
- Anika von Greve-Dierfeld
Calw. Die stillgelegte Hermann-Hesse-Bahn im Landkreis Calw wird seit einer gefühlten Ewigkeit reaktiviert und soll nach zahlreichen Verzögerungen Ende kommenden Jahres wieder fahren – wenn die Fledermäuse mitmachen. Denn Tests mit Schallwellen, die die bisher in den Bahntunneln hausenden und streng geschützten Tiere davon abhalten sollen, in den später von Zügen genutzten Röhrenbereich einzufliegen, laufen noch nicht ganz optimal. Die Zeit drängt allmählich. Denn die Tiere gehen nun in die Winterpause.
Die Vergrämung mit Schallwellen gestalte sich nicht so, wie man sich das erhofft habe, sagt der Landesvorsitzende des Nabu Baden-Württemberg, Johannes Enssle. „Wir vermuten, dass das an der technischen Umsetzung liegt.“ Wenn das so bleibe, könne sich die Inbetriebnahme der Strecke verzögern. Demnach reagierten zwei der mehr als 15 Fledermausarten, die die Tunnel seit der Stilllegung mit mehr als 1000 Exemplaren bevölkern, auf die Schallwellen nicht so gut wie erhofft. „Das alles ist hochkomplex, Toningenieure kümmern sich darum“, sagt Enssle. Diese Schutzmaßnahmen seien weltweit einmalig und es gebe damit wenig Erfahrung.


Preisschock im Kreis Calw: Kosten für die Hesse-Bahn explodieren
Landratsamt zuversichtlich
Das Landratsamt Calw ist hingegen zuversichtlich. „Der Vergrämungsversuch funktioniert sehr, sehr gut“, sagt der Dezernent für Infrastruktur, Andreas Knörle. Man arbeite mit Hochdruck an einer Lösung. Von Ende September an sind Bauarbeiten und Versuche mit den Schallwellen wegen der nahenden Winterruhe für die Fledermäuse für einige Monate nicht mehr möglich. Sollte es wider Erwarten bis dahin nicht klappen, werde man die nächsten Monate für Feldversuche nutzen und im Frühjahr kommenden Jahres wieder Schallwellen-Tests machen. „Wir versuchen seit Jahren alles, was möglich ist“, sagt Landrat Helmut Riegger. „Sämtliche Experten auf dem Gebiet sind vollkommen überzeugt, dass unsere Maßnahmen zum Schutz der Fledermäuse funktionieren werden.“ Die Fledermäuse sollen dazu gebracht werden, seitlich an einer Einhausung vorbei und dann am eigentlichen Tunneleingang in „ihren“ Bereich einzufliegen.


Landrat lobt Projekt Hesse-Bahn - Artenschutz übertrieben?
Ministerium plant mit Herbst
Das Verkehrsministerium glaubt an den Start der Hermann-Hesse-Bahn. „Im Herbst 2025 soll der Betrieb gestartet und ab dem Fahrplanwechsel Ende 2025 der Regelbetrieb aufgenommen werden“, sagte ein Sprecher des Verkehrsministeriums – auch wenn zwei Bauabschnitte bislang nicht genehmigt sind.
„Derzeit arbeiten alle Beteiligten engagiert an der Umsetzung dieses Zeitplans.“
In den zwei stillgelegten Tunnelröhren „Hirsau“ und „Forst“ befindet sich auf der alten Bahnstrecke zwischen Calw und Weil der Stadt eines der bedeutendsten Schwärmquartiere für Fledermäuse in Süddeutschland. Darin überwintern zahllose Tiere. Außerdem schwärmen vor den Tunnelportalen Tausende Fledermäuse, um dort Partner zu finden.
Nach langem Streit im Zuge der Reaktivierungspläne und einer drohenden Klage durch den Nabu war beschlossen worden, den Fledermäusen Ausweichquartiere außerhalb der Tunnel anzubieten. Vor allem aber soll ihnen eine spezielle Trennwandkonstruktion innerhalb der Röhren ermöglichen, in den Tunneln zu bleiben und damit das bedeutende Fledermausquartier zu erhalten. Dafür wird eine Art „Tunnel im Tunnel“ gebaut, sagt das Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe.
„Damit kann der Bahnverkehr getrennt vom Flugbereich und den Winterquartieren der Fledermäuse stattfinden.“


Kostenexplosion und „mangelhafte Planung“: Weiterer Wirbel um Hesse-Bahn
Am Ende wird das Projekt – Stand jetzt – rund 160 Millionen Euro gekostet haben. Ein Drittel davon sei für den Artenschutz ausgegeben worden, sagt Landrat Riegger. „Dass es so viel Kraft kostet, eine Strecke zu reaktivieren, das ist ein schwieriger Prozess, den wir bitter lernen mussten.“ Mit dem Ministerium sei man in sehr gutem Einvernehmen und gehe davon aus, dass ein beträchtlicher Teil der Kosten vom Land geschultert werde.