würden, sei ihm bewusst. Entsprechende Ausgleichsmaßnahmen müssten miteingeplant werden. Und auch, dass es zu Kreuzfahrtschiffen oft Kritik gebe, werde nicht außer Acht gelassen. Volle setze darauf, dass es bis zur Fertigstellung in Pforzheim eine umweltfreundliche technische Lösung im Schiffsbau gibt.

Bis dahin sei viel zu tun: Die Enz sei stellenweise nicht breit und nicht tief genug. Am Waisenhausplatz müsste eine Anlegestelle für die Kreuzfahrtschiffe entstehen. Die eine oder andere Brücke müsste baulich verändert werden. Die Enz vor dem Stadttheater würde zum Hafen werden, der dortige Rasenbereich müsste geflutet werden. Dort sei genug Platz. Hier wäre dann gewissermaßen auch Start- und Endstation für die Schiffe. Von Pforzheim in die große weite Welt? Ahoi! Für die hiesigen Bürger würde das Projekt neue Freizeit- und Urlaubsmöglichkeiten eröffnen. Eine mögliche Route: Über die Enz geht es Richtung Osten, ehe der Fluss bei Walheim in den Neckar mündet. Der wiederum mündet bei Mannheim in den Rhein. Der Rhein endet irgendwann bei Rotterdam, Niederlande, in der Nordsee. Und von dort stehen die Weltmeere offen.
Aber zurück in die Region: Enz-angrenzende Städte und Gemeinden haben laut Volle bereits Interesse an einem Zwischenhalt der Kreuzfahrtschiffe bekundet. Auf dem Weg liegen etwa Mühlacker, Vaihingen an der Enz und Bietigheim-Bissingen. Michael Wolf ist Baubürgermeister seiner Heimatstadt Bietigheim-Bissingen, kennt Pforzheim durch seine Tätigkeit als dortiger Planungsamtsleiter bis 2021 aber ebenfalls gut. Er freue sich, die positiven Entwicklungen in seiner alten Wirkungsstätte aktiv begleiten zu dürfen. Bereits im Masterplanprozess, bei dem er damals das Themenfeld Stadtbild und Wohnen begleitete, sei die Idee , die Enz aufzustauen und eine Stadt am See zu schaffen, aufgekommen. „Für einen Brückenbau, der in Bietigheim-Bissingen in Kürze umgesetzt werden soll, wurden bereits alle Voraussetzungen geschaffen, um ein Passieren des künftigen Schiffsverkehrs gut zu ermöglichen“, so Wolf. Die Zeichen stehen also auf viel Zustimmung. Auch Georg Leicht, Juwelier und Unternehmer in Pforzheim, würde seinen Schmuck gerne in einer Bordboutique auf den Kreuzfahrtschiffen anbieten – damit hat seine Firma bereits eh Erfahrung.

Und Tobias Volle? Der war tatsächlich noch nie auf einem Kreuzfahrtschiff. Dass er sich aber mit der Kapitänsmütze auf dem Kopf schon ziemlich wohl fühlt, wird beim Termin mit der PZ deutlich. Also: Volle Kraft voraus auf der MS Pforzheim!



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