Der angeklagte Rentner trug vier Monate lang das Tatinstrument, eine angebliche Schreckschusswaffe, im Kofferraum herum. Symbolfoto: Polizei Thüringen/dpa
Pforzheim
Prozess um Schüsse in der Nordstadt: Staatsanwaltschaft erkennt Mordmerkmal

Es geht weiter im Fall "Schüsse in der Pforzheimer Nordstadt": Beim zweiten Verhandlungstag im Schwurgericht Karlsruhe gingen die Forderung von Staatsanwaltschaft und Verteidigung weit auseinander. Ein Urteil wird voraussichtlich erst am Mittwoch, 12. Mai, fallen.

Im vergangenen Jahr hatte der 67-jähriger Andreas S. (Name von der Redaktion abgeändert) im alkoholisierten Zustand zwei Schüsse auf die Nachbarswohnung abgegeben. Der Auslöser sei der starke Baulärm des Nachbarn gewesen.

Bei den Ermittlungen im November 2020 führte die Spur über eine Überwachungskamera der gegenüberliegenden Tankstelle zum Rentner, der als Schütze enttarnt wurde. Vorsitzender Richter Fernando Sanchez-Hermasilla zeigte den Verfahrensbeteiligten einzelne Videos.

Auf einem war zu sehen, dass die Terrassentür zuging und das Licht in der Wohnung gelöscht wurde, als die Schüsse fielen. Anders als es ursrünglich in der Anklage hieß, betrat keine Person unmittelbar nach den Schüssen die Terrasse. Somit sei der Angeklagte nicht aus Angst, erwischt zu werden, vom Tatort geflüchtet.

Angeklagter zeigt vor Gericht Reue

Während der Verhandlung zeigte sich Andreas S. reuevoll und bat darum, sich beim Geschädigten entschuldigen zu dürfen. "Es tut mir sehr leid. Ich war betrunken und wollte das alles nicht", sagte der in Kasachstan geborene Deutsche.

Dass die Tat lediglich der Trunkenheit des Angeklagten geschuldet ist, glaubt Staatsanwältin Christine Roschinski nicht. Für sie klinge die Geschichte, dass der Angeklagte das Tatinstrument von losen Angelbekanntschaften geschenkt bekommen hatte, sehr "abenteuerlich". Außerdem seien in der Wohnung des Rentners weitere Schreckschusswaffen gefunden worden.

"Wie kann jemand, der an Waffen interessiert ist, sie vier Monate lang in seinem Kofferraum mit sich herumtragen, ohne nachzuschauen, ob es sich um einen Revolver handelt oder etwas daran manipuliert wurde?", fragt sich Roschinski.

Für die Staatsanwältin sei das Mordmerkmal der Heimtücke zu erkennen, daher forderte sie eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten.

Die Verteidiger Jasmin Wanka-Bachmayer und Bastian Meyer forderten dagegen nur eine Geldstrafe für den 67-Jährigen. Sie führten an, dass der Angeklagte nicht aus Angst vor Entdeckung geflüchtet, sondern freiwillig von der Tat zurückgetreten sei, als er nach den zwei Schüssen erkannte, dass es sich bei der Waffe um ein mögliches Tötungsmittel handelte. Aus Sicht der Verteidigung liege kein Tötungsversuch vor.