760_0900_147110_.jpg
Dr. Malte Rubach.  Foto: Ingolf Hatz 

„Viele Versprechungen hören sich zu gut an, um wahr zu sein“: Ernährungsexperte kommt ins PZ-Autorenforum

Lebt man ohne Fleisch länger? Ist Weißmehl ungesund? Und was bringt die „Reisdiät“? Es sind Fragen wie diese, denen Ernährungswissenschaftler Malte Rubach in seinem Buch „88 Ernährungsmythen: Was Sie über Ihr Essen wissen sollten“ nachgeht – mit teils überraschenden Ergebnissen. Am Donnerstag, 10. November, ist er im PZ-Autorenforum zu Gast. Welche Ergebnisse ihn selbst überrascht haben und wie man im Informationsdschungel rund um Ernährung den Überblick behält, darüber hat die PZ mit Rubach gesprochen.

PZ: Herr Rubach, welchen Ernährungsmythos können Sie nicht mehr hören?

Malte Rubach: Der verbreitetste Mythos hier in Deutschland ist wohl, dass Fleisch zu essen das Leben verkürzen soll. Damit verbunden ist dann natürlich auch, dass Fleisch krebserregend sei und das Risiko für Herzkreislauferkrankungen steigere. Es folgt dann immer der Schnellschluss, wir dürfen am besten gar kein Fleisch mehr essen. Und natürlich auch wegen des Klimawandels. Das alles wird durch aktuelle Studien stark relativiert. Die Menge macht’s, wie bei allem.

Family preparing salad together
In Sachen Ernährung suchen viele Menschen Orientierung und versuchen, alles richtig zu machen. Foto: WavebreakmediaMicro - stock.adobe.com
Warum halten sich derlei Mythen so lange?

Speziell bei Ernährungsthemen ist es so, dass viele Menschen nach Orientierung suchen. Insbesondere bei uns in der westlichen Konsumgesellschaft, wo die Auswahl an Lebensmitteln extrem groß ist, während man in Gesellschaften mit traditionellen Ernährungsweisen durch vorrangig lokal verfügbare Lebensmittel ohne große Mühe zu einer ausgewogenen Ernährung findet. Vermeintliche Orientierung bieten dann oftmals Ernährungsratgeber, die angeben mit bestimmten Lebensmitteln oder auch durch Weglassen mancher Lebensmittel, ein gesundheitliches Problem zu lösen.

In letzter Zeit kommt auch noch die Lösung von Umweltproblemen und des Klimawandels hinzu. Das meiste ist unausgegoren und verfolgt entweder ein Geschäftsmodell oder es geht hintergründig eher darum, andere Ziele zu verfolgen. Zum Beispiel eben Fleisch und andere tierische Lebensmittel abzuwerten, damit Konsumenten ihre Ernährung in Richtung vegetarisch oder vegan ändern.

760_0900_147109_.jpg
Sein neues Buch stellt der Ernährungsexperte im PZ-Autorenforum vor. Foto: Knaur Verlag

Bei der Ernährung wollen viele unbedingt alles richtig machen. Ist man deshalb besonders anfällig für Falschinformationen?

Das ist tatsächlich eine interessante Fragestellung, weil sie das Dilemma aufzeigt, vor dem die Wissensgesellschaft in Sachen Ernährung steht. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig exakte und zuverlässige Informationen sind, und deshalb kamen überall auch Fachexperten zu Wort. Falschinformation und Quacksalber wurden schnell mit Faktenchecks entlarvt.

Leider ist es bei Ernährungsthemen oft umgekehrt. Ernährungswissenschaftler kommen selten zu Wort, dafür aber Schauspieler, Coaches, Influencer und sonstige selbsternannte Ernährungsexperten. Unglücklicherweise auch Mediziner, die offenkundig nicht nur alternativen Lehrmeinungen anhängen, sondern teilweise fahrlässige Ratschläge erteilen.

Leider hören sich viele Versprechungen zu gut an, um wahr zu sein. Oftmals wird mit Anekdoten von Patienten oder direkt mit der eigenen Heilsgeschichte geworben. Das ist für Ratsuchende meistens leider überzeugender als wissenschaftlich fundierte Ansätze.

Neven Subotic
Sport regional

Noch Karten erhältlich: Früherer BVB-Star auf Lesetour zu Gast im PZ-Forum

Dieses Prinzip lässt sich beliebig oft wiederholen, da der vermeintliche Fehler bei Misserfolg immer beim Ratsuchenden liegt. Irgendetwas hat man falsch gemacht, am Konzept kann es nicht gelegen haben, das hat ja bei dem Experten und seinen Beispielen funktioniert. Also probiert man das nächste Konzept, das gerade im Trend liegt. Ein Teufelskreis für Betroffene, nicht nur beim Thema Abnehmen, sondern inzwischen auch bei nachhaltiger Ernährung.

Was halten Sie von Sätzen wie: „Oma wusste schon, dass dieses und jenes gut ist“?

