2019 demonstrierten Abtreibungsgegnern vor Pro Familia.
PZ-Archiv
Pforzheim
Versammlung von Abtreibungsgegnern: Auflagen der Stadt Pforzheim rechtswidrig
  • dpa/lsw

Mannheim/Pforzheim. Die Auflagen der Stadt Pforzheim für eine Versammlung von Abtreibungsgegnern vor einer Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle waren nach einem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) rechtswidrig. Damit kassierten die obersten Verwaltungsrichter ein Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe aus dem Mai vergangenen Jahres ein.

Die beklagte Stadt Pforzheim hatte eine Verfügung erlassen, wonach die Versammlung im Jahr 2019 während der Beratungszeiten von Pro Familia nur außerhalb direkter Sicht zum Gebäudeeingang durchgeführt werden durfte. Geplant war damals von den Abtreibungsgegnern ein stilles Gebet und Mahnwache an 40 aufeinander folgenden Tagen. Geklagt hatte eine Frau, die die Versammlung durchführen wollte. Nach dem am Mittwoch in Mannheim veröffentlichten Urteil wäre eine Auflage der Stadt möglich gewesen, wenn die Versammlung die öffentliche Sicherheit unmittelbar gefährdet hätte. Dies sei hier nicht der Fall.

Zwar könne das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Frauen, die eine Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle aufsuchten, durch eine Versammlung von Abtreibungsgegnern betroffen sein. Jedoch führe nicht jeder Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der schwangeren Frauen zugleich zu einer Verletzung desselben, so der VGH. Vielmehr könnten, wie von der Klägerin angeführte Grundrechtspositionen – hier die Versammlungs-, Meinungs-, und Religionsfreiheit – Eingriffe rechtfertigen.

"Natürlich gilt es, das schriftliche Urteil abzuwarten und abzuwägen. Für mich ist aber klar: Wir brauchen wirksame gesetzliche Maßnahmen gegen Gehsteigbelästigungen. Das haben wir als Ampel so auch in unserem Koalitionsvertrag festgehalten. Der Weg zur Schwangerschaftsberatung darf für keine Frau zum Spießrutenlauf werden. Im Kern geht es um den Schutz in einer sehr schwierigen persönlichen Konfliktsituation. Für mich ist wichtig, dass wir eine bundeseinheitliche Regelung hinkriegen, die Gehsteigbelästigungen vor Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen unterbindet. Dazu bin ich auch im direkten Gespräch mit den beteiligten Ministerinnen und Ministern."

Katja Mast (SPD), Bundestagsabgeordnete für Pforzheim und den Enzkreis

Die Revision wurde nicht zugelassen. Gegen deren Nichtzulassung kann binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingelegt werden.

„Ich bin enttäuscht über das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs, der die aus meiner Sicht richtigen Auflagen der Stadt Pforzheim zum Schutz Hilfesuchender bei Schwangerschaftskonflikten nun als rechtswidrig beurteilt hat. Ich habe mir selbst mehrfach ein Bild vor Ort gemacht und die betroffene Beratungsstelle tatkräftig unterstützt, eine Lösung zu finden, die einerseits das Recht auf Versammlungsfreiheit achtet, andererseits die Hilfesuchenden und Mitarbeiter vor der Übergriffigkeit der Fundamentalisten beschützt, die die Menschen 40 Tage am Stück mit Kindersärgen und Grabkreuzen bedrängen. Ich fordere die Stadt Pforzheim deshalb auf, Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einzulegen, um die Zulassung einer Revision zu erwirken. Die Vorinstanz hat nämlich zu Gunsten der Hilfesuchenden entschieden und nicht im Sinne derer, die Menschen in einer schwierigen Lebenssituation mit perfiden Methoden einschüchtern wollen. Das bedeutet für mich, dass im Falle einer Revision die Karten neu gemischt werden und ein letztinstanzliches Urteil hoffentlich die Persönlichkeitsrechte der Hilfesuchenden stärker gewichtet als das Recht auf 40-tägige Bedrängung durch die religiösen Fanatiker.“

Hans-Ulrich Rülke (FDP), Landtagsabgeordneter für Pforzheim und den Enzkreis sowie Stadtrat

OB Peter Boch äußerte sich auf PZ-Nachfrage folgendermaßen:

"Auch ich persönlich bin enttäuscht über den Ausgang des Verfahrens. Die Entscheidung des VGH zeigt deutlich, dass jetzt der Bundesgesetzgeber gefragt ist, ein Gesetz zu erlassen, welches den Kommunen das Recht gibt, derartige Versammlungen vor Beratungsstellen zu verhindern, um so die Rechte der betroffenen Frauen schützen zu können." Die Möglichkeit einer Revision werde geprüft.