Ein Kommentar von PZ-Redakteurin Lisa Scharf.
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Politik
Nur Mut, Herr Bundeskanzler: Warum Schwarz-Rot sich an große Reformen wagen muss

Damit das Land vorankommt, braucht es grundlegende Reformen – so weit, so groß die politische Einigkeit. Sobald es konkret wird, rudert die Regierung jedoch zurück. Kanzler Friedrich Merz sollte mutig sein – und sich einen Parteikollegen zum Vorbild nehmen.

Ein Kommentar von PZ-Redakteurin Lisa Scharf

Es ist ein düsteres Bild der Zukunft Deutschlands, das die Berater von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche in dieser Woche gezeichnet haben: wachsende Verteilungskonflikte, eine schleichende Deindustrialisierung, der Verlust internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Die Wissenschaftler haben aber auch gleich klargemacht, was nötig ist, um diese dunkle Prognose aufzuhellen. Es ist etwas, mit dem sich Deutschland schwertut: mehr Mut bei Reformen.

Beispiel Krankenhäuser: Dass es in diesem Bereich großen Reformbedarf gibt, da sind sich alle einig – Politik, Kliniken, Patientenschützer. Der ehemalige Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte sich an eine Reform gewagt, um deren Umsetzung und Details Ampelregierung und Länder lange gerungen haben. Schwarz-Rot hat nun die Reform reformiert – und damit weiter aufgeschoben.

Es wirkt, als bekäme die Politik kalte Füße, sobald es darum geht, dass auch tatsächlich Veränderungen eintreten. Nicht jede ist angenehm, keine Frage. Aber in alter GroKo-Manier Kommission um Kommission einzusetzen und den Reformstau damit noch weiter vor sich her zu schieben – das bringt das Land nicht voran. Im Gegenteil.

Der Bundeskanzler selbst hat schon bei mehreren Gelegenheiten betont, dass sich vieles ändern müsse, damit das Leben in Deutschland so gut bleibe, wie es heute ist. Er hat recht. Es ist nun an ihm und seiner Koalition, den Mut dafür aufzubringen – und damit auch dem Volk das zuzumuten, was nötig ist. Dass sich etwas tun muss, haben die Menschen im Land längst verstanden.

Für Friedrich Merz hatten die Berater seiner Wirtschaftsministerin auch eine ganz eigene Botschaft: Nur die Stimmung zu verbessern, reiche nicht. Das ist, worauf Merz bislang vor allem setzt. Und es stimmt ja auch, dass eine gute Stimmung in der Bevölkerung wichtig ist. Nicht zuletzt, weil die Menschen nötige, auch harte Einschnitte eher mittragen, wenn sie insgesamt positiv gestimmt sind. Es gilt die alte Maxime: Das eine tun, das andere aber nicht lassen.

CDU-Mann Merz kann sich dafür seinen Parteifreund Wolfgang Schäuble zum Vorbild nehmen. Der war davon überzeugt, dass es auch zu den Aufgaben der Politik gehört, Entscheidungen gegen die Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung zu beschließen. Dass diese Entscheidungen richtig waren, würden die Menschen dann schon noch merken, so Schäuble. Wenn Merz den Mut und die Kraft aufbringt, das Land endlich wieder aufs Gleis zu setzen, werden die Deutschen ihm das danken. Vielleicht nicht sofort – aber in Zukunft ganz sicher.