Pforzheim. Das Forschungsprojekt „KUPFER – Die Lehrmittelsammlung der Kunstgewerbeschule Pforzheim“ erzählt ein Stück von Pforzheims Geschichte durch Dinge, die gestaltet, gesammelt, gelehrt und genutzt wurden. Im Rahmen dieses Projekts fand nun an der Hochschule Pforzheim die internationale Tagung „Medium Lehrmittel“ statt. Renommierte Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen an der Fakultät für Gestaltung kamen zusammen, um über Lehrmittel als eigenständige Akteure der Wissensvermittlung zu diskutieren.
Von alchemistischen Bilderhandschriften über galvanisierte Pflanzenmodelle und Glasdias bis hin zu Heimcomputern – die Tagung zeigte die Vielfalt didaktischer Medien und ihre aktive Rolle in Bildungsprozessen.

Erbe sichtbar gemacht
Kaum jemand in Pforzheim, der nicht direkt oder mittelbar eine Verbindung zur heutigen Fakultät für Gestaltung oder ihrer historischen Vorläufer hat. Die Lehrmittelsammlung der Kunstgewerbeschule, der sich das Forschungsprojekt „KUPFER“ widmet, ist prägend für Pforzheims gestalterische Ausbildung und Identität als Designstandort. Die Tagung machte dieses Erbe sichtbar und eröffnete zugleich neue Perspektiven auf die Rolle didaktischer Objekte zwischen Mediengeschichte, Materialkultur und Zukunft des Lernens. „KUPFER“ ist eines von deutschlandweit sechs derartigen Projekten, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung aktuell fördert.
Rektor Ulrich Jautz, Dekan Johann Stockhammer sowie die Veranstalte, Professor Evelyn Echle und Professor Thomas Hensel eröffneten die Tagung. Den ersten Impuls setzte Professor Ann-Sophie Lehmann (Universität Groningen), die in ihrer ethnografischen Forschung untersucht, wie in Werkstätten von Kunsthochschulen Lehrmittel eingesetzt werden. Dabei hob sie auch eine weniger beachtete Kategorie hervor: das sogenannte Lehrzeug – all das Flüchtige und Ephemere auf Regalen und Notizzetteln, das im Arbeitsprozess aufgeht.
Tabea Schmid, Akademische Mitarbeiterin im Projekt KUPFER, untersuchte Schülerausstellungen der Pforzheimer Kunstgewerbeschule und zeigte, dass diese nicht nur Ergebnisse präsentieren, sondern auch Normen der Ausbildung reflektieren. Am Beispiel der Schülerausstellung von 1927 machte sie das Spannungsfeld zwischen Serialität und Singularität im Design deutlich. Professor Eva Maria Froschauer (Berliner Hochschule für Technik) erweiterte die Perspektive mit der Frage: „Wie lässt sich die Schnittstelle von Material zu Entwurfsprozessen beschreiben?“


Austausch über das Forschungsprojekt „Kupfer“ im PZ-Forum
Sie analysierte Sammlungsobjekte als Werkzeuge für kreative Prozesse, etwa in der Architektur Le Corbusiers, und bezeichnete diese als Augenblicksgötter – Dinge, die das Vergangene bewahren, um das Zukünftige zu inspirieren. Ihr Fazit: „Die Obsession des Sammelns sucht in der Geschichte der Architektur auch einen Weg außerhalb der expliziten Lehrmittelsammlung.“ Dr. Angela Nikolai (Museum Naturalienkabinett Waldenburg) führte die Zuhörenden in das kunstgewerbliche Pflanzenstudium des 19. Jahrhunderts ein. Am Beispiel von Pflanzenvorlagen des Kunstpädagogen Moritz Meurer (1839–1916) fragte sie: „Wie zogen die Pflanzen in die Klassenräume ein?“ und zeigte aus dem reichhaltigen Quellenmaterial, dass Pflanzenmodelle auf Papier, in Gips und aus Metall untereinander Verweise schufen.


Erinnern an die Lehrmittelsammlung der Pforzheimer Kunstgewerbeschule
Glasdias im Fokus
Ein weiteres Highlight war der Vortrag von Professor Frank Kessler (Universität Utrecht) und Dr. Sabine Lenk (Universität Marburg), die Glasdias als zentrale Medien der universitären Lehre bis weit über die 1920er-Jahre hinaus untersuchten. Sie beschrieben Glasdias als „immutable mobiles“ (Latour), also als mobile Lehrmittel, die in Vorträgen zirkulieren und zugleich unveränderlich bleiben. Dr. Veronika Tocha (Staatliche Museen zu Berlin) gab Einblicke in ihre Forschungsarbeit zum Taufbecken von Siena und seiner Gipsmodelle, die nicht bloße Kopien, sondern Objekte mit eigener Bedeutung seien. Das allererste Gipsmodell ließ sie im Jahr 2024 nach behutsamer Restauration im Berliner Bode-Museum ausstellen. Dr. Jörg Völlnagel (ebenfalls Staatliche Museen zu Berlin) zeigte anhand farbenfroher Bilderhandschriften der Alchemie, dass diese Lehrmittel nicht für Lernende, sondern für Wissende gedacht waren, die die allegorisch kodierten Anleitungen zu deuten wussten.

Dr. Ina Katharina Uphoff (Universität Würzburg) erklärte: „Schulwandbilder sind explizites Zeigzeug. Ihr Anspruch war es, alles zu zeigen, doch mussten sie die Welt destillieren. Durch die Balance von Akzentuierung und Vereinfachung wurden sie Modelle der Vorstellung – sie öffneten den Blick der Schüler und verstellten ihn zugleich.“ Den Schlusspunkt setzte Dr. Stefan Höltgen (Universität Halle/Universität Bonn), der mit „GOSUB 1982“ Heimcomputer als Lehrmittel für medienwissenschaftliche Seminare aktiviert.
Ein Rundgang durch das Fakultätsgebäude ermöglichte Einblicke in die historische Architektur der Kunstgewerbeschule Pforzheim. Das 1911 errichtete Gebäude war einer der ersten Eisenbetonskelettbauten Baden-Württembergs und besaß innovative Lehrmittelräume mit Frischluftzufuhr, Pflanzenhäusern und sogar Aquarienanlagen. Die Tagung „Medium Lehrmittel“ machte deutlich: Didaktische Objekte sind keine neutralen Vermittler, sondern lenken Wahrnehmung und Erkenntnis.