Die vorigen Generationen waren sicherlich in vielen Punkten pragmatischer, allein deshalb, weil sie es mangels Angebot auch sein mussten. „Wer Hunger hat, der findet ein Rezept“, sagte mir einmal jemand, den ich in einem nordafrikanischen Land getroffen hatte. Dabei entscheidet Erfahrungswissen, welche der verfügbaren Lebensmittel am besten zur Gesunderhaltung des Körpers beitragen. Das haben Menschen auch schon vor der Entstehung der Ernährungswissenschaften gelernt.

Heute weiß man sehr viel mehr, was die biochemischen Zusammenhänge betrifft. Dieses Mehr an Wissen ist aber für den normalen und gesunden Menschen von geringem Nutzen. Anbieter von Diäten oder Nahrungsergänzungsmitteln verkaufen Studien oder neue Erkenntnisse aber gerne so, als wäre nun der Durchbruch des Jahrhunderts gelungen. Da wird oft eine wissenschaftliche Übergenauigkeit vorgegaukelt, die aber im Alltag überhaupt keine Relevanz besitzt.

In Sachen Ernährung gibt es eine regelrechte Informationsflut. Haben Sie einen Tipp, wie man da als Laie den Überblick behalten soll?

Generell ist es schon einmal gut, wenn der Absender von Ernährungsinformationen eine fachliche Qualifikation hat. Dann können bereits 90 Prozent der Beiträge ausgesiebt werden. Bei den restlichen Informationen lohnt es sich, immer mindestens zwei oder drei Quellen zum gleichen Thema zu suchen, um einen Eindruck zu bekommen, welche anderen Standpunkte existieren. Zuletzt muss man sich fragen, macht das insgesamt und für mich Sinn, was da gesagt oder geschrieben wird. Dabei hilft oft einfache Logik, wenn zum Beispiel zehn Kilogramm weniger Gewicht in zwei Wochen angepriesen werden. Das ist zu viel und zu schnell, um gesund zu sein.

Grüne wollen kostenfreies Kita-Essen
Baden-Württemberg

Nach Vegi-Beschluss: Agrarministerium für Fleisch in Kitas und Schulen

In den vergangenen Jahren hieß es oft, die Ernährung werde für manche zu einer Ersatzreligion. Ist da was dran?

Sicherlich war und ist Ernährung schon immer identitätsstiftend gewesen, auch durch Speisevorschriften von Religionen. Ebenso sind Ernährungsweisen kulturell betrachtet ein Erkennungsmerkmal. Von einer Art Ersatzreligion würde ich allerdings nur sprechen, wenn die Ernährungsweise einen ideologischen Überbau hat, der die Ernährungsweise legitimieren soll. Das ist zum Beispiel bei vegetarischer oder veganer Ernährung der Fall, wenn teilweiser oder vollständiger Verzicht auf tierische Lebensmittel obligatorisch ist. Das kommt den Speisevorschriften bei Religionen sehr nahe.

Gab es auch einen Mythos, dessen Entzauberung Sie selbst überrascht hat?

Tatsächlich hatte ich lange Zeit immer wieder gelesen, dass die Landwirtschaft 70 Prozent des Frischwassers zur Erzeugung unserer Lebensmittel verbraucht und damit der größte Wasserverschwender sei. Vor allem wegen der Tierhaltung. Besser wäre also doch Fleischverzicht oder gleich Verzicht auf alle tierischen Lebensmittel.

Überrascht hat mich dann, dass es sich bei dem Wert um den weltweiten Durchschnitt handelt und das Umweltbundesamt für Deutschland gerade einmal etwas mehr als ein Prozent Frischwasserverbrauch durch die Landwirtschaft angibt. Diese Einordnung fehlt in allen Beiträgen zu diesem Thema, die ich kenne. Vermutlich, weil es nicht so dramatisch klingt. Dabei wäre diese Information für Leser in Deutschland doch äußerst relevant.

760_0900_146871_.jpg
Pforzheim+

Tierfilm lockt Imker und Naturfreude ins Kommunale Kino

Auf was setzen Sie bei Ihrer Ernährung?

Ich esse alles, nur nicht zu viel davon. Dazu noch ausreichend Bewegung und gute Planung von Rezepten und Einkauf, damit möglichst keine Lebensmittel verschwendet werden.

Dr. Malte Rubach ist am Donnerstag, 10. November, um 19 Uhr im PZ-Autorenforum zu Gast. Karten kosten 10,50 Euro (6,50 Euro mit AboCard) und sind telefonisch unter 07231-933-125 oder hier erhältlich.

Zur Person

Dr. Malte Rubach hat Ernährungswissenschaft in Deutschland, der Türkei und den USA studiert. Er promovierte an der Technischen Universität München. Rubachs Arbeiten wurden in internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht. Der gefragte Experte lehrt zudem als Gastwissenschaftler an der Technischen Universität München. In seiner Jugend war Rubach Leistungssportler.

Lisa Scharf

Lisa Scharf

Zur Autorenseite